Erneut hat die Glaubwürdigkeit der Katholischen Kirche in den letzten beiden Woche in der Öffentlichkeit Schaden genommen. Zuerst hat die Aufkündigung des Forschungsprojekten mit dem Kriminologischen Institut Niedersachsen e.V. nicht nur die kirchliche Öffentlichkeit irritiert. In den letzten Tagen wurde das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit erneut erschüttert, als bekannt wurde, dass in Köln zwei katholische Kliniken die Untersuchung eines Vergewaltigungsopfers abgelehnt hatten. Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass die betreffenden Verantwortlichen eine Richtlinie, die die katholischen Krankenhausstiftung der Cellitinnen als Träger der Krankenhäuser herausgegeben hatte, überinterpretiert haben. So stellt das Erzbistum Köln in einer Pressemitteilung vom 17.1.2013 fest:
Wir bedauern sehr, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden ist, dass Opfer einer Vergewaltigung in katholischen Krankenhäusern nicht mehr behandelt werden dürfen. Dies ist falsch. Auch in katholischen Krankenhäusern erhalten die betroffenen Frauen die notwendige Heilbehandlung; dazu gehört gegebenenfalls auch eine volle Kooperation mit der Anonymen Spurensicherung.
Wir haben das feste Vertrauen, dass der Träger der Krankenhäuser, in denen nach Medienberichten eine solche Heilbehandlung abgelehnt worden sein soll, die Gesamtsituation vollständig aufklären und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen wird, um eine Wiederholung eines solchen sehr bedauerlichen Einzelfalls auszuschließen. (Quelle: PEK)
Da bleibt die Frage, wie es zu dem bedauerlichen Einzelfall kommen konnte, der doch tatsächlich ein bedauerlicher Doppelfall war, denn die Absage der Untersuchung des Vergewaltigungsopfers kam ja von zwei Kliniken, die sich allerdings in der gleichen Trägerschaft befinden. Der Kölner Stadtanzeiger titelt diesbezüglich in seiner Ausgabe vom 18.1.2013: „Spitzel schwärzen Ärzte an“. In dem zugehörigen Beitrag wird geschildert, dass „Angst vor arglistiger Täuschung (…) die katholische Krankenhaus-Stiftung der Cellitinnen mitbewogen haben [soll], ihre Richtlinien für die Behandlung von Frauen mit Verdacht auf ungewollte Schwangerschaft neu zu fassen“. Anlass war, dass „eine ‚Testerin‘ in die von der Klinik unabhängige, aber auf dem Gelände gelegene Notfallpraxis kam, nach angeblichem ungeschütztem Sex die ‚Pille danach‘ verlangte und diese auch bekam“. Dieser Vorgang wurde seitens der „Testerin“ dem Erzbistum Köln gemeldet.
Auch wenn das Erzbistum Köln eine solche Vorgehensweise, nämlich die Vortäuschung einer Notlage, verurteilt, hat der Vorgang als solches doch offenkundig erhebliche Folgen gezeitigt. Dabei geht es nicht um die Frage, dass nach katholischer Auffassung die „Pille danach“ ethisch nicht zu verantworten ist, weil auf diese Weise die Einnistung einer befruchteten Eizelle, die nach katholischer Lehrmeinung menschliches Leben ist, verhindert wird. Es geht um die Angst, die so entsteht: Wer gegen die Lehre der Kirche handelt, ist von existentiellem Notstand bedroht.
Was in der alltäglichen Praxis einer gynäkologische Abteilung eines katholischen Krankenhauses noch per Richtlinie zu regeln ist, wird angesichts eines Dilemmas, das sich aus dem Trauma einer Vergewaltigung ergibt, ad absurdum geführt. Denn hier kommen weitere Fragen hinzu, die bedacht werden müssen. Wer will sich da zum Richter aufspielen? Wer darf da urteilen? Kann eine einfache Richtlinie diese Fragen lösen?
Das wussten sicher auch die verantwortlichen Ärzte. Und doch haben sie sich aus Angst um ihren Arbeitsplatz entschlossen, eine Behandlung zu verweigern. Auf Nummer sicher gehend, haben sie sich nicht zwingend der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht, denn das Opfer war ja bereits in Behandlung und wurde versorgt. Ein Akt der Nächstenliebe war das aber auch nicht, sondern eher ein Selbsterhaltungstrieb, vor dem Jesus warnt:
„Wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.“ (Matthäus 16,25)
Eine Kirche, deren führende Kräfte Angst erzeugen, muss sich fragen lassen, ob sie bereit ist, das prophetische Wort der ersten Lesung des heutigen Sonntages zu zu lassen:
„Um Zions willen kann ich nicht schweigen, um Jerusalems willen nicht still sein, bis das Recht in ihm aufstrahlt wie ein helles Licht und sein Heil aufleuchtet wie eine brennende Fackel.“ (Jesaja 62,1)
Die Angst löscht das Licht aus. Wer aber ein Licht entzündet, verbrennt sich manchmal die Finger – aber er lebt im Licht!
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Woche,
Ihr
Dr. Werner Kleine, PR
Katholische Citykirche Wuppertal
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
Lieber Herr Kleine,
vielen Dank für diesen Kommentar. Ich bin ent-täuscht und habe oft für das Verhalten der oberen Würden-träger in unserer katholischen Kirche nur noch *Kopfschütteln* übrig. Dabei fällt mir der Spruch von Christan Morgenstern ein: Eine Wahrheit kann erst wirken, wenn der Empfänger für sie reif ist!
Ein interessanter Beitrag zum Thema findet sich auch in der Online-Ausgabe der „Zeit“ vom 19.1.2013: http://www.zeit.de/gesellschaft/2013-01/katholische-kirche-krankenhaeuser