Dies Domini – Vierter Fastensonntag, Lesejahr A
Die Krise ist eine Verheißung. Sie fordert Entscheidungsstärke. Wer sich vor der Entscheidung drückt, mag zwar den Standort sichern. Zukünftige Wege aber bleiben ihm, der den sicheren Ort liebt, verborgen. Das Leben aber kennt keinen Stillstand. Es ist Fortschreiten, Fortschritt auf unbekannten Pfaden. Was zurückliegt, ist bekannt, aber vergangen. Was kommt, ist unbekannt, muss aber beschritten werden. Das Jetzt aber ist der Moment, der nicht verweilen kann. Jedes Jetzt wird sofort zur bekannten Vergangenheit. Unfähig, die Gegenwart fixieren zu können, ist der Mensch verdammt zum Fortschreiten in seinem Leben. Wer in der Krise stehen bleibt, hört auf zu leben. Der sichere Ort – sein Name ist „Tod“.
Wissen kann man nur Vergangenes. Zukünftiges kann man erhoffen, ersehnen, erträumen. Das Zukünftige schmeckt nach Leben. Es ist voller Dynamik. Man kann sich vor dem Zukünftigen auch fürchten und ängstigen. Das Unbekannte ist das Nicht-Gewusste. Und das Nicht-Gewusste erscheint dem Menschen unheimlich. Ohne Heim aber ist der Mensch schutzlos. Schutzlosigkeit aber bedeutet Herausforderung, Gefahr, Anstrengung – Leben eben. Der zukunftsfähige Mensch lebt. Leben bedeutet, Zukunft haben.
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Dies Domini – Dritter Fastensonntag, Lesejahr A
Der kleine Glauben findet seinen Ausdruck im sehnsüchtigen Gebet um Erlösung. Es erscheint fast, als wolle man mit Kerzen, Kniefall, Kollektenopfer sichergehen und sich seinen Platz in der Nähe Gottes reservieren. So ist es menschlich, so kennt man es: Eine Leistung berechtigt zu einer Gegenleistung. Und so ist das, was der Mensch auf Erden wohl für Gott tut, doch eine sicherere Bank als die feste Burg Gottes, von der Psalm 46 singt:
Gott ist uns Zuflucht und Stärke, als mächtig erfahren, als Helfer in allen Nöten. (…) Mit uns ist der Herr der Heerscharen, der Gott Jakobs ist unsre Burg. (Psalm 46,2.8)
In diesem Vertrauen bewältigt der Psalmist sogar die schwierigsten Herausforderungen, die das Leben bereithält:
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Dies Domini – Zweiter Fastensonntag, Lesejahr A
Ecken und Kanten sind es, die Halt geben. Man mag sich an ihnen stoßen, ja bisweilen gar verletzen. Aber man kann sich an ihnen eben auch festhalten. Wo hingegen aalige Glätte herrscht, ist kein Fortkommen in die Höhe möglich. Jeder Verkreisung einer kantigen Ecke mag die unmittelbare Verletzungsgefahr mildern, wie man es für Kinder tut, deren Unachtsamkeit man in Rechnung stellt. Erwachsene hingegen darf man nicht wie Unmündige behandeln, denn die Schleifung jedweder Unebenheit mindert nicht nur den Halt; sie zerstört auch immer das Original. Wenn das Eckige rundgemacht wird, ist es eben nicht mehr eckig. Es hat sein eigentliches Wesen eingebüßt und ist in ein anderes überführt worden. Das, was einst in seiner kantigen Schärfe herausforderte, ist nun gefällig, irgendwie aber eben auch belanglos geworden. Die Verkreisung des Eckigen gleicht einer Demenz des Ursprungs. Das Eigentliche gerät so nicht nur in Vergessenheit; wer Erwachsenen den harten Halt von Ecken und Kanten nicht mehr zumuten möchte, senilisiert und entmündigt sie.
Nun teilen gerade biblische Texte nicht selten das Schicksal radikaler Bescherungen. In der Regel begegnen viele Menschen dem biblisch beurkundeten Wort Gottes gerade in liturgischen Zusammenhängen. In jeder sonntäglichen Eucharistiefeier werden – den Antwortpsalm eingeschlossen – vier biblische Texte verkündet. Nicht immer erschließt sich dem Kundigen die Intention derer, die die Texte für die Leseordnung zusammengestellt haben. Selten gelingt es, Kontext und innere Dramaturgie der Textausschnitte zu erahnen. Nicht selten hingegen bringen Auslassungen und die eigentliche Perikopierung sogar völlig neue Sinnzusammenhänge zustande, die die Texte in ihren ursprünglichen Kontexten gar nicht hatten. Dabei weist schon das Wort „Perikope“ an sich auf die eigentliche Gefahr hin. Es geht auf das griechische περιϰοπή (gesprochen: perikopé), das ursprünglich ein „rings umhauenes Stück“ bezeichnet (von περί/perí – um herum und κόπτειν/kóptein – schneiden).
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Dies Domini – Erster Fastensonntag, Lesejahr A
Mit dem vergangenen Aschermittwoch hat die diesjährige Fastenzeit begonnen und so stellen uns auch vor allem die Lesungstexte des heutigen ersten Fastensonntags die existentiellen Themen Schuld/Sünde/Gnade/Erlösung wieder einmal vor Augen.
Alle diese Begriffe müssen mit Inhalt gefüllt sein, wenn wir sie verwenden, damit sie mehr sind als bloße Floskeln. Zumindest die negativ konnotierten Begriffe von Schuld und Sünde haben für jeden Menschen noch Inhalt, weil sie Element unserer Alltagssprache sind. Wir sprechen von Verkehrssündern, erklären eigenes Verhalten von „früher“ als Jugendsünde und unser Strafrecht gibt es nur wegen schuldhaftem Verhalten. Insofern sind dies Kategorien in denen wir auch im nichtkirchlichen Umfeld denken. Dennoch müssen auch diese Begriffe „religiös“ verstanden werden.
Wie ein Großteil unseres christlichen Sprachspiels, hat auch das Wort Sünde seinen inhaltlichen Ursprung im Judentum, welches die Übertretung eines Gesetzes als Sünde bezeichnet. Im christlichen Verständnis geht es um das durch den Menschen verschuldete Getrenntsein von Gott. Gott hat den Menschen gewollt und geschaffen, so berichtet es das Buch Genesis in der Stelle, die zwischen den heute vorgetragenen Stellen der alttestamentlichen Lesung zu finden ist, als lebendiges Wesen, das seine Schöpfung pflegt und bebaut.
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