Es ist wieder soweit. Die Zeichen sind eindeutig und unübersehbar. In früheren Zeiten hätte man sicher dem Komet „Neowise“, der seine Bahn derzeit in der Abenddämmerung am nordöstlichen Himmel zieht, zukunftsweisende Botschaft abgerungen – wahlweise positiv oder negativ, je nach der persönlichen Präferenz astrologischer Fährtenleser. Ein Komet konnte schließlich als Ankündigung katastrophaler Gottesurteile verstanden werden. Im Buch der Offenbarung sind „fallende Sterne“ mit der Öffnung des sechsten Siegels verbunden, deren Folgen nichts Gutes für die Mächtigen bedeuten:
„Und die Könige der Erde, die Großen und die Heerführer, die Reichen und die Mächtigen, alle Sklaven und alle Freien verbargen sich in den Höhlen und Felsen der Berge.“ (Offb 6,15)
Auf der anderen Seite künden Kometen aber auch positive Ereignisse wie etwa die Geburt außergewöhnlicher Persönlichkeiten an. Nicht ohne Grund wird der Weihnachtsstern oft als Komet dargestellt. Kometen sind also in jeder Hinsicht außergewöhnlich. Was glauben Sie denn?
Das in Wuppertal Bedeutsames bevorsteht, kann man in diesen Tagen aber auch erahnen, wenn man den Blick nicht zum Himmel, sondern in den Briefkasten, die lokale Presse oder ins Internet richtet. Postkarten und Interviews künden ein Ereignis an, das die Stadt mit ebenso schöner Regelmäßigkeit heimsucht, wie die Kometen am Himmel: In ganz Nordrhein-Westfalen finden am 13.9.2020 Kommunal- und Landrats- bzw. Oberbürgermeisterwahlen statt. Auch Wuppertal sucht wieder eine Besetzung für den kommunalen Spitzenposten. Fünf Kandidaten und eine Kandidatin stellen sich zur Wahl. Das Spektrum der Charaktere changiert zwischen lustig und larmoyant, liberal und links, lokal und lateral, laut und luzide. Leidensfähig wird jede oder jeder von ihnen bei erfolgreicher Wahl ohnehin sein müssen, denn die wartenden Aufgaben erfordern in jeder Hinsicht Mut, wenn sie nicht in sich schon eine Zumutung sind. Wer die nicht enden wollenden Diskursschleifen etwa um das Pina-Bausch-Zentrum, den Döppersberg oder – wieder einmal – die Schwebebahn seit Jahren verfolgt, ahnt ohnehin, dass Rat und Verwaltung ihren Meister oder ihre Meisterin nur in einer Person finden werden, die zu der Widerspenstigen Zähmung fähig ist. Die vollmundigen Versprechungen, die sich Postkarten, Interviews oder YouTube-Videos entnehmen lassen, lassen dabei ahnen, dass die Kandidatin und die Kandidaten wahrscheinlich ohne größere Schwierigkeit über das Wasser des Beyenburger Stausees laufen können. Selbstbewusst zur Schau getragene Führungserfahrungen oder Vernetzungen korrespondieren wohl bei allen mit einem leidenschaftlichen Bekenntnis zum Tal der Wupper. Wer würde das als Kandidatin oder Kandidat nicht von sich sagen.
Der Schutzpatron aller, die sich zur Wahl stellen, dürfte deshalb eine ganz besondere Erscheinung sein, die seit Astrid Lindgren wohl nur Kinder am Himmel sehen können: Karlsson vom Dach – jener kleine dickliche Mann in den allerbesten Jahren, der von zweifellosem Selbstbewusstsein beseelt ist, in allem der Weltbeste zu sein. Vor allem ist er der weltbeste Streichespieler, der sich mit seinem Rückenpropeller mir nichts dir nichts aus dem Staub machen kann. Auch wenn er einen Motorschaden hat, weiß er: „Das stört doch keinen großen Geist“. Wahrhaftig: Dieser Karlsson vom Dach würde sich gut in die Wuppertaler OB-Kandidaten-Riege einfügen. Alles weltbeste Leute mit Himmelsstürmerqualitäten. Da hat man die Qual der Wahl. Dabei braucht diese Stadt vor allem eine Persönlichkeit, die die Sprache der Menschen spricht – der vielen bürgerschaftlich Engagierten, der vielen unterschiedlichen Charaktere in den Quartieren, derer, die sich nicht länger für gescheiterte Jahrhundertprojekte schämen wollen, vor allem aber der vielen, die von schönen Worten alleine nichts haben.
Es sind noch ein paar Wochen bis zur Wahl. Kometen sind ambivalent. Wer kometenhaft aufsteigt, kann auch schnell in der Atmosphäre verglühen. Wählen Sie also im September die Richtige oder den Richtigen, frei nach Paulus:
„Prüfet alles, das Gute behaltet.“ (1 Thessalonicher 5,21)
Und wenn Sie glauben, es störe keinen großen Geist, wenn Sie nicht wählen gingen, dann suchen Sie bitte den Propeller auf Ihrem Rücken. Denn nur ein weltbester Karlsson darf so denken …
Dr. Werner Kleine
Erstveröffentlicht in der WZ vom 17. Juli 2020
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
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