Dies domini – Zweiter Fastensonntag, Lesejahr B
Manchmal begegnet einem im Internet beim Besuch etwas besonderer Seiten ein freundlich dreinblickender, ersichtlich mit sich im Reinen befindlicher älterer Herr, der ein wenig skeptisch aus seinem Biedermeier-Ohrensessel blickt. Man sollte meinen, er könne nicht bis drei zählen, aber liest man dann sein „Hirtenwort“ „Lasst Euch nicht so schnell aus der Fassung bringen“, merkt man, da ist man einem Geistesheroen begegnet, der es faustdick hinter den Ohren hat.
Denn er kennt sich nicht nur in der Kirchengeschichte aus: Er weiß, dass der Aufschwung der Orden im 19. Jahrhundert nicht mit dem Rückgang der Kindersterblichkeit bei noch mangelhafter Versorgungssituation für die vielen Kinder auf den Höfen zu tun hatte, sondern mit dem Blut der Märtyrer in der französischen Revolution, das der Samen für neue Christen sei.
Er ist auch Exeget erster Expertise, der weiß, dass eine Predigt über Migration und Sozialkonflikte nur „Gott-“ los genannt werden kann, da doch nirgendwo in der Bibel von diesen Themen die Rede ist. Jesus greift die Fragen von Besatzung, Armut und Nächstenliebe ja nirgendwo auf. Und er ist auch Pastoraltheologe reinsten Wassers, der uns erläutert, dass die Kirchen durch diese heutigen selbstgemachten Liturgen und gottlosen Regenwaldprediger sich leeren müssen und die Menschen stattdessen in Scharen zu den der Tradition verbundenen Gemeinschaften wechseln. Schließlich: wer erkennt eine Kirche Jesu Christi schon in katholischen Akademien, Sekretariaten von Bischofskonferenzen oder Zentralkomiteen von Katholiken. Da muss man sich doch schaudernd zu den Piusbrüdern wenden, die sicher durch die Schaffung eines „Generalsekretärs“ der Bischofskonferenz und auch noch der Beförderung einer Frau, horribile dictu, auf diesen Posten demnächst aus allen Nähten platzen werden.
Stutzig macht einen dann aber doch, dass seine hochwürdigste Eminenz doch nicht bis drei zählen kann, denn seiner Ansicht nach leben wir im zweiten Jahrzehnt des dritten Jahrtausends christlicher Zeitrechnung, was ja nicht nur falsch, sondern auch in sich unlogisch ist. Leider verhält es sich auch mit den übrigen Erkenntnissen seines Hirtenworts so, dass es kaum sinnvoll wäre, darauf eingehender zu sprechen zu kommen, wenn es nicht auch die horizontale Spaltung unserer Kirche deutlich machen würde und dennoch auch ein Beispiel dafür ist, wie man völligen Unsinn reden und doch zu der einen Kirche Jesu Christi gehören kann, ebenso wie es dem Hl. Petrus im heutigen Evangelium geht:
„Petrus sagte zu Jesus: Rabbi, es ist gut, dass wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für Dich, eine für Mose und eine für Elija. Er wusste nämlich nicht, was er sagen sollte.“ (Mk 9,5)
Das ist es, das ist die immer wieder auszuhaltende Spannung in unserem Glauben, wo tiefe Glaubenserfahrung neben alltäglichem Unfug stehen kann. Wie kann Petrus auf einem Gottesberg, der eine intensive Verwandlung Jesu und sein Gespräch mit den wichtigsten Glaubenszeugen seines jüdischen Volkes erlebt, auf die Schnapsidee kommen, man könne dem Dauer und Gemütlichkeit verleihen, indem man den himmlischen Gestalten einige institutionelle Hütten baut? Der Herr würdigt ihn auch keiner Antwort. Aber es geschieht etwas ganz anderes: Gott selbst legitimiert seinen Sohn und verweist die Jünger an ihn:
„Dieser ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören.“ (Mk 9,7)
Wir sollen also nicht träumen und unsere Ideen zu verwirklichen suchen, sondern seine, die Wirklichkeit Jesu und seine besondere Beziehung zum Vater als Angeld für die eschatologische, endzeitliche Hoffnung annehmen und als Anspruch an uns selbst, ihm nachzufolgen und Christus zu verwirklichen suchen.
Danach muss man dann auch die Frage konkreter Pastoral heute beantworten: was kann ich tun, damit Begegnung mit dem Sohn Gottes möglich wird? Wie kann ich an Kirche mitwirken, damit Menschen die von Angst und Not rettende Begegnung mit Gott und seiner Zusage, dass letztlich alles gut wird, erfahren dürfen? Brauchen die Menschen heute Belehrung und Katechismus, weil sie wie ein Schwamm begierig nach Glaubenswahrheiten vergangener Jahrhunderte sind oder den Zuspruch des glaubenden und glaubwürdigen Lebens, das bekennt: ich glaube trotzdem, trotz Pandemie und Klimawandel, Flüchtlingskrise und allen Herausforderungen unserer Tage, dass letztlich dieser eine gekommen ist, um uns Gottes guten Willen mit allen Menschen mitzuteilen und vorzuleben.
Angesichts solcher Fragen kann man auch witzige Randerscheinungen ertragen, die müssen einen selbst ja auch aushalten. Die Kirche kann weit sein und sie kann auch noch weit kommen, gehen wir voran, mögen auch manche Zeter und Mordio schreien, solange ich nicht allein bin und das Licht am Tabernakel noch brennt, solange ist das Licht noch nicht ganz aus.
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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