Die diesjährige Fastenzeit ist von einer außergewöhnlichen Dynamik geprägt. Die Angekündigung Papst Benedikts XVI, am 28.2.2013 um 20 Uhr vom Petrusamt zurückzutreten und das damit bevorstehende Konklave, gibt der österlichen Vorbereitungszeit eine ganz eigene Dramaturgie.
Im Windschatten der weltkirchlichen Ereignisse hat nun auch die Deutsche Bischofkonferenz bei Ihrer Frühjahrs-Versammlung, die vom 18.-21. Februar 2013 in Trier tagte, versucht, ein Zeichen ganz eigener Art zu setzen. Kein geringerer als Kardinal Walter Kasper, der emeritiere Kuriendkardinal und ehemalige Präsident des päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, hat vor den deutschen Bischöfen am 20. Februar 2013 zum Studientag „Das Zusammenwirken von Frauen und Männern im Dienst und Leben der Kirche“ eine Vortrag gehalten, dessen Quintessenz darin besteht, das Amt einer „Gemeindediakonin“ zu schaffen. Das Amt der „Gemeindediakonin“ wäre ein
„Amt für Frauen (…), das nicht das des Diakons wäre, das vielmehr so wie damals ein eigenes Profil hätte“ (Quelle: pdf-Dokument/Download www.dbk.de).
Das „damals“ bezieht sich auf das 3./4. Jahrhundert, als die Kirche
„mit den Diakoninnen für die Erwachsenentaufe von Frauen ein Amt sui generis geschaffen hat“ (ebd., Kursiv im Original)
Das ist ein erstaunliches Ergebnis für einen Vortrag, der zwar mit „Zusammenwirken von Frauen und Männern im Dienst und Leben der Kirche“ überschrieben war, statt eines solches Zusammenwirkens aber die Schaffung eines neuen „Amtes für Frauen“ postuliert, das eher den Eindruck macht, es handele sich – um es mit Blick auf die erste Lesung vom 2. Fastensonntag im Lesejahr C zu sagen – um Fleischstücke, die hier bewusst ausgeworfen werden, damit sich die (weiblichen) Raben darauf stürzen. Wenn man den Frauen den Brocken eines Scheinamtes hinwirft, das, wenn es schon nicht ein Sakrament, so doch ein Sakramentale ist, sie ruhig stellen möge:
„Auch ein solches Sakramentale hätte an der sakramentalen Grunddimension der Kirche teil, wenngleich nicht in derselben ‚Dichte‘ wie ein Sakrament.“ (ebd.)
Der besondere Wert dieses Amtes wird freilich dadurch hervorgehoben, dass man
„im Sinn der Tradition überlegen (könnte), diese Benediktion mit der Jungfrauenweihe zu verbinden“. (ebd.)
Immerhin dürfen die so am echten kirchlichen Amt riechen dürfenden Frauen zölibatär leben. Das ist doch schon etwas!
Interessant ist die Argumentationslinie, die Kardinal Walter Kasper zu seinen nicht wirklich überraschenden Schlussfolgerungen führt. Interessant vor allem hinsichtlich des Umgangs mit der Schrift, die in typisch dogmatischer Weise als Steinbruch zur Absicherung theologischer Thesen verwendet wird. Da wird die Autorität des Apostels Paulus einfach einmal ungefiltert auch auf die Deuteropaulinen und sogar auf den ersten Petrusbrief übertragen:
„Man kann fragen: Hat Paulus diese Einsicht auch durchgehalten? Auch er ist in seiner Verhältnisbestimmung der Geschlechter zeit- und kulturbedingt. So spricht er an vielen Stellen von der Unterordnung der Frau unter den Mann (1 Kor 11,3; 14,34; Eph 5,22 f; Kol 3,18; 1 Petr 3,1).“ (ebd.)
Man muss sich als Dogmatiker sicher nicht mit den Feinheiten neutestamentlicher Exegese auskennen, aber das ist doch eine ziemlich oberflächliche Herangehensweise bei einem wirklich ernsten Thema, denn Kardinal Kasper führt weiter aus:
„Man wollte Paulus deshalb schon als misogyn und als antifeministisch hinstellen. Studiert man Paulus genauer, dann stellt man fest, dass er das Problem gesehen und damit gerungen hat und schrittweise auf eine neue Antwort hingearbeitet.“ (ebd.)
Von den von Kardinal Kasper angeführten Stellen sind lediglich die beiden aus dem 1. Korintherbrief auf ein echtes paulinisches Schreiben zurückzuführen, von denen die berühmte Stelle 1 Korinther 14,34f von der Mehrheit der Exegeten außerdem noch als nachpaulinische Glosse (Einschub, Hinzufügung) angesehen wird, die den brieflichen Zusammenhang erkennbar unterbricht.
Noch ärgerlicher ist die tendenziöse Interpretation des Ehekapitels aus dem ersten Korintherbrief (1 Korinther 7). Es scheint hier so, als solle die Exegese der Schrift nicht zur Erkenntnis führen; vielmehr steht das Ergebnis schon vorher fest, das durch die Verwendung der Schrift bestätigt werden soll. Ist die Schrift wirklich nur die Magd der Dogmatik? Scriptura ancilla dogmatis?
In insgesamt 40 Versen spricht Paulus dort vom Sinn der christlichen Ehe, von der Frage der Ehescheidung bei einer Ehe mit einem Ungetauften (ein Aspekt, der heute noch als Privilegium Paulinum im katholischen Kirchenrecht Berücksichtigung findet), vom Wert der Ehelosigkeit und von der möglichen Wiederverheiratung beim Tod des Mannes.
Vordergründig scheint Paulus dabei der Ehelosigkeit den Vorzug vor der Ehe zu geben. Wohlgemerkt: Vordergründig! So heißt es in 1 Korinther 7,25-29:
Was die Frage der Ehelosigkeit angeht, so habe ich kein Gebot vom Herrn. Ich gebe euch nur einen Rat als einer, den der Herr durch sein Erbarmen vertrauenswürdig gemacht hat. Ich meine, es ist gut wegen der bevorstehenden Not, ja, es ist gut für den Menschen, so zu sein. Bist du an eine Frau gebunden, suche dich nicht zu lösen; bist du ohne Frau, dann suche keine. Heiratest du aber, so sündigst du nicht; und heiratet eine Jungfrau, sündigt auch sie nicht. Freilich werden solche Leute irdischen Nöten nicht entgehen; ich aber möchte sie euch ersparen. Denn ich sage euch, Brüder: Die Zeit ist kurz. Daher soll, wer eine Frau hat, sich in Zukunft so verhalten, als habe er keine.
Bei der Ehelosigkeit handelt es sich um einen Rat angesichts der bevorstehenden Not. Worum es sich dabei handelt, führt Paulus in einem kurzen Satz des Philipperbriefes aus, der in der zweiten Lesung vom 2. Fastensonntag im Lesejahr C zu hören ist:
Unsere Heimat aber ist im Himmel. Von dorther erwarten wir auch Jesus Christus, den Herrn, als Retter, der unseren armseligen Leib verwandeln wird in die Gestalt seines verherrlichten Leibes, in der Kraft, mit der er sich alles unterwerfen kann. (Philipper 3,20f)
Paulus erwartet die unmittelbar bevorstehende Wiederkunft Jesu Christi und die damit verbundene Verwandlung der irdisch-vergänglichen in die himmlisch-ewige Existenzweise, die er hier als „Verherrlichung“ bezeichnet. Immer wieder kommt er in seinen Briefen darauf zu sprechen. Erwähnt seien nur 2 Korinther 5,1-10 oder 1 Thessalonicher 5,1-11. Um es auf den einfachen Punkt zu bringen: Angesichts der unmittelbar bevorstehenden Wiederkunft Christi lohnt sich Heiraten nicht mehr. Paulus fordert die Glaubenden auf, den Blick angesichts der nur noch kurzen Zeit auf das Wesentliche zu richten. Deshalb schreibt er:
Ich wünschte aber, ihr wäret ohne Sorgen. Der Unverheiratete sorgt sich um die Sache des Herrn; er will dem Herrn gefallen. Der Verheiratete sorgt sich um die Dinge der Welt; er will seiner Frau gefallen. So ist er geteilt. Die unverheiratete Frau aber und die Jungfrau sorgen sich um die Sache des Herrn, um heilig zu sein an Leib und Geist. Die Verheiratete sorgt sich um die Dinge der Welt; sie will ihrem Mann gefallen. Das sage ich zu eurem Nutzen: nicht um euch eine Fessel anzulegen, vielmehr, damit ihr in rechter Weise und ungestört immer dem Herrn dienen könnt. (1 Korinther 7,32-35)
Gleichzeitig schränkt er ein:
Wer sich gegenüber seiner Jungfrau ungehörig zu verhalten glaubt, wenn sein Verlangen nach ihr zu stark ist, der soll tun, wozu es ihn drängt, wenn es so sein muss; er sündigt nicht; sie sollen heiraten. (1 Korinther 7,36)
In klaren Worten: Wer durch die Abstinenz zur irdischen Liebe selbst so von der Vorbereitung auf die bevorstehende Wiederkunft Christi abgelenkt wird, der soll besser heiraten. Diese bevorstehende Wiederkunft Christi ist der Bezugspunkt des paulinischen Gedankenganges, den er, der diese von den Theologen als „Parusie“ bezeichnete Wiederkunft als unmittelbar bevorstehend erwartet, folgerichtig beschließt:
Wer seine Jungfrau heiratet, handelt also richtig; doch wer sie nicht heiratet, handelt besser. (1 Korinther 7,38)
Die Ehelosigkeit ist nicht in sich besser, sondern in Bezug auf die unmittelbar bevorstehende Wiederkunft Christi. Kurz: Es lohnt sich nicht mehr zu heiraten, es sei denn, die Sehnsucht nach dem Partner lenkt von Christus ab.
Die Ehelosigkeit kann deshalb zumindest nicht mit Bezug auf Paulus als eigenes Charisma ausgewiesen werden, wie Kardinal Kasper es in seinem Vortrag tut – schon gar nicht in einer Zeit, in der Christen fast 2000 Jahre auf die Wiederkunft Christi warten. Daher verbieten sich auch alle Hinweise auf die vermeintliche „größere Liebe“, die sich im freigewählten Unverheiratetsein zum Ausdruck bringt (als wenn man Liebe messen könnte …).
Gerade der Umstand, dass die Parusie, also die Wiederkunft Christi auf sich warten ließ, hat die Institutionalisierung der Kirche befördert. Christus hat zwölf Apostel erwählt und nicht zwölf Priester geweiht. Das Priesteramt mag aus dem Apostelamt erwachsen sein, entsteht aber doch erst zu einer Zeit, als die Kirche versteht, dass sie sich in dieser Weltzeit einrichten muss. So gesehen ist das Priesteramt ein Ausdruck der Verweltlichtung der Kirche, die den Veränderungen der Zeit begegnet.
Statt ein neues Amt zu schaffen, das nichts Halbes und nichts Ganzes ist, das gleichzeitig aber die Kirche weiter klerikalisiert, sollte eine wirkliche, echte Zusammenarbeit aller Glieder des einen Leibes Christi in den Blick kommen. Denn es gilt eben nicht mehr Mann und Frau, wie Paulus im Galaterbrief feststellt (Galater 3,28) – und vielleicht sollte man ergänzen: Es gilt nicht mehr Kleriker und Laie, denn ihr seid einer in Christus! Vielleicht ist das die Aufgabe unserer Zeit.
Die Kirche hat es schon einmal geschafft: Ist die Zeit nicht wieder reif für Veränderung, für eine echte Veränderung, die die Zeichen der Zeit wirklich ernst nimmt und ein echtes Zusammenwirken von Frauen und Männern in der Kirche fördert?
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Woche,
Ihr
Dr. Werner Kleine, PR
Katholische Citykirche Wuppertal
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
Das Priesteramt als Ausdruck der Verweltlichung: was für ein origineller Gedanke. Gefällt mir. Danke für diese Hypothese
Für mich als Mann ist klar: Diakon zu werden ist keine Alternative für mich, würde ich damit doch das männliche Zweiklassensystem bestätigen. Als Frau würde ich es vielleicht anders sehen, weil ein weibliches Diakonenamt die Männerdominanz aufbrechen könnte. Unter den Frauen, die sich für ein Amt als Diakonin einsetzen gibt es eine interessante Diskussion: wollen wir das gleiche wie die Männer, oder wollen wir etwas eigenes? Letztere finden den Vorschlag von Kardinal Kasper gar nicht so unsympathisch.
Leider ist das, was Kardinal Kasper vorschlägt eben kein Amt im eigentlichen Sinn. Was soll das denn sein – eine Gemeindediakonin? Das hat eher etwas von Etikettenschwindel – es steht „Diakonin“ drauf, ist aber eben keine Weihediakonat. Das was er vorschlägt, haben wir doch in den Berufen der Gemeinde- und Pastoralreferentinnen und -referenten längst gegeben – ohne Jungfrauenweihe. Die Frage ist für mich, ob die Klerikalisierung wirklich erstrebenswert ist – oder ob die Kirche nicht genau den anderen Weg gehen muss. Eine Entklerikalisierung würde auch die Frage der Zusammenarbeit von Frauen und Männern in der Kirche aus einer ganz neuen Perspektive beleuchten. Etwas “eigenes” zu wollen, erscheint mir da genau so fragwürdig wie manche Berufungsrhetorik heutiger Zeit. Das “Amt” hat man doch nie für sich, sondern als Auftrag “um zu” verkünden etc. Das wird m.E. sowohl in der Berufungspastoral wie in dem Entwurf von Kardinal Kasper viel zu wenig beachtet. Wenn das deutlicher würde, würde sich das Amt und seine Interpretation grundlegend ändern müssen – und manche Fragestellung erschiene in einem neuen Licht. Solange es immer nur um die persönliche Heiligkeit geht, steht das “Ich” des Amtsträger dem eigentlichen Auftrag entgegen. Diese Klerikalisierung ist aus meiner Sicht das eigentliche Problem.
Gestern Abend war ich bei einem Vortrag einer evangelischen Pfarrerin. Im Verlauf des Abends sprach sie davon, wie schwer sich die evangelische Kirche mit der Einführung der Ordination von Pfarrerinnen getan habe und anfangs die theologische und pastorale Ausbildung mit einer Segnung abschließen wollte. Und bis in die 1970-Jahre hat es die Auflage der Ehelosigkeit für Pfarrerinnen gegeben. Ich dachte an dieser Stelle – auch wenn es nicht das Gleiche ist – dennoch an die Aussagen von Walter Kasper, in seinem Vortrag vom 20. Februar. Womit würde die Ausbildung von Frauen zu Diakoninnen abgeschlossen? Auch mit einer Segnung. Berufe – auch in der Kirche – können selbstverständlich verschiedene Ausprägungen haben, aber hierum geht es m.E. nicht. Es geht um die weitere Zementierung von Klerikalisierung und von Macht. Frauen, die man zu Diakoninnen segnen würde, würden dem Amt angedockt, ohne wirkliche Partizipation, si-cher aber gerne mit Gehorsamseinforderungen. Eine Mogelpackung! In der täglichen Arbeit sehe ich auch nicht, wo die Aufgaben einer Diakonin über die einer Gemeinde- oder Pastoralreferentin oder einer/eines Ehrenamtlichen, die/der in-zwischen auch entsprechende Aufgaben übernommen hat, hinausgehen. Beauftragungen für bestimmte Aufgaben geben Sinn, und qualifiziertes Ehrenamt (die Bezeichnung gefällt mir eigentlich schon seit einiger Zeit nicht mehr) braucht Qualifizierung. Aber das ist ein weiteres Thema. Wo werden in der Rede von Walter Kasper „die positiven, befreienden, heilenden und versöhnenden Impulse der christlichen Botschaft präsent und fruchtbar“ gemacht? Ich bin immer wieder „erstaunt“, zu welchen Ergebnissen und Aussagen die Dogmatik kommt, dass „hausgemachte“ Antworten dann von Christus her nicht mehr zu ändern seien. Wo ist die Auseinandersetzung mit geistigen Strömungen und den Wissenschaften geblieben? In den ersten Jahrhunderten hat die Kirche um Aussagen gerun-gen und sich auseinandergesetzt. Zur weiter anschwellenden Klerikalisierung: Wenn in Pfarrgemeinden die Gottesdienstordnungen geändert werden, damit junge Kapläne wie gelernt und gewünscht täglich zelebrieren können, aber zu diesen Messen de facto so gut wie keiner kommt, dann fragt man sich zu wessen Heiligung hier was läuft. Der Weg zu einem partnerschaftlichen – sprich auf Augenhöhe – Miteinander von Klerus und sogenannten Laien ist wirklich noch ein Weg. Leider erlebe ich zu viele, die die weiter fortschreitende Klerikalisierung nur noch annervt, die verletzt sind und sich zurückziehen. Keine gute Entwicklung!