Dies Domini – Erster Fastensonntag, Lesejahr A
Mit dem vergangenen Aschermittwoch hat die diesjährige Fastenzeit begonnen und so stellen uns auch vor allem die Lesungstexte des heutigen ersten Fastensonntags die existentiellen Themen Schuld/Sünde/Gnade/Erlösung wieder einmal vor Augen.
Alle diese Begriffe müssen mit Inhalt gefüllt sein, wenn wir sie verwenden, damit sie mehr sind als bloße Floskeln. Zumindest die negativ konnotierten Begriffe von Schuld und Sünde haben für jeden Menschen noch Inhalt, weil sie Element unserer Alltagssprache sind. Wir sprechen von Verkehrssündern, erklären eigenes Verhalten von „früher“ als Jugendsünde und unser Strafrecht gibt es nur wegen schuldhaftem Verhalten. Insofern sind dies Kategorien in denen wir auch im nichtkirchlichen Umfeld denken. Dennoch müssen auch diese Begriffe „religiös“ verstanden werden.
Wie ein Großteil unseres christlichen Sprachspiels, hat auch das Wort Sünde seinen inhaltlichen Ursprung im Judentum, welches die Übertretung eines Gesetzes als Sünde bezeichnet. Im christlichen Verständnis geht es um das durch den Menschen verschuldete Getrenntsein von Gott. Gott hat den Menschen gewollt und geschaffen, so berichtet es das Buch Genesis in der Stelle, die zwischen den heute vorgetragenen Stellen der alttestamentlichen Lesung zu finden ist, als lebendiges Wesen, das seine Schöpfung pflegt und bebaut.
„Gott, der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und behüte.“ (Gen 2,15)
Er setzt nur eine einzige Grenze in diesem Paradies und das ist die Frucht eines Baumes.
„Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen; 3 nur von den Früchten des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht, hat Gott gesagt: Davon dürft ihr nicht essen, und daran dürft ihr nicht rühren, sonst werdet ihr sterben.“ (Gen 3,2f.)
Doch auch diese Grenze halten die Menschen nicht ein und damit trennen sie sich von Gott, der paradiesische Zustand ist vorbei. Zunächst.
Sicherlich ist dieser Text nicht wörtlich zu verstehen, eine Schaffung des Menschen leibhaftig aus Lehm und Gottes Atem, ist im Sinne des damaligen Verstehenshorizontes nachvollziehbar, auf den Grundlagen unseres Wissens über Evolution aber sicher nicht haltbar. Aber darum geht es auch nicht, es geht vielmehr um den Plan Gottes mit seiner Schöpfung und damit auch mit uns. Er hat uns so gewollt, wie wir sind. Weil er uns frei möchte, haben wir die Möglichkeit „Nein“ zu Gottes Liebesangebot zu sagen. Weil er – um bei den Vorstellungen des Buches Genesis zu bleiben – Adam und Eva als freie Menschen gewollt hat, konnten sie sich über die Grenze: „von diesem einen Baum dürft ihr nicht essen“, hinwegsetzen.
Wäre an dieser Stelle Ende, wären wir verloren. Wir hätten uns als Menschheit einmal gegen Gott gestellt und damit seine Freundschaft und die Verbindung zu ihm beendet. Da Gottes Liebe aber größer ist als unser Nein, entscheidet er sich für ein Angebot an uns, das kein Ende kennt: Er selbst wird in Jesus Christus einer von uns, er lebt mit und für uns.
Gott lässt sich diese Erlösung für uns etwas kosten, das Evangelium des heutigen Sonntags erzählt davon. Die Aussichten, die der Verführer eröffnet, sind natürlich etwas übergroß für uns Durchschnittsmenschen, aber dem Gottes Sohn macht er schon attraktive Angebote.
„er zeigte ihm alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht und sagte zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest.“ (Mt 4,8f.)
Und Christus geht darüber hinweg, weil er den Auftrag des Vaters, ein Mensch für die Menschen und mit den Menschen, ein „Menschensohn“ zu sein, wirklich ernstnimmt. So ernst, dass er bis zum Tod geht am Karfreitag.
Und er geht noch weiter. Er überwindet den Tod und mit seiner Auferstehung, an der wir Anteil haben, und durch die jeder einzelne von uns aus seiner menschlichen Begrenztheit befreit ist, eröffnet Gott uns einen neuen Horizont. Nicht weil wir es uns erarbeitet, erbetet oder erfastet haben, sondern, weil er – Gott – die Gnade ist. Weil er uns bedingungslos liebt und den Weg zurück immer und für jeden offenhält.
Natürlich drängt sich dann die Frage auf: warum gibt es dann die Hölle? Weil Gottes Liebe und damit auch jede ehrliche menschliche Liebe, nicht zwingt. Wenn ein Mensch trotz dieses Angebotes und im Angesicht Gottes immer noch „nein“ sagt, dann muss er die Freiheit dazu haben und die hat er nur, wenn es einen Ort gibt, in dem Gott nicht ist. Denn nur das ist die Hölle: der Ort der Abwesenheit Gottes.
Und deshalb beginnen wir die Fastenzeit, die Vorbereitungszeit auf DAS Erlösungsfest, auf Ostern. Weil wir immer wieder daran erinnert werden müssen, dass Gottes Angebot der unendlichen und unerschöpflichen Liebe besteht, dass er uns immer trägt, ob wir es merken oder nicht, und dass wir auf dieses Angebot antworten müssen. Dass Gott eine Idee davon hat, wie menschliches Leben gelingen kann, wir uns aber immer wieder neu an dieser Idee, an diesem Ideal ausrichten müssen. Darum geht es in der Fastenzeit. Sich von Dingen zu trennen, die eher von Gott wegführen und den Dingen bewusst Raum und Zeit zu geben, die uns tiefer in die Freundschaft zu Gott führen. Und das ist nichts Abstraktes. Denn Gott ist in jedem unserer Mitmenschen zu finden. Wir müssen nur suchen. Das fällt bei manchen Menschen leichter und bei manchen schwerer. Vielleicht könnte dies ein Vorsatz für diese Vorbereitungszeit auf Ostern sein: geben wir unseren Mitmenschen die Chance ihr göttliches Angesicht zu zeigen.
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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