Nur noch eine kurze Zeit, dann feiern die Christen auf der ganzen Welt das Fest der Menschwerdung Gottes. Weihnachten ist für viele Menschen der emotionale Höhepunkt des Jahres. Liturgisch bildet jedoch das österliche Triuum paschale den Zenit das Jahreskreises: Tod und Auferstehung Jesu Christi sind die innere Mitte des christlichen Glaubens. Nicht umsonst finden sich deshalb auf vielen – vor allen mittelalterlichen – Krippendarstellungen Hinweise auf das Schicksal des neugeborenen Kindes: Durch ein Fenster kann man den Hügel Golgata sehen, an einem Balken im Stall hängt ein Kreuz oder die Windel des Christuskindes sind in Kreuzform gewickelt. Weihnachten ohne Ostern ist undenkbar. Warum sollte man die Geburt Jesu feiern, wenn Gott uns nicht durch seinen Kreuzestod und seine Auferstehung gezeigt hätte, dass jeder Lebensweg zu ihm führt, selbst der Weg eines Sünders.
Das zeigt auch die zweite Lesung des 4. Adventssonntages im Lesejahr C. Im Hebräerbrief heißt es dort:
Darum spricht Christus bei seinem Eintritt in die Welt: Schlacht- und Speiseopfer hast du nicht gefordert, doch einen Leib hast du mir geschaffen; an Brand- und Sündopfern hast du kein Gefallen. (Hebräerbrief 10,5f)
Gott muss nicht mehr durch Opfer oder Leistungen besänftigt werden. Der Leib des Menschen ist nichts Schäbiges, sondern von Gott durch seine Menschwerdung selbst gewürdigt worden. Der Mensch soll sich an einem Leben in diesem Leib in der Gewissheit freuen, dass sein Weg immer zu Gott führen wird.
Jetzt könnte man einwänden: Dann ist doch alles erlaubt, dann braucht man doch keine Regeln mehr. Das stimmt und doch wieder nicht. So heißt es im Hebräerbrief:
Dann aber hat er gesagt: Ja, ich komme, um deinen Willen zu tun. (Hebräer 10,9)
Auch wenn jeder Lebensweg zu Gott führt, ist es doch nicht egal, wie wir leben. Gott ist gerecht. Um der Gerechtigkeit willen, liebt Gott vor allem die Schwachen. Was sollen wir Gott sagen, wenn durch unsere Lebensführung andere zu Schaden gekommen oder ins Unglück gestürzt wurden. Wer den Willen Gottes tut (und nicht bloß darüber redet), wird sich an der Seite der Schwachen wieder finden – so wie der menschgewordene Gott selbst, der seine Gottheit nicht wie einen Raub festhielt, sondern sich entäußerte und Mensch wurde.
Die Menschlichkeit Gottes sollte uns davor bewahren, unsere eigene Menschlichkeit zu unterschätzen: Mensch, freu dich, dass du Mensch bist!
Ich wünsche Ihnen ein gesegneten vierten Advent und frohe Weihnachten,
Ihr
Dr. Werner Kleine, PR
Katholische Citykirche Wuppertal
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
Du kannst einen Kommentar schreiben.