Familiendrama mit Lametta unterm Weihnachtsbaum
Haben Sie schon alles für Weihnachten vorbereitet? Steht das Essen fest? Sind die Geschenke eingekauft, bestellt und verpackt? Wissen Sie, welche Lieder gesungen und welche Festtagskleidung Sie tragen werden? Schon geplant, wann Sie die Christ-Mette besuchen und worüber Sie sich nach dem Essen mit der Verwandtschaft streiten können? Haben Sie schon Ihre Waffen gewählt?
Es gibt keine schönere Zeit im Jahr als die Weihnachtszeit. Deshalb haben gescheite Geschäftsleute sie ein wenig ausgedehnt und läuten sie nun schon mit den letzten warmen Sommertagen im August ein. Die ersten kühleren Winde im September bringen ihn dann – den Vorweihnachtsstress. Angeführt wird er von rot bemäntelten Männern aus dunkler Schokolade, manche auch aus Vollmilch.
Der erste Akt des Weihnachtsdramas vollzieht sich noch bedächtig. Gar tückisch, weil fast unbemerkt, steigert er sich bis zum Dezember. Mit dem Aufbau von Punschständen und dem Einsatz von Mandelröstpfannen beginnt der zweite Akt. „Besinnlich“ – das ist schon lange vorbei. Alle scharren mit den Hufen, blasen in heißen Grog und schnauben ins Taschentuch. Dampf steigt auf; von den Maronenständen und dem heißen Atem der Menschen. Leere Augen scannen die prall gefüllten Warenlager auf Geschenketauglichkeit. Bald ist High Noon. Familien rücken sich auf die Pelle. Man zwingt sich zur Besinnlichkeit. Erwartungen prallen auf Realitäten. Bald schon kommt es zum fulminanten Showdown unterm Weihnachtsbaum.
Weihnachtsstress
Der 24. Dezember. Drei Monate Vorweihnachtsstress sind vorbei, der Weihnachtsstress beginnt. Die wichtigste Frage: Was wird am Abend zwischen Bescherung und Zerwürfnis gegessen? Wer bis jetzt keine Geschenke hat, dem bleibt nur noch das Hoffen auf ein Weihnachtswunder. Wer bis jetzt keine Gans gekauft hat, dem wird nicht einmal ein solches Wunder noch helfen können.
Und es begab sich zu einer Zeit, dass von der Eieruhr ein Zeichen ausging, dass die Gans aus dem Ofen gezogen werden solle. Diese Gans war nicht die allererste. Sie war eine von vielen Gänsen in einer langen Tradition des Weihnachtsfestes. Das Essen ist der letzte Moment, in dem alle noch auf einen guten Ausgang der Feier hoffen können. Wer den Mund voll hat, der kann kein Streitgespräch beginnen. Doch unter dem Tisch werden die Waffen schon gewetzt. Je später der Abend, desto mehr Angriffslust steckt zwischen den Winkeln des Stunden- und Minutenzeigers. Es schlägt die Stunde der ungeklärten Konflikte.
Lied von Vorwürfen
Die Schwiegermutter deutet an, dass die Bratensoße doch hätte passiert werden sollen. Die Schwiegertochter nimmt dies als weiteren Affront gegenüber ihren Fähigkeiten als Hausfrau. „Meinen Kindern schmeckt immer, was ich koche!“, setzt sie zur Verteidigung an. Doch Kinder sind leider grausam ehrlich. „Bei Oma schmeckt es immer am besten“, sagt die kleine Enkelin treuherzig und hofft auf ein kleines Bonusgeschenk unter dem Baum. „Sag’ Du doch auch mal was!“, fordert die Schwiegertochter resolut ihren Ehemann auf. Doch der kämpft bereits auf einem anderen Schlachtfeld. Er ist unzufrieden mit der Krawatte, die ihm seine Schwester geschenkt hat. „Sie und ihr Geiz“, denkt er sich. Er befindet, dass sein Geschenk der Krawatte weit überlegen ist. Überhaupt sei ein solch hoch moderner Schnellkochtopf ein weitaus praktischeres Geschenk. Seine Schwester ist da ganz anderer Meinung, sie sieht in dem Küchenutensil lediglich eine weitere Stichelei ihres Bruders. Die Botschaft: Frauen gehören an den Herd! Die Deeskalationsstrategie an diesem heiligen Abend ist das gemeinsame Singen am Klavier. Doch die Kinder streiten sich, wer neben der Mutter auf dem Klavierhocker sitzen darf. Der Opa singt wie jedes Jahr falsch. Er lässt die Disharmonie des Abends noch bei Jingle Bells hörbar werden. Das wiederum erzürnt vor allem seine Frau, die ihm bei jeder falschen Note in die Seite pikst. Als die Mutter dann plötzlich davon überzeugt ist, dass ihr Mann seiner Schwägerin eindeutig zu tief in den Ausschnitt schaut, endet das Liedersingen in einem Crescendo der Eifersucht.
Heiligabend ist die beste Zeit für einen zünftigen Familienstreit. Alle Protagonisten kommen an einem Ort zusammen. Ihre Nervenkostüme sind schnell so angenagt wie Lebkuchenhäuser zu später Stunde. Und die können ganz plötzlich zusammenstürzen. Zuckerguss ist kein guter Kitt. Seit Jahren werden brisante Themen unter den Familienteppich gekehrt. Der weihnachtliche Hausputz wirbelt sie auf. Besser Sie halten Ihre Waffen zur Verteidigung bereit und sind jederzeit in der Lage, einen strategischen Gegenangriff zu starten. Nutzen Sie die Zeit bis zum Fest, der Heilige Abend kann lang werden!
Janina Kusterka
Der ganze Weihnachtsstress wird doch nur aufgebaut, weil alle glauben, dass Weihnachten zum „Fest der Liebe“ gemacht werden muss (und sei es mit Gewalt), so wie es uns in der Kirche seit Jahrhunderten vorgebetet wird.
Wenn man das ganze Getue um die Geburt Christi ein paar Stockwerke niedriger hängen würde, könnte man viel Druck aus dem Familienkessel nehmen. Aber nein, alle Jahre wieder wird in der Adventszeit zum „Fest der Liebe“ geblasen wie zur Treibjagd auf den Familienfrieden. Wenn die Herren Kleriker selbst Familie hätten, wäre das viel einfacher, weil sie die Auswirkungen des „Festes der Liebe“ am eigenen Leib, in der eigenen Familie, mitbekommen würden. In etwas nüchternen protestantischen Familien lässt sichs übrigens auch wunderbar Weihnachten feiern, mit durchaus weniger Druck. Und mehr (Weihnachts)Frieden.
Ich bezweifele, dass das eine konfessionell gebundene Erscheinung ist. Wenn man sich die Ratschläge von Psychologen anhört, die nun allenthalben in Radiosendungen, Zeitungen usw. verbreitet werden, ist das durchaus ein grundsätzliches Phänomen.
Ich bezweifele, dass das eine konfessionell gebundene Erscheinung ist …
Mag sein, aber im ach so christlichen Abendland verlangen sogar ja schon die Kinder muslimischer Immigranten einen Weihnachtsbaum und was so dazu gehört. So kann die christliche Tradition ja auch weniger gläubige Menschen und sogar Ungläubige wie eben die erwähnte Volksgruppe unter Druck setzen.
Nicht dass ich glaube Richard Dawkins würde sich vom Weihnachtstrubel oder gar dem Glauben ans Christkind zu einem Familiendrama hinreissen lassen, aber ich glaube mich erinnern zu können, dass geschrieben wurde, dass sogar in seiner Familie ein Christbaum oder besser Lichterbaum, aufgestellt wird. Obwohl die wahre römisch-katholische Tradition ja nur der Adventkranz ist. Um es mal ganz deutlich zu sagen. Das Christkind und der dazugehörige Baum sind ja Erfindungen der protestantischen Ketzer. Und dann kann der ganze, zum Familiendrama führende Druck, ja auch nur Häresie …
Ich würde mich freuen, wenn der Ton sachlicher wäre. So einfach, wie Sie es sehen, ist es nämlich nicht. Der Tannenbaum geht auf eine sehr alte Tradition zurück, die ihren Ursprung in der im apokryphen Pseudoevangelium des Matthäus aus dem 6. Jahrhundert hat. Bildliche Darstellungen von Weihanchtsbäumen gibt es schon aus vorreformatorischer Zeit – etwa auf einem Bild von Lucas Cranach dem Älteren aus dem Jahr 1509.
Mit dem Adventskranz hingegen verhält es sich genau umgekehrt. Den erten Adventskranz führte 1839 der evangelisch-lutherische Erzieher und Theologe Johann Hinrich Wichern ein. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts findet er sich auch in katholischen Häusern.
Es wäre gut, wenn Behauptungen nicht einfach hinausposaunt, sondern auch belegt würden, bevor der, der andere der Häresie verdächtigt, selbst als Irrender dasteht.
Wir sind alle Irrende.
Nur der Papst ist unfehlbar. (wenn er will)
Aber er hat immer Recht.
Was meinen ersten Satz beweist.
Gesegnetes Fest.
(sachlich genug? Für Sie?)
PS: Ihre Belege für dieses heimliche Falschevangelium würden mich schon interessieren. Die haben schon Tannenbäume mit Schmuck behängt? Aba geh!
Na ja, an Ihrer Sachlichkeit werden Sie noch arbeiten müssen, wie Ihr Postscriptum zeigt. So kommen wir hier nicht wirklich weiter. Aber ich möchte Ihnen die Belege nicht schuldig bleiben. Hier die fragliche Stellt aus dem Pseudoevangelium des Matthäus (Falschevangelium ist wieder falsch!):
„Am dritten Tag ihrer Reise geschah es,dass Maria von der allzu großen Sonnenglut in der Wüste müde wurde, und als sie einen Palmbaum sah, sprach sie zu Josef:“Ich möchte in seinem Schatten ein wenig ausruhen.“ Josef aber führte sie eilends zu der Palme und ließ sie von dem Lasttier absteigen. Als Maria sich niedergelassen hatte, schaute sie zur Krone der Palme hinauf und sah sie voller Früchte.
Sie sagte zu Josef: „Wenn es möglich ist, möchte ich gern von den Früchten der Palme haben.“
Josef sprach zu ihr: „Es wundert mich, daß du dies sagst, weil du sehen kannst, wie hoch die Palme ist, und dass du trotzdem darüber nachdenkst, von den Palmfrüchten zu essen. Ich denke eher über unseren Wassermangel nach, da uns das Wasser in den Schläuchen zur Neige geht und wir nichts haben, womit wir uns und die Lasttiere erfrischen könnten.“
Da sagte das Jesuskind, das mit fröhlicher Miene auf dem Schoß seiner Mutter saß, zu der Palme: „Neige dich, Baum, und erfrische meine Mutter mit deinen Früchten!“
Und sogleich auf diesen Ruf neigte die Palme ihre Krone bis zu den Füßen Marias, und man sammelte von ihr Früchte, an denen sich alle gütlich taten. Als man alle Früchte von der Palme geerntet hatte, blieb sie in geneigter Stellung in der Erwartung, sich auf Befehl dessen wieder aufzurichten, auf dessen Geheiß sie sich geneigt hatte.
Da sprach Jesus zu ihr: „Richte dich auf, Palme, und komm wieder zu Kräften! Sei Genossin meiner Bäume, die im Paradies meines Vaters stehen! Öffne aber unter deinen Wurzeln eine Wasserader die in der Erde verborgen ist, und aus ihr sollen Wasser fließen, um unseren Durst zu stillen!“
Sogleich richtete die Palme sich auf, und an ihren Wurzeln begannen ganz klare, frische und ganz süße Wasserquellen zu sprudeln. Als sie aber die Wasserquellen sahen, freuten sie sich ungemein. Sie löschten den Durst zusammen mit allen Lasttieren und Menschen und sagten Gott Dank.“PsMat 20
Die ganze Szene findet sich übrigens auch in einem englischen Weihnachtslied wieder, dem Cherry Tree Carol.
Jetzt werden Sie wieder einwänden, dass da ja nicht von geschmückten Bäumen die Rede ist. Das stimmt, denn der geschmückte Baum greift auf den Römerbrief zurück, näherhin Römer 5,12-21. Dort ist vom alten Adam die Rede, durch den die Sünde in die Welt kam, und von Christus als dem neuen Adam, durch den die Gande kam. Sinnbild für die Sünde ist traditionell der Apfel, der für die Frucht des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse steht. Der geschmückte Weihnachtsbaum nimmt diese Symbolik auf, allerdings trägt er jetzt die (symbolischen!) Früchte der Gnade.
Sie sehen: Man muss die Zeichen zu lesen wissen. Es sind Symbole, die sich entwickelt haben, um das Weihnachtsevangelium begreifbar zu machen. Wer, wie Sie es leider tun, als Streiter für das vermeintlich Wahre blind um sich schlägt, zerstört das, was er schützen will: die Tradition. Schade, denn ein Gott der Mensch wird ist menschenfreundlich und nicht miesepetrig.
PS: Über die Unfehlbarkeit des Papstes will ich jetzt gar nicht reden. Auch hier haben Sie eine sehr oberflächliche Sicht. Wir können das gerne nachholen, wenn Sie bereit für eine echte Diskussion mit echten Argumenten sind.