Dies Domini – Fünfter Fastensonntag, Lesejahr B
Im heutigen Sonntagsevangelium spricht der Herr den großen Satz:
„Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen.“ (Joh 12,23)
Welcher Anspruch spricht aus diesem Wort. Der so schmählich gescheiterte Christus, verspottet, verlassen und ermordet – von Gott im Stich gelassen, der will alle an sich ziehen? Also nicht der nachösterliche, auferstandene und verherrlichte Gottessohn, sondern gerade das Gegenteil, der machtlose Leidensknecht? Hier verdeutlicht Johannes mit einem mythologischen Bild das Untere als den Ort des Herrschers der Welt, des Bösen, der aber schon gerichtet ist, weil Christus alle an sich, an sein Kreuz und weiter in sein Heil und seine Gottesherrschaft zieht. An die Stelle der versklavenden Herrschaft des Bösen ist die befreiende Herrschaft Christi getreten (Joachim Gnilka). Und hier liegt der Kern auch für unser heutiges Verständnis: nicht Macht und Sklaverei, sondern Freiheit und Liebe werden das letzte Wort behalten und gerade in seiner vollkommenen äußeren Machtlosigkeit verkörpert sich die umfassende Herrschaft des Gottesreiches: nicht durch Unterdrückung, durch Gebote und Gewalt, sondern durch Hinwendung und liebevolles „Ansichziehen“.
Diese liebevolle Zuwendung scheint auch so etwas wie der cantus firmus des Pontifikats von Papst Franziskus zu sein, seine Gesten sind zugewandt, den Menschen und gerade denen an den Rändern, wo er seine Kirche ja auch mehr sehen will als in früheren Zeiten. Auch für ihn gilt, dass diese Einladung, dieses liebevolle Ansehen und Umarmen der richtigere Gestus der Kirche zu sein hat, als die Verkündung dogmatisierter Glaubensinhalte, die doch allzuleicht in der Gefahr der Ideologisierung stehen. Auch wir sollten womöglich den Holzhammer schon immer fester Glaubensüberzeugungen eine Zeitlang in die Rumpelkammer räumen und stattdessen einladen, als sinnvoll erweisen, liebevoll begleiten und frohen Mutes vorstellen, was uns trägt und Hoffnung schenkt. Wir haben in Gott selbst das Vorbild, denn wenn er dem, der hören kann auch in der Stimme vom Himmel zuruft:
„Ich habe ihn schon verherrlicht und werde ihn wieder verherrlichen“ (Joh 12,28),
so muss man doch nicht zwingend und gezwungen zu Boden sinken: Die Menge sagte: es hat gedonnert.
Aufmerksam und zugewandt muss sich der Stimme Gottes nähern, wer sie verstehen will und darf es sich doch nicht wie eine Pfauenfeder anstecken, wenn er meint, etwas gehört zu haben. Besser ist es, in liebevollem Gespräch mit dem Nächsten seinen Glaubensweg zu beschreiben als eine Möglichkeit sinnvollen Lebens, nicht als einzigen Weg in die ewige Herrlichkeit. Und wenn auch heutzutage die Aussicht auf ein ewiges Leben nicht die erste Sorge der Menschen zu sein scheint, leben wir doch heute oft so lange, dass oft der Atem für eine längere Perspektive dabei verloren zu gehen droht (Elmar Salmann), so bleiben doch auch unsere Zeitgenossen oft wach und aufmerksam, wenn auf ihre Suche nach einem Segen für sie und ihr Leben und ihre Lieben eine glaubwürdige Antwort gegeben wird. Ihr sollt ein Segen sein, fordert unser Erzbischof. Wann, wenn nicht jetzt, ist Zeit dazu?
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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