Am kommenden Dienstag ist in Wuppertal Hochfest. Die römisch-katholische Kirche begeht dann – am 10. August – das Fest des Heiligen Laurentius, jenes Diakons, der am selben Datum im Jahr 258 n.d.Z. in Rom unter Kaiser Valerian hingerichtet wurde. Diakone hatten damals eine besondere Aufgabe. Sie verwalteten als Kämmerer das Kirchenvermögen, das vor allem für soziale Zwecke verwendet wurde.
Freilich sah sich die Christenheit in der Mitte des dritten Jahrhunderts immer wieder Verfolgungen ausgesetzt. Christen galten im damaligen polytheistisch geprägten Umfeld als Atheisten. Einen unsichtbaren Gott zu verehren, den man nicht darstellen konnte – das muss vielen damaligen Zeitgenossen als völlig abwegig erschienen sein. Solche Gottlosen galten im harmlosen Fall als verrückt. Schlimmer war wohl, dass der auf die Götterverehrung aufbauende Staatkult, der seit Julius Cäsar auch die römischen Caesaren vergöttlichte, als subversiv und staatsgefährdend angesehen werden konnte. So schreibt Plinius der Jüngeren an Kaiser Trajan um die erste Jahrhundertewende:
„Einstweilen bin ich mit denen, die bei mir als Christen angezeigt wurden, folgendermaßen verfahren: ich habe sie gefragt, ob sie Christen seien. Die Geständigen habe ich unter Androhung der Todesstrafe ein zweites und drittes Mal gefragt. Die dabei blieben, ließ ich abführen. Denn ich war der Überzeugung, was auch immer es sei, was sie damit eingestanden, dass auf alle Fälle ihr Eigensinn und ihre unbeugsame Halsstarrigkeit bestraft werden müsse.“
Diese Halsstarrigkeit hat viele den Kopf gekostet. Die Unbeugsamkeit war gleichwohl legendär. Das 13. Kapitel der Offenbarung des Johannes, die in den Kontext jener Verfolgungen hineingeschrieben wurde, zeigt das: Wer der Kaiserstatue nicht opfern und so den Kaiser als Gott verehren wollte, setzt sein Leben aufs Spiel. Ist das nicht absurd?
Wenn der Horizont dieses Lebens begrenzt ist und es über den Tod hinaus nichts gibt, ist dieses Leben alles. Man muss in kurzer Spanne mitnehmen, wofür man in Milliarden Jahren vorher und nachher keine Zeit mehr hat: Lebe schnell und in vollen Zügen! Nicht zuletzt die Corona-Pandemie und die Unwetterkatastrophe zeigen doch, wie schnell einem alles zwischen den Fingern zerrinnen kann. Was glauben Sie denn?
Geht der Blick aber über den Horizont des Todes hinaus, stellt sich durchaus die Frage, was man dann in Händen hält – die schönsten Fotos vom letzten Urlaub oder das Leben vieler, die durch den eigenen Einsatz reicher wurden.
Das ist wohl auch die Perspektive des Laurentius gewesen: Nachdem Valerian den römischen Bischof Sixtus enthaupten ließ, wurde auch er verhaftet. Er wurde gefoltert und aufgefordert, das Vermögen der römischen Gemeinde binnen drei Tagen herauszugeben. Laurentius aber tat, was seine Aufgabe war: Er verteilte das Vermögen an die Armen, die er als „den wahren Schatz“ der Kirche“ dem Kaiser präsentierte. Alles Weitere ist Geschichte: Laurentius wird auf einem glühenden Rost hingerichtet. Sein Blick aber reichte darüber hinaus.
Das, was im Erzbistum Köln und dem Rest der Katholischen Kirche am 10.8. als Fest gefeiert wird, wird in Wuppertal als Hochfest begangen. Es wird groß schon mit dem Sonnenuntergang des Vorabends eingeläutet. Laurentius hat es verdient, denn er ist Stadtpatron Wuppertals. Sein Rost ziert das Wappen der Stadt. Die letzten Tage haben gezeigt, dass viele Wuppertalerinnen und Wuppertaler dem Patron der Stadt alle Ehre gemacht haben, als sie in Beyenburg und anderswo geholfen haben. Manche setzten dafür sogar den Jahresurlaub ein. Was für ein Segen für eine Stadt, in der auch der Kämmerer weiß, wie schnell man gegrillt werden kann, wenn man nur auf die Zahlen schaut. Gott sei Dank wird aber auch hier immer wieder deutlich, dass der wahre Schatz der Stadt die Menschen sind, die in ihr leben. In diesem Sinne wünsche ich Wuppertal am 10.8. ein frohes Hochfest!
Dr. Werner Kleine
Erstveröffentlicht in der Westdeutschen Zeitung vom 6. August 2021.
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
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