Corona bleibt. Diese Binsenweisheit des Bonner Virologen Hendrick Streeck hat nichts Offenbarendes. Das Virus ist da. Natürlich wird man mit ihm leben müssen. Das tun wir in unserer Gesellschaft schon seit dem Frühjahr 2020. Die Frage ist nur, wie man mit diesem Virus leben lernt. Was glauben Sie denn?
Es gibt in diesen Zeiten viele Virologinnen mit Facebook-Diplom und Epidemiologen mit einem Abschluss an der Youtube-Akademie. Viele dieser Fachfrauen und -männer haben sich mittlerweile selbst Teams zugeordnet. Die einen halten zu Drosten, die anderen zu Streeck, manche fühlen sich im Team Bhakdi gut aufgehoben. Eine einfache Nachtwanderung reicht freilich als Beispiel, dass das eine zwar populäre, aber noch nicht mal populärwissenschaftliche Haltung ist. Nur im gemeinsamen Suchen, behutsamen Vortasten und Korrigieren falsch gegangener Fährten wird man den Weg finden. Wissenschaft ist Teamarbeit und kein Mannschaftswettbewerb.
Nun hält uns das Corona-Virus schon über sechs Monate auf Trab. Im Frühjahr 2020 kam das Virus nach Deutschland. In der Rückschau erscheint diese Zeit als Aufwärmphase, in der klar wurde, dass es einen Langstreckenlauf gibt. Im Sommer gab es eine kurze Entspannung. Jetzt beginnt wohl ein Langstreckenlauf, jetzt kommt es auf das Durchhalten an.
Jetzt beginnt der Lauf? Manche haben wohl schon gehofft, es sei vorbei. Gut müsse es jetzt einmal sein, mit den Maßnahmen. Aber der Herbst steht bevor, die Inzidenzzahlen steigen auch in Wuppertal über den kritischen Wert. Man hört, das unter anderem Jugendpartys dafür verantwortlich sein sollen. Corona bleibt nicht vor der Tür. Es hilft derzeit immer noch und nur: Abstand halten, Hände waschen, Mund-Nasen-Schutz tragen. Wer da denkt, es sei doch längst gut, wird schnell eines Besseren belehrt. Corona ist eine Teamaufgabe, die nur bewältigt wird, wenn alle solidarisch mitmachen – auch dann, wenn es den eigenen Bedürfnissen widerspricht.
Der Corona-Langstreckenlauf startet wohl erst. Niemand weiß, wo das Ziel ist – schon gar nicht, wann es erreicht wird. Da braucht es Mutmacher und Leuchttürme. Ob es da eine kluge Entscheidung mancher Wuppertaler Verantwortlicher ist, jetzt schon mit Blick auf gegenwärtig hohe Inzidenzwerte Martinszüge und Weihnachtsmärkte abzusagen, die erst in Wochen und Monaten stattfinden? Alles ist möglich, nichts muss kommen, wie man es will – keine Frage. Das Schlimmste, was in Krisen geschehen kann, ist das Fehlen einer Perspektive. Ohne Hoffnung werden Menschen mutlos. Mutlosigkeit aber führt zu einer Haltung der Gleichgültigkeit. Das braucht jetzt niemand. Es ist gut, dass die Wuppertaler Verantwortlichen mit Blick auf die aktuell hohen Inzidenzwerte handeln; noch besser wäre es gewesen, wenn sie mit Blick in die Zukunft motivierender formuliert hätten, dass bei solche Werten auch liebgewordene Veranstaltungen abgesagt werden müssen, aber eventuell doch stattfinden können, wenn sich alle an die Regeln hielten. Gemeinsam kann man es eben schaffen!
„Corona wird nicht unser Untergang sein“ – auch diese Binse Hendrick Strecks ist natürlich wahr. Die Menschheit hat schon viele Endzeiten überlebt. Erfahrungsgemäß wird auch die aktuelle Krise nicht das Ende sein. Die Frage ist nur, wie man sie überlebt – mit oder ohne Hoffnung. Ein Blick in die Johannesapokalypse kann da helfen. Nachdem bildgewaltig Katastrophen ausgemalt wurden, endet sie mit einer aufrichtenden Verheißung:
„Ja, ich komme bald.“ (Offenbarung 22,20)
Deshalb gilt gerade jetzt am Beginn des langen Corona-Herbstes – ob sie glauben oder nicht: Fürchtet euch nicht! Richtet euch und einander auf! Seid wachsam und achtsam! Dann hat Corona keine Chance!
Dr. Werner Kleine
Erstveröffentlicht in der Westdeutschen Zeitung vom 9. Oktober 2020
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
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