In den letzten Wochen sind zuerst in Berlin, dann auch in anderen Bistümern und Einrichtungen der katholischen Kirche Vorfälle von sexuellem Missbrauch, von Verbrechen bekannt geworden. Trauer und Entsetzen, manchmal Zorn und Unverständnis empfinde ich, wenn ich diese bitteren Wahrheiten erfahre und davon höre, und bestimmt nicht ich alleine. Auch in Wuppertal ist ein besonders schlimmes Vergehen von vor vielen Jahren bekannt geworden. Menschen ist für ihr Leben lang schweres Leid zugefügt worden, durch Priester, durch Mitarbeiter im kirchlichen Dienst, durch Andere. Priester, denen besonders viel Vertrauen entgegengebracht wurde, haben ihr Amt und dieses Vertrauen missbraucht und so das Vertrauen im Leben der Opfer zerstört. Die Verkündigung des Glaubens ist unglaubwürdig geworden, auch das wiegt sehr schwer für einen Christen. Verantwortliche in der Kirche haben oft vertuscht, hatten kein Verständnis, zeigten keine Kenntnis und sind ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden.
Im Namen der katholischen Kirche hier in Wuppertal und unseres Bischofs bekenne ich mich zur Schuld, die geschehen ist. Ich bitte um Entschuldigung, auch wenn die schuldigen Täter oft schon tot sind.
An den Verwundungen tragen die Opfer oft schwer, sie können immer wieder aufbrechen. Manchmal ist es oft erst nach langer Zeit möglich, darüber zu sprechen. Gegenwärtig geschieht das. Das ist gut und kann den Betroffenen helfen. Die katholische Kirche in unserem Erzbistum und hier in unserer Stadt wird jedem einzelnen Fall, ob vor langer Zeit oder aktuell geschehen, mit aller Sorgfalt und Konsequenz nachgehen, wir bieten Beratung und Hilfe an. Natürlich sind auch unabhängige Beratungsstellen zu empfehlen. Wir unterstützen ebenso vorbehaltlos die Aufklärung durch staatliche Stellen, unabhängig von einem kirchlichen Verfahren.
Die Kirche muss sich der bitteren Wahrheit stellen und hat genug mit dem Unrecht und dem Bösen in den eigenen Reihen zu tun. Dafür wünsche ich mir Demut und den nötigen langen Atem. Deutlich geworden ist aber auch, dass was jetzt aus der Kirche bekannt und öffentlich wurde, die Spitze eines Eisberges ist, der die ganze Gesellschaft umfasst. Deshalb brauchen wir überall mehr Wachsamkeit und Verantwortlichkeit, vor allem wo Kontakt mit jungen Menschen ist.
Ein Wort zu einem Thema, das gelegentlich verknüpft wurde, zum Zölibat in der katholischen Kirche. Darüber kann man mit verschiedenen Argumenten geteilter Meinung sein. Sicher und von Experten klar gestellt ist, dass er nicht die Ursache von Missbrauch ist. Würde er abgeschafft, würden damit nicht die Missbrauchsmöglichkeiten in der Kirche beseitigt. So einfach ist es nicht.
Als Christen beginnen wir die heilige Karwoche auf Ostern zu und schauen auf Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen. Mit diesem Blick soll nichts fromm getüncht oder verharmlost werden. Gerade angesichts des Unrechtes und Verbrechens durch Menschen in der Kirche ist mir als Christen umso klarer: „Bei Christus muss all unser Tun beginnen, wenn es wirklich zum Heile gereichen soll.“ (Kardinal Meisner). Das Gebet für die Opfer um Heilung und gute Hilfe nimmt nichts von der Verantwortung, es ersetzt nicht den Staatsanwalt, die Psychologin, den Arzt, macht Beratung und Seelsorge nicht überflüssig. Es kann aber von allen gegeben werden.
Dr. Bruno Kurth
Stadtdechant in Wuppertal
Der Wuppertaler Stadtdechant Dr. Bruno Kurth hat die katholische Beratungsstelle der Ehe-, Familie-, und Lebensfragen Wuppertal als Anlaufstelle für Opfer sexuellen Missbrauchs in Wuppertal benannt. Die katholische Ehe-, Familien- und Lebensberatung Wuppertal ist unter 0202-456111 zu erreichen.
Der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner hat außerdem eine Broschüre „Zu Vorfällen von sexuellem Missbrauch“ veröffentlicht, die hier als pdf-Datei heruntergeladen werden kann.
Veröffentlicht in der Wuppertaler Rundschau vom 27. März 2010.
Die Rubrik “Auf ein Wort” erscheint in unregelmäßigen Abständen in der Samstagsausgabe der Wuppertaler Rundschau. Autoren sind evangelische und katholische Theologen in Wuppertal, die sich zu aktuellen gesellschaftlichen oder kommunalen Themen äußern. Wir veröffentlichen auf kath 2:30 die Beiträge der katholischen Autoren. Die evangelischen Beiträge finden Sie hier.
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
Der Wuppertaler Stadtdechant Dr. Bruno Kurth hat sich am 24. März 2010 zum selben Thema auch in der Westdeutschen Zeitung geäußert. Lesen Sie das Interview unter http://www.wz-wuppertal.de/?redid=790901.