Nächstenliebe oder Ausbeutung? – Einige Gedanken zum Angebot des firmenfinanzierten Social Freezings
Dies Domini – 30. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A
Das Evangelium dieses Sonntags führt uns das Gebot der Gottes-, Selbst- und Nächstenliebe wieder einmal explizit vor Augen. Diese Gebote sind diejenigen, die Jesus benennt, als er nach dem höchsten aller Gebote, derer es schon zu seiner Zeit viele gab, gefragt wird.
„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. (…) Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Matthäus 22,37-39)
Eigentlich etwas, das jedem von uns bekannt ist, das alle mehr oder weniger anstreben, und doch wird der eine oder der andere Aspekt häufig „vergessen“. Da gibt es die Menschen, die eine enge Gottesbeziehung pflegen und sich für andere aufopfern, sich selbst darüber aber vergessen. Da gibt es Menschen, die zwar ein offenes Ohr und wache Augen für ihre Mitmenschen haben, auch sich selbst nicht aus dem Blick verlieren, diese Lebensweise aber quasi im luftleeren Raum vollziehen und sich nicht an Gott „festmachen“. Da gibt es Menschen, die sehr gut für sich selbst sorgen, aber für sonst nichts.
Und es gibt Menschen, die die Idee des „social freezing“ – durch den Arbeitgeber finanziert – vorantreiben.
Da wird die wirtschaftliche Produktivität eines Unternehmens über jegliche Form der natürlichen Entwicklung eines menschlichen, in diesem Falle weiblichen Lebens gestellt. Solange die Frau produktiv für das Unternehmen sein kann, also in der Hochphase (auch ihrer biologischen Leistungsfähigkeit), oder wie es in einem aktuellen Artikel der ZEIT heißt: in den High-Potential-Jahren zwischen Mitte 20 und Ende 40, soll sie ihrem Arbeitgeber uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Beim „social freezing“ werden – vom Arbeitgeber gefördert – Eizellen eingefroren und für „später“ aufbewahrt, damit die Frauen zu einem Zeitpunkt, an dem sie im Unternehmen besser ersetzt werden können, mit der Familiengründung beginnen können.
Dass damit eine Vielzahl von Aspekten nicht hinreichend bedacht wird, liegt auf der Hand. Zuerst einmal ist es ja so, dass der natürliche Prozess, dass sich aus der Liebe zweier Menschen neues Leben entwickelt, zu einem bloßen Zusammenfügen weiblichen und männlichen Genmaterials im Labor wird. Ob dies wohl der göttlichen Schöpfungsordnung entspricht, bleibt jedem selbst überlassen zu beurteilen. Des Weiteren sinkt die Chance einer intakten Schwangerschaft mit zunehmendem Alter deutlich, sodass viele Frauen bzw. Paare dann ungewollt endgültig kinderlos bleiben. Auch der Aspekt, dass, selbst wenn eine Schwangerschaft entsteht, diese für die Mutter aufgrund ihres Alters deutlich erschwert verlaufen kann und auch das Leben mit einem Neugeborenen eigentlich für die Vitalität eines jungen Menschen ausgelegt ist, darf nicht außer Acht gelassen werden. Wer mit Anfang 50 Kinder bekommt ist nahezu 70, wenn die Kinder die Schule verlassen, und wird die eigenen Enkelkinder relativ sicher nicht mehr erleben (denn die eigene Tochter/der eigene Sohn würde dann ja ggf. auch erst mit 50 eine Familie gründen, wenn man selbst bereits 100 ist oder wäre).
Mit Liebe deinen Nächsten wie dich selbst hat das alles wohl nichts mehr zu tun. Hier steht nicht mehr der Mensch im Mittelpunkt, sondern rein die Wirtschaftlichkeit. Auch hier wird wieder etwas suggeriert, was irreal ist: damit werde die Gleichberechtigung von Mann und Frau erreicht, weil ja beide die Möglichkeit auf Karriere haben, da keine Kinder „stören“. Ob die Entscheidung für Kinder, wenn man dann einmal eine Führungsposition erreicht hat, leichter wird, sei einmal dahin gestellt.
Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid im Auftrag der ZEIT kommt zu dem Ergebnis, dass 37% der Befragten ein Angebot wie es die Unternehmen Facebook und Apple ihren Mitarbeiterinnen machen, für grundsätzlich richtig erachten, bei den 14-29 Jährigen sogar 53%.
Es stellt sich die Frage, welches Menschen- und Weltbild hinter solchen Ideen steht. Hier scheint mir einer der großen Fehler unserer Zeit durchzuscheinen: Wir versuchen den Menschen den wirtschaftlichen Erfordernissen, denen alles andere untergeordnet wird, anzupassen und nicht umgekehrt.
Ich wünsche uns, dass wir den Blick schärfen auf den Kern des Menschseins, dass wir uns, – frei interpretiert – wie es in der Genesis heißt, die Welt untertan machen (vgl. Gen 1,28), und uns nicht von den Strömungen der Zeit mitreißen lassen. Alles hat seine Zeit (vgl. Koh 3,1). Und die Zeit eine Familie zu gründen, ist nun mal dann, wenn es biologisch so vorgesehen ist. Im Interesse aller Beteiligten.
Auf dass niemand den Drohungen der alttestamentlichen Lesung dieses Sonntags zum Opfer falle:
„Einen Fremden sollst du nicht ausnützen oder ausbeuten (…) Wenn du sie ausnützt und sie zu mir schreit, werde ich auf ihren Klageschrei hören. Mein Zorn wird entbrennen (…)“ (Exodus 22,20-23)
Ihnen und uns allen wünsche ich eine gute Woche, in der wir Zeit finden für uns selbst, für unseren Nächsten und für Gott, dem wir immer wieder – auch in unseren Mitmenschen in Beruf und Freizeit, in Arbeits- und Privatleben – begegnen dürfen.
Ihre Katharina Nowak (Dipl. Theol)
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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