Dies domini – 27. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Vor einigen Sonntagen wurde im Gottesdienst die Lesung vorgetragen, in der Paulus im Hebräerbrief die eigenartige These vertritt, Kindererziehung erfolge stets und zu Recht als Züchtigung, denn „wo ist ein Sohn, den sein Vater nicht züchtigt?“ Der Prediger lässt den Text unerklärt so stehen und erweckte damit bei vielen Zuhörern ein ungutes Gefühl für die Zeit nach der Hl. Messe, wo man sich doch fragte, ob denn Kindesmisshandlung, wie wir heute wissen, nicht eine schlimme Verfehlung darstellt. Und die gehört zum Gottesbild?
Wenige Tage später machte dann die Erläuterung eines – dem Papst nahestehenden – Kardinals in den Medien Furore, der Homosexualität für ein Phänomen hielt, dass in Gottes Schöpfung gar nicht vorkomme, sondern lediglich durch z.B. traumatische Erlebnisse bedingt, eine Fehlentwicklung darstelle. Ein anderer Kardinal erläuterte später, auch ein Weiheamt für Frauen scheide ebenso aus wie eine Aufhebung des Zölibats, weil doch dies in der göttlichen Schöpfungsordnung so vorgesehen ist. Ebenso sei doch das Wort des Herrn selbst zu befolgen, wonach eine spätere Beziehung nach einer Ehescheidung stets und ausnahmslos schwer sündhaft sei, so dass ein Kommunionempfang insoweit ausscheide. Bei so viel Wissen um die Pläne Gottes erscheint es manchem unbefangenen Beobachter gewagt, wenn ausgerechnet aus unserer Kirche der Ruf nach Aufklärung für andere Religionsgemeinschaften ertönt.
Wie geht man aber hilfreich mit derartigen Zumutungen an den aufgeklärten Geist des 21. Jahrhunderts heran, wenn man nicht an den Widersprüchen und Stolpersteinen verzweifeln will, die es uns heute so schwermachen, mit den Zeitgenossen ins Gespräch zu kommen, deren Fragen heute in den westlichen, urbanen Überflussgesellschaften andere sind, als in den bäuerlichen Mangelgesellschaften zur Zeit Jesu? Wir müssen uns eben mit den Mitteln unserer Zeit verständigen und nicht in gute, alte Sklavenhalterzeiten zurückfallen, wenn uns im Evangelium geraten wird, uns als unnütze Sklaven zu empfinden:
„Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Sklaven, wir haben nur unsere Schuldigkeit getan“ (Lk 17, 10),
sondern mit den Mitteln der heutigen Exegese verstehen, dass damit ein Aufruf nicht an die ersten Christen, sondern an die ersten Gemeindeleiter mit klerikalem Standesbewusstsein gerichtet war, sich nicht in den Mittelpunkt zu stellen, sondern allein den Herrn und seine Liebe.
Ich glaube, wir sollten auf unserm noch lange nicht zu Ende gehenden Weg von der Verwaltungsbehörde für die Erteilung der Gnadengaben für die Sünder hin zu einer Angebotskirche, die den heutigen Menschen in ihren Sorgen und Ängsten beistehen will und ihnen ein Segen sein will, mit dem Mut und Gottvertrauen des kleinen Propheten Habakuk weitergehen, der sich der mangelnden Hilfe Gottes gegenüber sah und verzweifeln wollte vor Gewalt und der Macht der Dummen und der Bösen und doch auf Gottes Wort vertraute:
„es kommt, es kommt und bleibt nicht aus, (…) Wer nicht rechtschaffen ist, schwindet dahin, der Gerechte aber bleibt wegen seiner Treue am Leben.“ (Hab 2,3f.)
Und der Psalmist darauf antwortet:
„Denn er ist unser Gott, wir sind das Volk seiner Weide.“ (Ps 95,7)
Von Herzen wünsche ich uns allen, dass unser Ruf erhört wird, wenn wir uns den Aposteln anschließen in ihrer Bitte:
„Stärke unseren Glauben.“ (Lk 17,5)
Diese Bitte passt auch sehr gut zu einer Diskussion dieser Tage auf dem Facebook-Profil unseres Weihbischofs Dominikus Schwaderlapp. Er hat dort, wie schon häufiger zuvor, den von ihm kurz zuvor gefirmten Jugendlichen in einem Seelsorgebereich unseres Bistum, zur Firmung gratuliert und ihnen so Segenswünsche übersandt, sowie allen an der Firmvorbereitung und -feier Beteiligten gedankt. Daraufhin entspann sich die Diskussion, wie viele von ihnen, also den Firmlingen, wohl „bleiben“ würden, worauf Weihbischof Schwaderlapp, aus meiner Sicht völlig zu Recht antwortete, dass wir da mal nicht urteilen sollen, sondern dem Heiligen Geist seine Inkubationszeit lassen möge. Genau darum geht es, im Glauben gestärkt von diesem Glauben erzählen und Zeugnis ablegen und darauf vertrauen, dass die ein oder andere Saat in naher oder ferner Zukunft vielleicht aufgeht und Gott jemanden gefunden hat, der auf sein Freundschaftsangebot mit „ja, stärke auch meinen Glauben“ antwortet. Gerade in diesen Tagen, in den wir das Erntedankfest feiern, sollten wir uns dessen bewusst sein. Manche Pflanzen wachsen schnell, andere benötigen mehr Zeit und manche gehen auch gar nicht auf.
Ich wünsche uns – und vor allem Gott, der jeden von uns liebt und sein Beziehungsangebot immer aufrecht hält – eine reiche Ernte.
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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