Das Recht, nicht nur eine eigene Meinung zu haben, sondern diese auch äußern zu dürfen, gehört zu den grundlegenden Rechten, die das Leben in unserem Land lebenswert machen. Es ist gut, dieses Recht zu haben, denn dessen Einschränkung führt zur Unfreiheit.
Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung darf niemandem abgesprochen werden. Es ist ein Freiheitsrecht. Man muss daher damit leben, dass andere andere, bisweilen auch skurrile und absurde Meinungen haben können und diese auch äußern. Das ist gut und richtig so, solange die Würde von Menschen nicht verletzt wird.
In der letzten Woche kam es zu einer Aufsehen erregenden Meinungsäußerung: Der Vorsitzende der Linken in NRW, Rüdiger Sagel, vertrat die Ansicht, man solle in den Kindertagesstätten des Landes den Martinsbrauch mit Rücksicht auf nichtchristliche Kinder unterlassen und stattdessen ein Sonne-Mond-und-Sterne-Fest feiern. Das hört sich auf den ersten Blick sehr tolerant an. Auf den zweiten Blick aber fragt man sich unwillkürlich, was denn ein Sonne-Mond-und-Sterne-Fest sein soll. Dies scheint auch Rüdiger Sagel bemerkt zu haben, denn er stellt fest, dass er durchaus viel von der Geste der Mantelteilung hält, da dies eine überkonfessionelle Botschaft sei. Offen bleibt aber, wer denn den Mantel teilen soll, wenn nicht der Heilige Martin.
Zweifelsohne sind reine Laternenumzüge schön. Sonne, Mond und Sterne können aber keinen Mantel teilen. Wer das überkonfessionelle Beispiel des Heiligen Martin haben möchte, kommt in unserer Kultur am Martinsspiel der christlichen Tradition nicht vorbei. Das Beispiel dieses Mannes ist sicher nicht einzigartig. Es ist aber mit seinem Gedenktag am 11.11. verbunden.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist ein hohes Gut. Das Recht auf die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses aber ebenso. Nicht nur katholische Christen machen von diesem Recht anlässlich des Martinstages Gebrauch, wenn sie an dessen Mantelteilung als Beispiel menschlicher Barmherzigkeit nicht nur erinnern, sondern sie auch darstellen. Dass auch viele Nichtchristen dem traditionellen Martinsspiel folgen, spricht für sich: Meinungs- und Bekenntnisfreiheit gewinnen darin erst ihren Sinn: Im Hören und Wahrnehmen des anderen – auch wenn man bei allem Respekt bei seiner Meinung und bei seinem Bekenntnis bleiben möchte. Irgendwie muss man Rüdiger Sagel danken, dass er uns mit seiner Äußerung wieder an diese Rechte erinnert hat – auch an das Recht, St. Martin zu feiern.
Dr. Werner Kleine
veröffentlicht in der Wuppertaler Rundschau vom 9. November 2013.
Die Rubrik “Auf ein Wort” erscheint in unregelmäßigen Abständen in der Samstagsausgabe der Wuppertaler Rundschau. Autoren sind evangelische und katholische Theologen in Wuppertal, die sich zu aktuellen gesellschaftlichen oder kommunalen Themen äußern. Wir veröffentlichen auf kath 2:30 die Beiträge der katholischen Autoren. Die evangelischen Beiträge finden Sie hier.
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
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