Die Zeit ist nicht arm an schlagenden Worten. Künstliche Intelligenz, Digitalisierung und Transformation sind einige dieser Begriffe, die immer wieder auftauchen. Jörg Heynkes sieht in einem Beitrag für den Weblog „Sparrow Journal“ hinter diesen Begriffen aber nicht nur Worte, die schlagen, sondern gar eine vierte industrielle Revolution, die als unsichtbare Welle, einem Tsunami gleich, auf die Gesellschaft zurollt. Wer so redet, kann in der Digitalisierung nicht wirklich nur eine Verheißung sehen, und auch die Transformation, etwa in der Mobilität, erscheint dann nicht als Lösung, sondern als Gefahr.
Das Problem liegt schon im Wort selbst. Trans-Formation – wörtlich Um-Formung – das scheint zuerst etwas Äußerliches zu sein. Eine äußere Form soll geändert werden. In der Diskussion um die Mobilität der Zukunft bedeutet das etwa die Bevorzugung elektrischer Antriebe oder die Förderung selbstfahrender Autos. Das wird eine schöne neue Welt sein, in der niemand mehr ein Kraftfahrzeug besitzt, weil man alles per App ordern kann, um mit dem Gemeinvehikel von A nach B zu gelangen. Man braucht auch keine Parkplätze mehr, weil die Fahrzeuge immer in Bewegung sind. Das verbraucht zwar Energie, gibt aber Platz. Und die Luft ist so sauber, weil alles elektrisch ist. Nur: Der Strom wird anderswo produziert und schädigt dort die Umwelt; um die Batterien bauen zu können, müssen im Kongo Kinder in die Kobaltminen und der Faktor Mensch und sein Individualitätsstreben darf ab sofort keine Rolle mehr spielen. Werden Handwerker in Zukunft mit Materialhängern am Straßenrand stehen und auf den nächsten Flitzer warten? Die schöne neue Welt hat halt ihren Preis. Was glauben Sie denn?
Das Problem bei der Revolution der Formwandler wird sein, dass sie in deren Dominion, deren Herrschaftsgebiet, wie bei Revolutionen üblich, ihre Kinder fressen wird. Vielleicht würde es helfen, bei den alten Philosophen nachzusehen – etwa bei Aristoteles. Der unterscheidet in seiner Philosophie zwischen Unwesentlichem, dem Akzidenz, und Wesentlichem, der Substanz. Jedes Ding hat so eine Substanz, die sein Wesen ausmacht, und Akzidentien, die ihm Form und Gestalt geben. Ein Tisch etwa hat die Substanz „waagerechte Platte mit Gestell“, die aber viele Formen annehmen kann (rund, eckig, vier oder drei Beine, schwarz, farbig usw.).
Wer die Welt wirklich verändern möchte, braucht also mehr als eine Transformation. Er braucht eine Transsubstantiation. Er muss das Innere der Menschen ergreifen, sich mit ihren Bedürfnissen identifizieren, ihr Schicksal und ihr So-Sein annehmen und sie so Seit‘ an Seit‘ mitnehmen in eine Zukunft, die jeden Tag neu blüht.
Transsubstantiation – das ist genau das Thema des heutigen Fronleichnamstages, wenn Katholiken in Prozessionen die konsekrierte Hostie, die für sie äußerlich zwar noch Brot ist, in der Substanz aber zum Leib Christi wird, durch die Straßen tragen. Es ist ein Bekenntnis zu dem einen Auserwählten, zu Jesus Christus, der als wahrer Menschen und wahrer Gott am Kreuz starb und auferstand – und gerade deshalb bleibend gegenwärtig ist. Muss man das glauben? Nein! Aber man kann es glauben, wenn man sich auf die Zeugnisse der Bibel einlässt. Auch der Zweifel braucht schließlich echte Argumente! Eins jedenfalls ist klar: Die Transsubstantiation gibt eine neue Substanz, eine Festigkeit aus der heraus man vor keiner Transformation Angst haben müsste.
Dr. Werner Kleine
Erstveröffentlicht in der WZ Wuppertal vom 31. Mai 2018
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
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