Und wieder steht das Pfingstfest vor der Tür. Es gehört neben Weihnachten und Ostern zu den drei großen christlichen Festen. Anders als Weihnachten oder Ostern hat es in unseren Breiten aber kein Brauchtum ausgeprägt. Vielleicht ist das der Grund, warum für viele der Sinn des Pfingstfestes wenig bekannt ist.
Die Apostelgeschichte berichtet, das sich in Jerusalem am 50. Tag nach der Auferstehung Jesu Christi Unerwartetes ereignete. Die Jünger erkennen den eigentlichen Sinn von Tod und Auferstehung Jesu Christi. Wovon das Herz voll ist, davon quillt der Mund über. Und so können auch sie nicht mehr still sitzen. Sie haben verstanden, dass Gott nicht einfach nur dem Menschen gegenüber steht. Sie haben erfahren, dass Gott in Jesus Christus einer von uns wurde. Sie haben diesen Fingerzeig verstanden. Die Menschwerdung Gottes, sein Sterben am Kreuz und sein Auferstehen bedeuten: Gott ist mit uns, er ist in uns, selbst in den Tiefen des Lebens. Beseelt von dieser Erkenntnis brechen sie auf und erzählen begeistert in aller Öffentlichkeit davon. Es heißt, dass sich aufgrund dieser Verkündigung die ersten Gemeinden bildeten. Die Kirche war geboren.
Die öffentliche Verkündigung bildete den Ausgangspunkt der Kirche. Religion und Glaube sind nie bloß nur Privatsache. Das ist auch in unserer Stadt in den vergangenen Wochen deutlich geworden, als Salafisten in den Fußgängerzonen Korane verteilten. Dem Fremden begegnen Menschen meist mit einer Mischung aus Neugier und Abgrenzung. Gegen die Verteilung von Koranen ist an sich nichts zu haben. Als Kirchen kennen wir diese Erfahrung. Die einfach verteilte Bibel bringt aber noch nicht viel. Es bedarf der intensiven Auseinandersetzung mit der Heiligen Schrift. Anders als im Islam ist für Christen das geschriebene Wort der Bibel als solches nur Buchstabe. Es muss im Leben der Menschen zum Klingen gebracht werden. Nicht das Wort an sich zählt, sondern die aus dem Wort erwachsene Tat.
Was sollen wir da angesichts der Taten denken, die sich wenige Tage nach der Koranverteilung in vielen Städten – auch in Solingen und Remscheid – zugetragen haben. Billige Provokationen ängstlicher Einfältiger führen zu gewalttätigen Gegenreaktionen. Die selbsternannten Söhne Allahs werfen schließlich mit Steinen, prügeln sich mit Polizisten und rufen zur Tötung der Feinde Allahs auf. Sie rufen „Allahu akbar“ – „Gott ist groß“; aber was ist das für ein Gott, der solche Handlanger braucht. Ein wirklich großer und allmächtiger Gott braucht keine Menschenhilfe. Ein wirklich großer Gott schafft selbst Recht und Gerechtigkeit.
An diesen Gott glauben wir Christen. An diesen Gott, der in uns ist. Kein Mensch würde ohne diesen Hauch Gottes atmen. Für uns Christen folgt daraus, dass Gott uns in jedem Menschen begegnet. Und dem anderen begegnet Gott in uns. Was für eine Verantwortung! Gott ist groß, ja. Im Nächsten steht er mir gegenüber. Wer da den Stein erhebt und den anderen beschimpft, trifft mit Sicherheit den Falschen! Wer aber dem Nächsten die Hand reicht, wird die Größe Gottes erfahren!
Pastoralreferent Dr. Werner Kleine
Pfarrer Werner Jacken
Veröffentlicht in der Wuppertaler Rundschau vom 26. Mai 2012.
Die Rubrik “Auf ein Wort” erscheint in unregelmäßigen Abständen in der Samstagsausgabe der Wuppertaler Rundschau. Autoren sind evangelische und katholische Theologen in Wuppertal, die sich zu aktuellen gesellschaftlichen oder kommunalen Themen äußern. Wir veröffentlichen auf kath 2:30 die Beiträge der katholischen Autoren. Die evangelischen Beiträge finden Sie hier.
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
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