„Karneval? – Dafür bin ich zu alt.“ „Karneval? – Der ist doch erst am Sonntag, wenn der Zug geht.“ „Karneval? – Ich brauche keine 5.Jahreszeit, um mich ‚auf Befehl‘ zu freuen.“ Drei Aussagen, die ich in den letzten Tagen in Wuppertal hörte und mich, als Kölner und bekennender Karnevalsfreund, innerlich schmunzeln ließen. Zu alt? Erst oder nur am Sonntag? Auf Befehl? Echte Karnevalsfreunde werden auf solche Vorbehalte gar nicht kommen. Aber es stimmt schon: Hier geht es nicht darum, etwas zu „müssen“. Die Karnevalstage sind ein Angebot, das Leben ein Stück bunter zu erleben, als es die manchmal graue und triste Alltagswelt zulässt. Hinter den dichtesten Wolken scheint ja immer noch leuchtend die Sonne. Und auch unter gewaltigen Schneemassen findet sich die fruchtbare Erde, die sich schon bald wieder für neue blühende Pflanzen öffnet. Karneval steht für einen farben- und lebensfrohen Blick hinter die Kulissen: letztlich, weil Gott hinter seiner Schöpfung steht. Die Karnevalszeit kann uns, etwa durch Kostümierung, in eine andere Rolle schlüpfen lassen. So ein Perspektivenwechsel tut manchmal gut. Wer immer nur durch die rosarote Brille schaut und sich an seinem eigenen Glück freut, sollte darauf achten, Menschen in Angst, Trauer und Not nicht zu übersehen. Denn wir tragen füreinander Verantwortung. Doch auch umgekehrt gilt: Wer immer nur die dunklen Seiten sieht, jammert und sich für permanent benachteiligt hält, sollte die Reichtümer des Lebens, gute Freunde, ein Dach über dem Kopf und manch andere selbstverständliche Dinge, wovon anderswo Menschen vergeblich träumen, nicht aus den Augen verlieren. Welchen Reichtum besitzt doch ein Mensch, der sich von Herzen freuen kann! Oder auch andere mit seiner Freude ansteckt! Und dafür bin ich nie zu alt, und schon gar nicht muss ich darauf warten, bis es mir ein anderer befiehlt. Dann ist es auch egal, ob Sie die Karnevalstage oder etwas ganz anderes zum Anlass nehmen, die Spuren von Gottes Liebe zu entdecken und sich an seiner bunten, lebendigen, vielfältigen und manchmal auch ‚jecken‘ Schöpfung zu freuen.
Pfr. Christoph Bersch
Leitender Pfarrer im Seelsorgebereich Wuppertaler Westen
veröffentlicht in der Wuppertaler Rundschau vom 13. Februar 2010.
Die Rubrik “Auf ein Wort” erscheint in unregelmäßigen Abständen in der Samstagsausgabe der Wuppertaler Rundschau. Autoren sind evangelische und katholische Theologen in Wuppertal, die sich zu aktuellen gesellschaftlichen oder kommunalen Themen äußern. Wir veröffentlichen auf kath 2:30 die Beiträge der katholischen Autoren. Die evangelischen Beiträge finden Sie hier.
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
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