Dies Domini – Vierter Fastensonntag, Lesejahr C
Manche Philosophen gehen davon aus, dass es sich bei der Religion um ein Mittel handelt, mit der der Mensch versucht, Kontingenz zu bewältigen, also Unwägbarkeiten, unglückliche Zufälle, Unglücke und derlei Misshelligkeiten. Denn der Mensch liebt eine gewisse, kontinuierliche Aufwärtsbewegung, aber vor allem Stabilität. Angela Merkel hat so manche Wahl gewonnen: „Sie kennen mich“. Konrad Adenauer hatte es vorgemacht: „Keine Experimente“, die SPD hat es 1965 auch so versucht: „Sicher ist sicher – SPD“.
Hätten Sie gedacht, dass wir uns einmal nach Nikita Chruschtschow sehnen? Was ist das nur für eine Welt geworden? Der Gründer der Zisterzienser, der Hl. Bernhard von Clairvaux sah die Dinge eindeutig: „Im Tod des Heiden sucht der Christ seinen Ruhm“. Der Zisterzienser-Prior von Langwaden vermisst im Ukraine-Konflikt die Stimme der Völkerverständigung und der Mediation. Willy Brandt verhandelte die Entspannungspolitik und hatte dabei zu seiner Unterstützung eine funktionstüchtige Bundeswehr von 500.000 Soldaten, die rund 3 % der Wirtschaftsleistung kosteten. Der heutige Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Mützenich, glaubt, dass nukleare Abschreckung nicht funktioniert, während er gerade selbst durch die Drohung mit Atombomben davor abgeschreckt wird, den unschuldigen Mitmenschen in der Ukraine, denen man gerade ihr Dach über dem Kopf wegbombt, so zu Hilfe zu kommen, wie es notwendig wäre. Wie soll man mit solch einem Durcheinander nur fertig werden, das wirklich nur der große Durcheinanderwerfer, der „Diabolus“ selbst, fertigbringen kann? Da wirkt ja die Religion auch nicht gerade hilfreich, wenn der orthodoxe Metropolit Kyrill seinem KGB-Kumpan Ikonen segnet und der Papst so undeutlich nuschelt, dass selbst das kirchliche Nachrichtenportal „katholisch.de“ seine Initiativen nicht hilfreich findet.
Trotzdem glaube ich, dass wir die schreckliche Gegenwart besser ertragen können, wenn wir im Evangelium des heutigen Sonntags das Gleichnis vom verlorenen Sohn als Bild unserer menschlichen Unbehaustheit nehmen. Vielleicht ist die Welt ja so eingerichtet, warum, um Gottes Willen, auch immer, dass es so unklar sein muss? Für uns, für unsere Freiheit, für das wirklich „entscheidende“ in unserem Leben muss es vielleicht die Unklarheit, die Unzufriedenheit mit den Umständen, das Ausbrechen aus dem gewohnten geben. Wer immer im Schoß der sicheren Umstände bleibt, für den ist kein Mastkalb zu schlachten, der bekommt nicht einmal eine Ziege geschenkt. Für uns ist der Platz hinterm Ofen nicht vorgesehen, wir müssen uns mit der rauhen Wirklichkeit auseinandersetzen.
Sicher wirkt dieser Gedanke auch nur wie das Pfeifen im Wald, aber was bleibt uns? Wir dürfen nicht den Kopf in den Sand stecken, wir müssen handeln, damit die Welt für unsere Enkel lebenswert bleibt. Dabei werden wir uns die Hände schmutzig machen müssen und zu Zöllnern und Sündern werden. Wir müssen Steuern zahlen für unvorstellbare Waffensysteme, wir müssen Gas von menschenverachtenden Despoten kaufen und wir werden dazu helfen müssen, dass unschuldige junge russische Soldaten, die nichts verbrochen haben, außer sich nicht getraut zu haben, sich für den Frieden in ein Gefängnis werfen zu lassen, umgebracht werden. Schauerlich. Aber solange die Welt so ist, wie sie ist, ist es uns nicht erlaubt, im Krieg nach Mediation und Völkerverständigung zu rufen und selbst die Hände in Unschuld zu waschen. Das sind sie nämlich ohnedies nicht.
Wenn Sie an diesem Sonntag Laetare beten können:
„Freue Dich, Stadt Jerusalem! Seid fröhlich zusammen mit ihr, die Ihr traurig wart“ (Jes 66,10)
dann freut mich das für Sie. Mir ist die Zeit nicht danach.
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
Ein hervorragender Kommentar, vielen Dank. Ich wünschte, Sie hätten irgendwo Unrecht…