Eine Reaktion auf die wieder einmal unbedachten Äußerungen der vermeintlichen Journalistin Eva Hermann zu dem Unglück der Loveparade wollten wir an dieser Stelle eigentlich vermeiden. Nicht alles, was im Namen Gottes geäußert wird, wird ihm auch wohlgefallen. Es erübrigt sich also, jeden Irrtum, den diese Publizistin von sich gibt, nochmals zu kommentieren.
Leider ist Frau Hermann mit ihrer Aussage, Gott habe seine Strafgewalt angesichts des sündhaften Treibens auf der Loveparade offenbart, nicht lange alleine geblieben. Jetzt hat sich auch der Salzburger Weihbischof Andreas Laun in einem Kommentar, den er auf der Internetplattform kath.net veröffentlicht hat, in eine ähnliche Richtung geäußert:
Wenn Gott „straft“, tut er dies mit der Absicht, den Menschen zurückzuholen, Gott straft aus Liebe! (Bischof Andreas Laun auf kath.net)
Es ist schon abenteuerlich, was manch ein Christ angesichts einer solchen Tragödie, die 21 Menschen das Leben gekostet hat, von sich gibt. Sind die denn von allen guten Geistern verlassen? Haben die denn überhaupt nichts von der Botschaft Christi, des Gekreuzigten verstanden? Welche Schuld hat Jesus denn dann persönlich zu tragen, dass er einen solchen Tod verdient hat?
Solchen Äußerungen liegt ein fataler Denkfehler zugrunde. Man glaubt zu wissen, was Gott denkt. Dabei heißt es schon bei Jesaja:
Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und meine Wege sind nicht eure Wege – Spruch des Herrn. So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken. (Jes 55,8f)
Die Verwechslung des eigenen Denkens mit der Auffassung, man sei damit schon auf Gottes Seite, führt zu einem fatalen Fehlschluss. Weil man selbst eine Veranstaltung wie die Loveparade missbilligt, glaubt man, auch Gott müsse das tun und entsprechend strafend eingreifen. Es scheint fast, als seien die Autoren solcher Äußerungen auf eine absurde und zynische Art schadenfroh. Fatalerweise trägt dann Gott die Verantwortung für die Toten. Und er ist noch willkürlich dazu. Denn warum straft er bei der Loveparade, bei zahlreichen anderen Verbrechen der Menschheit aber nicht. Die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes bleibt dann nur noch mit göttlicher Willkür zu beantworten. Das ist nicht der Gott der Christen!
Tatsächlich scheint auch Herr Laun das erkannt zu haben, denn er betont in einer „Klarstellung“, dass seine Kritiker sich vor den Muslimen in Acht nehmen müssten, denn die würden an einen strafenden Gott glauben. Das ist ein interessantes Zeichen interreligiöser Toleranz, bei dem man nur den Kopf schütteln kann. Sonstige Argumente findet man nicht.
Ich weiß nicht, ob Gott die Loveparade gut findet oder nicht. Er wird sicher seine Freude an der Freude der Menschen haben – auch bei der Loveparade. Und er ist solidarisch mit den Trauernden – gerade bei der Loveparade. Das ist doch gerade die Botschaft des Kreuzes: Der unschuldig Gekreuzigte und vom Tod Auferstandene zeigt, dass das scheinbar sinnlose Leid in Gott aufgehoben wird. Eine Erkenntnis, die die um die Toten Trauendern vielleicht jetzt nicht zu trösten vermag; aber eine Erkenntnis, aus der Generationen von Menschen angesicht von Leid und Tod Hoffnung geschöpft haben.
Nein, so leicht kann man die Verantwortung nicht von uns Menschen auf Gott abwälzen. Auch nicht, um der eigenen Selbstgerechtigkeit Nahrung zu geben. Auch für die, die sich sicher auf der Seite Gottes wähnen, gilt das 13. Kapitel des Lukasevangeliums:
Zu dieser Zeit kamen einige Leute zu Jesus und berichteten ihm von den Galiläern, die Pilatus beim Opfern umbringen ließ, sodass sich ihr Blut mit dem ihrer Opfertiere vermischte. Da sagte er zu ihnen: Meint ihr, dass nur diese Galiläer Sünder waren, weil das mit ihnen geschehen ist, alle anderen Galiläer aber nicht? Nein, im Gegenteil: Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt. Oder jene achtzehn Menschen, die beim Einsturz des Turms von Schiloach erschlagen wurden – meint ihr, dass nur sie Schuld auf sich geladen hatten, alle anderen Einwohner von Jerusalem aber nicht? Nein, im Gegenteil: Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt. Und er erzählte ihnen dieses Gleichnis: Ein Mann hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum; und als er kam und nachsah, ob er Früchte trug, fand er keine. Da sagte er zu seinem Weingärtner: Jetzt komme ich schon drei Jahre und sehe nach, ob dieser Feigenbaum Früchte trägt, und finde nichts. Hau ihn um! Was soll er weiter dem Boden seine Kraft nehmen? Der Weingärtner erwiderte: Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen. Vielleicht trägt er doch noch Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen. (Lk 13,1-9)
Gott liebt offenkundig den Sünder so sehr, dass er ihm eine immer neue Chance gibt. Die Gelegenheit zur Umkehr bleibt immer bestehen; sie wird dem Menschen nicht genommen – nie! Gott wird den Sünder also gar nicht strafen! Und noch mehr: Die Lukaserzählung lehrt uns: Alle sind Sünder – auch Journalisten und Bischöfe!
Wie können die, die jetzt das Wort der gerechten Strafe im Munde führen, angesichts dieser Erkenntnis leben? Vielleicht sollten sie besser ein Wort beherzigen, das mein Lateinlehrer uns Schülern in der ersten Stunde nahegelegt hat: Vor dem Gebrauch des Mundwerkes, Gehirn einschalten!
Frau Hermann und Herr Laun haben wieder einmal eine Gelegenheit zum Schweigen verpasst. Schade!
Vielleicht sollten sie besser beten: Für die Opfer und ihre Angehörigen; vor allem aber für sich selbst: Um den Geist der Weisheit.
Dr. Werner Kleine
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
Volle Zustimmung! Danke für den Text!
Es bleibt wohl schwierig, den Geist der Weisheit zu entdecken. Und noch schwieriger scheint es wohl, dies bei sich selbst zuerst zu versuchen. Schade, dass in jüngster Zeit vermehrt aus Kreisen der institutionellen Kirche Worte vom strafenden und richtenden Gott laut werden. Der liebende, tröstende, solidarische und beistehende Gott ist dabei längst bei denen, die ihn suchen.