Dies Domini – 30. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Heute, gleichsam am Vorabend des Reformationsjubiläums, das uns ab morgen ein Jahr lang auf 500 Jahre Reformation in Deutschland hinweisen wird, ist auf ein anderes, auch nicht ganz präzise bekanntes Datum hinzuweisen, nämlich den 550. Geburtstag des großen Humanisten Erasmus von Rotterdam, dessen Ideen für einen Weg der Kirchenreform uns viel Leid und Entzweiung erspart hätten, jedenfalls dann, wenn nicht politisches Machtkalkül sich der Theologie bemächtigt hätte.
Ausgerechnet von Erasmus stammt die Widmung seines letzten Werkes „de puritate tabernaculi sive ecclesiae christianae“, eine Auslegung von Psalm 15, an einen Bopparder Zollbeamten, Christoph Eschenveldt, dessen Grabstein zwar verschollen ist, dessen Inschrift man aber noch kennt: „Er lebte vom Volk geliebt ohne die Schande irgendeiner berechtigten Klage und war ein Liebhaber des Friedens. Diesen hat Erasmus voll Sehnsucht mit Schriften gefeiert und sein trefflicher Rat blühte für so manchen.“ Man könnte diese Begegnung des Erasmus mit dem Bopparder Steuereinnehmer präfiguriert sehen im sonntäglichen Evangelium vom Zollpächter Zachäus, den der Herr, eigentlich würde man gern sagen wollen, einlädt, richtiger aber muss man wohl sagen, bei dem sich der Herr einlädt. Ohne viel Federlesens stöbert er ihn auf seinem Baum auf und will bei ihm einkehren, worauf dieser völlig erschüttert jeden Pfad der Untugend sofort aufgeben will und angetanes Unrecht vierfach wiedergutmachen will. Ebenso begeistert stimmt der Herr zu:
„Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden, weil auch dieser Mann ein Sohn Abrahams ist. Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.“ (Lk 19,9f.)
Diese Geschichte macht wie in einem Brennglas deutlich, wie wirkliche Begegnung mit Jesus geschieht: man erlebt sich als ergriffen, die eigenen Fehler erkennend und bereitwillig sogleich umzukehren. Aber diese Begegnung lebt aus dem Grund der göttlichen Barmherzigkeit, nicht aus einer herablassenden Geste, sondern aus dem Inbegriff der göttlichen Liebe, wie sie die erste Lesung aus dem Buch der Weisheit beschreibt:
„Du schonst alles, weil es Dein Eigentum ist, Herr, Du Freund des Lebens.“ (Weish 11,26)
Sicher entspricht es auch der Intention des Hl. Vaters, wenn wir uns diese Haltung, wie im Zwischengesang aus dem Psalm 145 zu eigen machen: „Der Herr ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Gnade.“ Hier werden – zu Recht – Barmherzigkeit und Langmut in einem Atemzug genannt, wie es auch der Apostel betont:
„Lasst Euch nicht so schnell aus der Fassung bringen und in Schrecken jagen, wenn … behauptet wird, der Tag des Herrn sei schon da.“ (2 Thess 2,2)
Lieber sollten wir in heiterer Gelassenheit die Ernte eines Tages dem Herrn überlassen, wenn er wiederkommt und wir uns bis dahin mit der Weisheit des Erasmus darauf beschränken, jedem Menschen sein Recht zu lassen, mag es aus unserer Sicht auch ein Irrtum sein.
„Es gibt zu viele Sorten von Menschen, als daß man für alle fertige Antworten bereithalten könnte.“ (Erasmus)
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in eine Zeit voller Besinnungstage, Jubiläen und hoffentlich etwas Ruhe vor dem „hektischen“ Advent.
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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