Dies Domini – 24. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A
Vergebung. So ein großes Wort, so eine hohe Anforderung an uns Menschen. Vergeben, nicht nachtragend sein, ent-schuldigen – das sind die Maßstäbe, die das Evangelium und die alttestamentliche Lesung dieses Sonntags uns vorstellen.
Wenn man den Begriff der Vergebung sucht, erhält man von Wikipedia die Information: Vergebung „ist ein Schlüsselbegriff verschiedener Weltanschauungen, Weltreligionen und Philosophien. Er bezeichnet das Annehmen von bekundeter Reue, sowie das Vergeben einer fremden Schuld.“ Weiter heißt es: „Großmut als Fähigkeit und Bereitschaft zur Vergebung gilt seit der Antike als Tugend von Herrschern und wird heute als ein Merkmal fortgeschrittener Zivilisation angesehen. So gesehen war die Begrenzung der Rache oder Vergeltung – namentlich die Eindämmung der Blutrache durch das Prinzip Auge für Auge in der jüdischen Religion – ein Zivilisationsfortschritt.“
Das Lexikon für Theologie und Kirche beschreibt den Begriff der Vergebung in mehreren Spalten recht umfangreich, wobei einige Punkte besonders herauszugreifen sind: Der Begriff wird biblisch sowohl für ein zwischenmenschliches, als auch für ein Geschehen zwischen Gott und Mensch verwendet. Diese Fähigkeit zur Verzeihung wird an vielen Stellen als göttliche Eigenschaft beschrieben; Voraussetzung für das Vergeben ist allerdings sowohl das Bekenntnis, als auch die Bereitschaft zur Umkehr, wobei hier ein Wandel im Verständnis vom Alten zum Neuen Testament zu erkennen ist: während im Alten Testament die Umkehr die Voraussetzung für die Vergebung ist, ermöglicht im Neuen Testament die Vergebung erst die Umkehr.
Die Bibel erwähnt den Begriff an über 40 Stellen, womit die besondere Bedeutung zum Ausdruck kommt.
Der Text des heutigen Evangeliums erzählt die Geschichte eines Dieners, der seinem Herrn viel Geld schuldet; Geld in einer Höhe, das er niemals zurückzahlen könnte. Weil dem Herrn dies auch bewusst ist, erlässt er dem Diener die ganze Schuld. Statt darüber glücklich zu sein UND auch die Konsequenz daraus zu ziehen, auch selbst Barmherzigkeit walten zu lassen, lässt er einen anderen Diener, der ihm ebenfalls, jedoch in deutlich geringerer Höhe, Geld schuldet und der ihm auf dem Heimweg begegnet, solange ins Gefängnis stecken, bis er die ganze Schuld zurückgezahlt hat.
Hier drängt sich das bekannte Sprichwort: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu“ auf. Wenn du selber Vergebung, Verzeihung und Entschuldigung erfahren und nicht mit Unbarmherzigkeit und Härte konfrontiert werden möchtest, dann musst du dich auch selber nach dieser Wunschvorstellung verhalten.
Im Evangelium geht es daher auch konsequenterweise so weiter:
„Da ließ in der Herr rufen und sagte zu ihm: Du elender Diener! Deine ganze Schuld habe ich Dir erlassen, weil du mich so angefleht hast. Hättest nicht auch du mit jenem, der gemeinsam mit dir in meinem Dienst steht, Erbarmen haben müssen, so wie ich mit dir Erbarmen hatte? Und in seinem Zorn übergab ihn der Herr den Folterknechten, bis er die ganze Schuld bezahlt habe.“ (Mt 18, 32ff.)
Dies klingt grausam, ist aber letztlich „nur“ das Anlegen der eigenen Maßstäbe. Der Diener erwartet von seinem Schuldner, dass er die Schuld bis auf den letzten – heute würde man sagen – Cent zurückzahlt. Also wird er auch an dieser Vorstellung gemessen und muss auch selbst die ganze Schuld begleichen. Also gibt es auch Gottes Barmherzigkeit nicht zum Nulltarif, wir müssen dann auch unseren Mitmenschen gegenüber barmherzig und vergebend sein, nur dann dürfen wir uns auch selbst ent-schulden lassen.
In diesem Sinne, ist auch der „Zorn des Herrn“, von dem in der eben zitierten Perikope gesprochen wird, nicht derjenige, von dem die alttestamentliche Lesung aus dem Buch Jesus Sirach spricht:
„Groll und Zorn sind abscheulich, nur der Sünder hält daran fest.“ (Sir 27,30)
Bei diesem Zorn geht es um Rache, geht es darum eben nicht verzeihen zu wollen.
„Wer sich rächt, an dem rächst sich der Herr, dessen Sünden behält er im Gedächtnis. Vergib deinem Nächsten das Unrecht, dann werden dir, wenn du betest, auch deine Sünden vergeben.“ (Sir 28, 1f.)
Und nicht nur die biblischen Texte nehmen die Vergebung in dieser Woche in den Blick, auch in der Tageszeitung war in den letzten Tagen davon zu lesen, so in der Rheinischen Post vom 14. September: „Kardinal bittet Missbrauchsopfer um Vergebung“. Hier ist etwas sehr Entscheidendes gesagt: es wird um Vergebung gebeten. Niemand kann sich selbst vergeben und niemand kann sich selbst entschuldigen. Da ist unsere Alltagssprache oft sehr ungenau, aber eigentlich ist dies ein wesentliches Merkmal, dass man eben ein Gegenüber braucht, um die Schuld loszuwerden. Jemanden der mir sagt: deine Schuld ist weg, dein Verhalten ist dir vergeben. Wenn sich mein Fehlverhalten auf einen anderen Menschen bezieht, kann ich zu ihm gehen und um Verzeihung bitten und darauf hoffen, dass sie mir gewährt wird. Wenn dies aber nicht möglich ist, wenn es kein wirkliches Gegenüber gibt, z.B. weil ich mich mir selbst gegenüber nicht richtig verhalten habe, dann kann Gott dieses Gegenüber sein, der – z.B. im Sakrament der Versöhnung – Ent-Schuldigung zusichert. Vielleicht kann diese Sichtweise einen Zugang auf dieses eher nicht so hoch frequentierte Sakrament sein, wenn wir als Kirche uns Mühe geben, es alltagstauglich und vor allem verständlich zu vermitteln.
Die neutestamentliche Lesung dieses Sonntags geht etwas in diese Richtung, wenn es dort heißt:
„Keiner von uns lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber. (…) Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn. Denn Christus ist gestorben und lebendig geworden, um Herr zu sein über Tote und Lebende.“ (Röm 14, 7ff.)
Ich wünsche uns allen für die kommende Woche, dass wir näher zu der Erkenntnis gelangen, dass keiner sich selber vergibt, ob wir uns schuldig machen oder ob wir entschuldet werden, ob wir um Vergebung bitten oder ob wir vergeben, wir gehören Gott und zur Gemeinschaft mit unseren Mitmenschen. Denn Christus ist gestorben und lebendig geworden, um Herr zu sein über alle Menschen, seine Auferstehung hat die Sünde und den Tod überwältigt und uns ein Leben in Freiheit eröffnet.
Seien wir frei um Vergebung zu bitten, vor allem aber darin Vergebung zu schenken, wie es bei Jesus Sirach heißt:
„Denk an die Gebote, und grolle dem Nächsten nicht, denk an den Bund des Höchsten, und verzeih die Schuld.“ (Sir 28,7)
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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