Dies Domini – 30. Sonntag im Jahrskreis, Lesejahr B
Die Texte dieses Sonntags stellen uns den Kernpunkt priesterlichen Selbstverständnisses (Hebr 5,1-6) und seelsorglichen Handelns allgemein vor.
Viel von dem Eindruck, der vielleicht oftmals fälschlicherweise entsteht, dass Priester einen höheren Stellenwert besitzen als andere, dass sie ihren Mitmenschen und Mitchristen überlegen seien, wird direkt zu Beginn der Textstelle relativiert:
„Denn jeder Hohepriester wird aus den Menschen ausgewählt und für die Menschen eingesetzt zum Dienst vor Gott“ (Hebr 5,1)
Das heißt, niemand ist allein Priester für sich, sondern bei dem Amt handelt es sich um ein Dienstamt FÜR alle Menschen. Selbstverständlich ist das Aufgabenspektrum ein besonderes, aber die Vollmacht es auszufüllen muss gegeben werden; nicht aus eigenem Können heraus, nicht aus eigener Kraft, sondern weil Gott durch die Weihe diese Kraft verleiht – zum Wohl aller Menschen. So heißt es auch weiter:
„Und keiner nimmt sich eigenmächtig diese Würde, sondern er wird von Gott berufen, so wie Aaron“ (Hebr 5,4)
Dies gilt sogar für den Gottessohn, für Christus selber, denn selbst er
„hat (…) sich nicht selbst diese Würde eines Hohenpriesters verliehen, sondern der, der zu ihm gesprochen hat: Mein Sohn bist du.“ (Hebr 5,5)
Ein Abschnitt im veröffentlichen Text der deutschen Sprachgruppe der gerade beendeten Familiensynode ist ein gutes Beispiel dafür, dass der Ausspruch des Hebräerbriefes:
„da auch er (der Hohepriester) der Schwachheit unterworfen ist; deshalb muss er für sich selbst ebenso wie für das Volk Sündopfer darbringen“ (Hebr 5,3)
verstanden wurde. Dass man – auch als Priester, ja sogar als Bischof – manchmal zu falschen Einschätzungen oder falschem Handeln verleitet wird, ABER immer die Bitte um Entschuldigung möglich ist, wie sie von den Bischöfen formuliert wurde:
„Im falsch verstandenen Bemühen, die kirchliche Lehre hochzuhalten, kam es in der Pastoral immer wieder zu harten und unbarmherzigen Haltungen, die Leid über Menschen gebracht haben, insbesondere über ledige Mütter und außerehelich geborene Kinder, über Menschen in vorehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften, über homosexuelle orientierte Menschen und über Geschiedene und Wiederverheiratete. Als Bischöfe unserer Kirche bitten wir diese Menschen um Verzeihung.“ (http://de.radiovaticana.va/news/2015/10/21/der_text_der_deutschen_sprachgruppe/1180834)
Auch wenn es in dieser Passage explizit um die Priester „nach der Ordnung Melchisedeks“ geht, kann jeder von uns auch für sich einen Schluss daraus ziehen; dass man sich immer wieder erden soll und sich in Erinnerung rufen muss, dass alle Macht, alle Fähigkeit und aller Handlungsspielraum uns geschenkt ist, von dem, der uns seine geliebten Kinder nennt. Egal ob wir gerade als Kardinal an den wichtigen Beratungen der Familiensynode beteiligt waren, ob wir gerade im Verlauf der letzten Woche unsere neue Aufgabe als gewählter (Ober-)Bürgermeister begonnen haben, ob wir gerade einen wichtigen Lebensabschnitt im privaten oder beruflichen Rahmen beginnen oder beenden; egal an welcher Stelle unseres Lebens wir gerade stehen – wir sind verantwortlich für unser Handeln, dürfen uns aber gehalten wissen von Gottes Hand, von der Hand aus der wir mit all unseren Stärken und Schwächen kommen und in die wir zurückkehren werden.
Gerade für Menschen in seelsorglichen und sozialen Berufen, aber auch jeden, der ein „guter Mitmensch“ für seine Familie, seine Freunde und sein gesamtes Lebensumfeld sein will, gibt der heutige Evangelientext eine Hilfestellung zu diesem „verantwortlichen “ Handeln, der konzentriert wird in dem Satz Jesu:
„Was soll ich Dir tun?“ (Mk 10,51)
Genau das ist der Kern. Es geht nicht darum, das zu tun, was ICH für den anderen für das Richtige halte, sondern darum, was der Andere von mir möchte. Das ist besonders für helfende Berufe ein ganz wichtiges Credo: dem anderen nicht meine Meinung aufzwängen, sondern ihn in SEINEM Weg unterstützen. Das ist sicher nicht immer ganz leicht. Ich habe Gespräche mit Menschen, die in der Begleitung Sterbender und Trauernder engagiert sind, vor Augen, die für eben diese Begleitungen lernen müssen (oder es vielleicht als Talent schon „in die Wiege gelegt bekommen haben“) sich selbst sehr zurück zu nehmen. Es ist nicht wichtig ob ich an das ewige Leben glaube und ob ich meine, dass vor dem Tod noch dieses oder jenes geklärt werden muss, sondern ob der Mensch, der sein Lebensende vor Augen hat, dieses Bedürfnis hat.
Dass die Stärke einer jeder Begleitung diese Fähigkeit ist, den anderen in den Fokus stellen zu können und nur da zu helfen, wo ich darum gebeten werde, das wird deutlich, wenn man die Wundererzählung weiterliest, denn nachdem Jesus den Blinden gefragt hat, der ihn gerufen hatte, was er ihm tun kann, wird nur noch berichtet, dass er antwortet:
„Rabbuni, ich möchte wieder sehen können“ (Mk 10,51),
und dass Jesus darauf erwidert, dass er gehen solle, da sein Glaube ihm schon geholfen habe. Von diesem Zeitpunkt an, war der Blinde wieder sehend.
Sich selbst zurück nehmen und geschehen lassen können – und da wo es nötig und gefordert ist, engagiert zu helfen und zu begleiten, das ist die Kernkompetenz, der wir uns vielleicht im beruflichen Kontext, sicher aber im privaten stellen müssen.
Das wünsche ich uns allen für die kommende Woche – ein hohes Maß an Sensibilität, gerade dann, wenn die Menschen für die wir Sorge tragen, ihre Wünsche nicht verbalisieren können.
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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