Präpositionen finden meist wenig Beachtung. Diese Sprachpartikel schwimmen im Sprachstrom halt irgendwie mit. Ein Nomen oder ein Verb – das ist etwas, was die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Präpositionen schaffen zwar Beziehungen in Sätzen und definieren, wann, wo, wie oder warum etwas geschieht; die gemeine Zeitgenossin und natürlich auch der Zeitgenosse behandeln sie aber in der Regel stiefmütterlich. Oft lässt man sie einfach weg. Man geht dann Schule oder Kino oder Aldi, Lidl, Edeka. Ja, die Präpositionen, diese kleinen unschuldigen Sprachteilchen haben es wirklich schwer.
Ab und zu aber feiern sie ihre kleinen Siege. Dann wird es wichtig, ob etwas mit, an oder von geschieht. Der Hobbyvirologe und die Selfmadeintensivmedizinerin, die ihr Fachwissen in der Youtube-Akademie erwerben, wissen schon genau, dass es einen Unterschied macht, ob da nun jemand „mit“ oder „an“ dem neuartigen Corona-Virus SARS-CoV-2 gestorben ist. Da wird sehr genau auf die Grammatik geachtet. Immerhin kann man auf diese Weise die Angst vor dem Virus wenigstens sprachlich eindämmen. Es ist schließlich schlimm, wenn viele Tote „an“ dem Corona-Virus sterben. Wenn sie „mit“ dem Virus vor ihren Schöpfer treten, sind sie zwar genau so tot, ja, sie hätten ohne das Virus vielleicht sogar noch länger gelebt – möglicherweise sogar sehr viel länger; aber es hört sich doch schon viel weniger schlimm an, wenn man nicht „an“ dem Virus verstirbt, sondern bloß „mit“ dem Virus. So oder so wurde „durch“ das Virus unwiederbringlich Lebenszeit geraubt. Was glauben Sie denn?
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Dies Domini – 11. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A
Frömmigkeit feit vor Fehlern nicht. Schon gar nicht, wenn sich Frömmigkeit zur Überheblichkeit eines Bewusstseins außergewöhnlicher Erwähltheit entwickelt, die lässig auf all die herabschaut, die man für weniger fromm hält, als man es selbst ist. Gerne spricht der Fromme dann von den „Heiden“ und urteilt über alles, was nicht in sein Weltbild passt als „heidnisch“, vor allem dann, wenn er es mit Menschen zu tun hat, die vermeintlich ungläubig sind.
Freilich zeugt eine solche Denkweise von einer fundamentalen Wissenslücke, bezeichnet das Wort „Heide“ in den deutschen Übersetzungen des Neuen Testamentes meist jene Menschen, die im griechischen Urtext als ἔθναι (éthnai) bezeichnet werden. Der Begriff leitet sich von ἔθνος (éthnos) ab, der einfach „Volk“ bedeutet. Das ἔθνος τοῦ θεοῦ (éthnos toû theoû) ist das Volk Gottes. So bezeichnet sich das Volk Israel selbst. Davon werden die ἔθναι (éthnai) abgegrenzt – die Völker. Im Griechischen entsteht auf diese Weise ein signifikanter Unterschied, der semantisch aber doch Verwandtschaften zeigt. Theologisch hingegen liegen Welten zwischen Israel und den Völkern, wie er im Hebräischen zum Ausdruck kommt. Es ist Israel, mit dem Gott einen Bund geschlossen hat, wie es in der ersten Lesung vom 11. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres A heißt:
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Jemand hatte die Absicht, eine Mauer zu bauen. Aber Mauern sind nicht gleich Mauern. Manche Mauern sind gleicher. 2016 etwa wollte die Stadtverwaltung die schön bepflanzte Steinmauer von Martin Michels an der Nordbahntrasse am Loher Bahnhof niederlegen. Sie hätte zu viel Potential einer Gefahr des „Anpralls von Verkehrsteilnehmern“. Letztlich durfte die Mauer bleiben – welch ein Segen für die Vielen, die sich an dem schönen Garten, den sie schützt, erfreuen. Was glauben Sie denn?
Während das Auge der Verwaltung bei einer kniehohen Mauer streng blickte, übersah man großzügig bei der haushohen Mauer am Döppersberg einiges. Falscher Stein, falscher Zeitpunkt, falsche Bauweise. Kann ja mal passieren bei so einem Millionenprojekt … Und natürlich will es niemand gewesen sein. Das war schon bei Adam und Eva so:
„Hast du von dem Baum gegessen, von dem ich dir geboten habe, davon nicht zu essen?“ (Genesis 3,11) – Nee, die Frau hat gesagt … nee, die Schlange hat gesagt …
Es sind immer die anderen. Aufrichtigkeit wäre ja auch etwas für Menschen mit Rückgrat.
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Dies Domini – Pfingstsonntag, Lesejahr A
„Wie zahlreich sind deine Werke, Herr, sie alle hast Du mit Weisheit gemacht, die Erde ist voll von Deinen Geschöpfen. Da ist das Meer, so groß und weit, darin ein Gewimmel, nicht zu zählen: kleine und große Tiere.“ (Ps 104,24f)
Der Zwischengesang zu den Lesungen aus Psalm 104 bringt es auf den Punkt: diese Schöpfung, nicht zu zählen, nicht wirklich einzufangen, manchmal herrlich, manchmal schrecklich. Manchmal Beethovens 6. mit dem Erwachen heiterer Empfindungen auf dem Lande, manchmal Corona-Pandemie mit Tausenden – bei uns – oder Zehntausenden Toten – in anderen Weltgegenden.
Wenn Religion ein sinnvolles Manöver des menschlichen Geistes sein soll zur Kontingenzbewältigung, also dem sinnvollen Umgang mit dem Eindruck, dass der ganze Laden doch auf keinen Fall irgendwie vernünftig sein kann, dienen soll, dann läuft da gerade etwas vollkommen schief. Manchem zu schief: Hartmut Löwe, immerhin ehedem evangelischer Militärbischof, mahnt seine Oberen, doch tiefer zu schürfen und den Menschen nicht das zur Pandemie aufzutischen, was eh alle immer sagen, sondern den Zorn Gottes ebenso wie den deus absconditus, den verborgenen Gott, in den Blick zu nehmen – auch nicht einfach, einen verborgenen Gott anzusehen – und auch mal frisch und frei von der Strafe Gottes zu reden, nicht immer nur triviale Alltäglichkeiten. Das schürft immerhin so tief wie manche katholischen Ruhestandsdenker, die es gerade zum Kennzeichen wirklichen Glaubens erklären, wenn dieser ein Skandalon in der Welt ist und alles Kompatible zu unserer Neuzeit für angepassten Zeitgeistunfug erklären.
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