Dies domini – 4. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Dieser Tage gerät manches arg aneinander: die Münchner Missbrauchsstudie, Benedikt/Gänsweins-Einwendungen, Stellungnahmen verschiedener Kreise oder Tische, Journalisten, Politiker und Kirchenführer, alles liegt in Unstand. Wie verhält es sich mit dem Krieg in Europa – Ukraine, Putin, Schröder, Gazprom? Oder wie wäre es mit „Anfänge“ von David Graeber und David Wengrow: eine neue Geschichte der Menschheit oder Unfug? Wie empfinden Sie die Auseinandersetzung zwischen reellen und realen Zahlen? Ist unsere Welt kompliziert oder komplex?
Eigentlich können Sie machen, was Sie wollen, welche Tür Sie auch nur ein Stückchen öffnen, es bricht das Chaos hervor. Allerdings: lesen Sie nicht das Sonntagsevangelium. Das haut Sie um, wenn Sie es genau lesen:
„Alle stimmten ihm zu; sie staunten über die Worte der Gnade, die aus seinem Mund hervorgingen.“ (Lk 4,22)
Jesus erläutert, was er meint und dann:
„Als die Leute in der Synagoge das hörten, gerieten sie alle in Wut.“ (Lk 4,28)
Da sind vier Verse dazwischen und die Leute, die eben noch über die Gnadenworte staunen, geraten in Wut und wollen ihn vom Abhang hinabstürzen.
Und was tut der Herr?
„Er aber schritt mitten durch sie hindurch und ging weg.“ (Lk 4,30)
Wissen Sie was? Das einzige, was Welt und Bibel Ihnen bieten können, ist Unordnung, Chaos und Zweifel, ob da ein Gott sein kann. Es gibt keine einfachen Antworten, es passt sich nix. Sie, also Sie persönlich, Sie müssen springen. Ungewissheit und Wagnis, etwas anderes bietet Ihnen auch das Evangelium nicht. Natürlich gibt es keinen schöneren Text über die Liebe als unsere heutige Lesung.
„Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke.“ (1 Kor 13,1)
Aber, ob Sie springen wollen, ob sie wagen wollen, das müssen Sie ganz allein entscheiden. Auch wenn Sie noch so sehr auf die Institutionen vertrauen, Sie müssen entscheiden, ob Sie denen vertrauen wollen. Sapere aude: kein Naturrecht, kein Dogmatismus entlastet Sie von der Verantwortung für Ihr eigenes Leben.
Viel verlangt? Ja, vielleicht zu viel. Aber es geht nicht billiger:
„Jetzt schauen wir in einen Spiegel…, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht.“ (1 Kor 13,12)
Aber erst dann, jetzt müssen wir wagen. Man kann es üben, wie es Paulus so unüberbietbar empfiehlt:
„Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig.
Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. (…)
Sie erträgt alles,
Glaubt alles,
Hofft alles,
Hält allem stand.“ (1 Kor 13,3ff.)
Aber auch mit Übung: gesprungen muss werden.
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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