Dies Domini – Fest Taufe des Herrn, Lesejahr A
Das Gloria der Engel verhallte schnell, der graue Alltag holte auch den Sohn Gottes ein. Jesus wächst in Nazareth auf, einem Dorf im galiläischen Hinterland, von dem noch nicht einmal Hase und Fuchs wussten, dass sie sich dort eine gute Nacht wünschen können. Matthäus beendet seine Kindheitsgeschichte mit dem lapidaren Hinweis, dass sich Josef nicht umsonst mit Maria und dem Kind in diese Siedlung in den Hügeln Galiläas zurückzieht. Dort waren sie sicher vor den Nachstellungen der Mächtigen. Und so verbringt der Sohn Gottes in der Ödnis und Abgeschiedenheit fern von den kulturellen Errungenschaften seiner Zeit. Wie er sein Leben dort verbracht hat, verschwindet im Dunkel der Geschichte. Die Evangelien berichten von dieser Zeit nichts. Er wird wahrscheinlich seinem Vater Josef gefolgt sein und das Handwerk eines Tischlers ausgeübt haben. Vielleicht hat er auch als Bauhandwerker beim Aufbau der Stadt Sepphoris in der Nähe Nazareths mitgeholfen, wie einige Forscher meinen. Das alles muss aber Spekulation bleiben. Das Leben Jesu in dieser Zeit war jedenfalls alles andere als spektakulär.
Und doch muss in dieser Zeit eine Erkenntnis in ihm gereift sein. Fest steht, dass er sich aufgemacht haben muss, um sich von Johannes dem Täufer im Jordan taufen zu lassen. Alle vier Evangelien stimmen darin überein, dass diese Taufe Jesu im Jordan der Beginn seines öffentlichen Wirkens ist. Es ist die Himmelsstimme, die das wahre Wesen Jesu offenbart, das bisher im nazarenischen Alltag verborgen bliebt:
Dieser ist der von mir geliebte Sohn, in ihm habe ich Gefallen gefunden. (Matthäus 3,17)
Die Einheitsübersetzung, in deren Fassung der Text am Fest Taufe des Herrn im Lesejahr A verkündet wird, übersetzt etwas schwächer „Das ist mein geliebter Sohn.“ Der griechische Urtext lässt da weniger Zweifel. Demonstrativ wird darauf hingewiesen, dass es dieser Jesus von Nazareth ist, der als Sohn Gottes geoffenbart wird.
Freilich bleibt die Frage noch offen, worin das „Sohn-Gottes-Sein“ besteht. Schließlich sind alle Menschen Kinder Gottes, also seine Söhne und Töchter. So ruft Paulus im zweiten Korintherbrief auf das zweite Samuelbuch anspielend aus:
„Ich werde euer Vater sein und ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern“, spricht der allmächtige Herr (2 Korinther 6,18)
Die Vorlage des Paulus aus dem zweiten Samuelbuch lautete noch:
Ich will für ihn Vater sein, und er wird für mich Sohn sein. (2 Samuel 7,14)
Es handelt sich dabei um eine messianische Verheißung an David, die die Christenheit in Jesus erfüllt sieht: Er ist der göttliche Gesandte, der dem David verheißen wurde. Interessanterweise erweitert Paulus diese ausdrücklich einmalige Verheißung auf diejenigen, die in der Nachfolge Jesu stehen. Wer erkennt, dass er den Heiligen Geist in sich trägt, wird dadurch zum Tempel Gottes. Der Heilige Geist ist der Heilige Hauch Gottes, sein Atem, durch den er Adam belebte. Es ist der Geist, der alles lebendig macht. Alles, was atmet, kommt durch diesem Atem Gottes überhaupt erst in das Dasein. Es ist der Heilige Atem Gottes, der das Leben einhaucht. Darum heißt es am Schluss des letzten Psalms:
Alles, was atmet, lob den Herrn! Halleluja! (Psalm 150,6)
Schon die frühen Christen, die die Wirksamkeit dieses göttlichen Antreibers am eigenen Leib erfahren haben, waren sich offenkundig unsicher, wer den göttlichen Geist besitzt. Paulus etwa scheint davon auszugehen, dass der Geist Gottes erst in der Taufe wirksam wird und dadurch den Leib Christi begründet:
Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt. (1 Korinther 12,13)
Lukas weiß in der Apostelgeschichte aber davon zu berichten, dass der Heilige Geist auch unabhängig von der Taufe weht; so sieht sich Petrus genötigt, den heidnischen Hauptmann Kornelius zu taufen, weil er schon im Besitz des Geistes ist:
„Kann jemand denen das Wasser zur Taufe verweigern, die ebenso wie wir den Heiligen Geist empfangen haben?“ (Apostelgeschichte 10,47)
Offenkundig hält der Heilige Geist sich nicht an liturgierechtliche Vorschriften. Er weht, wo er will. Er belebt Gläubige und Ungläubige. Die, die aber erkennen, dass sie Trägerinnen und Träger des Heiligen Geistes sind, erkennen sich als Söhne und Töchter Gottes. Gerade weil sie erkennen, dass es ein und derselbe Geist Gottes ist, erkennen sie sich als den einen Leib Christi. Es ist derselbe Geist, der auf Jesus herabkommt, als er aus dem Wasser des Jordan steigt.
Der Heilige Geist verbindet die, die ihn erkannt haben, nicht nur, er sendet auch. So, wie man nicht nur einatmen kann, sondern auch ausatmen muss, müssen die, die erkannt haben, dass Gott in ihnen atmet, diese Erkenntnis weitergeben. So heißt es in der Apostelgeschichte:
Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. (Apostelgeschichte 2,4)
Leben atmet, atmet den Atem Gottes, der lebendig macht. Leben atmet ein und haucht aus diesen Atem Gottes, damit sich das Leben weitergibt. Um die Welt zu beleben, braucht sie diese Atemspende. Wer sie verweigert, droht selbst zu ersticken. Wer nur einatmet, der wird ebenso in Atemnot geraten wie der, dem man die Luft abschnürt.
Den Geist Gottes zu atmen ist also kein Privileg. Er atmet ja jetzt schon in allem Lebendigen. Er ist der Geist, der das Leben erst schafft. Deshalb heißt es in der zweiten Lesung vom Fest der Taufe des Herrn im Lesejahr A:
Wahrhaftig jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist. (Apostelgeschichte 10,34f)
Gott macht keine Unterschiede. Er ist ja schon in allem Lebenden gegenwärtig. Auch wenn nicht jeder Mensch diese Gabe erkennt: Die, die sie erkennen, bilden den einen Leib Christi. Deshalb mahnt der Autor des Epheserbriefes:
Ein Leib und ein Geist, wie auch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist. (Epheser 4,4-6)
Was soll man angesichts dieser Erkenntnis von einer Begebenheit halten, die ein Pfarrer aus einer Großstadt im Rheinland berichtet: Beim Pfarrempfang kommt es zu einer Begegnung des Pfarrgemeinderatsvorsitzendem mit einem Mitglied einer sogenannten geistlichen Gemeinschaft, die in der Nähe ein Seminar zur Ausbildung von Priestern betreibt. Es kommt zu einem Gespräch, in deren Verlauf der Pfarrgemeinderatsvorsitzende anmerkt: „Katholisch genügt.“ Das Gegenüber antwortet: „Das dachte ich auch, bis ich ‚den Weg‘ kennen lernte.“
„Der Weg“ – so bezeichnet sich diese geistliche Gemeinschaft selbst. Sie überhöht sich damit selbst, denn sie suggeriert, als sei ihr Weg exklusiv. „Weg“ ist im Neuen Testament allerdings eine allgemeine Bezeichnung für die Nachfolge Jesu. Die Apostelgeschichte etwa spricht von den „Anhängern des (neuen) Weges“ (vgl. Apostelgeschichte 9,2). Und so ist sicher auch der Weg dieser geistlichen Gemeinschaft ein möglicher Weg, das aber eben nicht exklusiv.
Dem Wirken Gottes muss man nichts hinzufügen. Seine Wege sind jedenfalls vielfältig – und manchmal auch unerforschlich. Er atmet in Frauen und Männern, in Armen und Reichen, in Kleinen und Großen – ohne Unterschied. Wer hier glaubt, katholischer zu sein, weil er einen Weg gefunden hat, ist vielleicht vom Weg Gottes schneller abgekommen, als ihm lieb sein dürfte. Es braucht keine besonderen Übungen und Formen den zu finden, dessen Alltag sich in der galiläischen Öde Nazareths abspielte. Es genügt völlig, katholisch zu sein! Nein: Es genügt sogar, getauft zu sein. Denn wer zu seiner Taufe steht, weiß, dass der Heilige Geist in ihm ist. Und den gibt es nicht mehr oder weniger, sondern ganz oder gar nicht!
Dr. Werner Kleine
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