Dies Domini – 22. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Schon öfter, wenn Sie häufigerer Leser dieses Newsletters sind, sind Sie womöglich über eine gewisse Weinerlichkeit gestolpert, mit der das Verdunsten des kirchlichen, ja des christlichen, mitunter sogar überhaupt des religiösen oder transzendentalen Anteils am öffentlichen Leben angesprochen wird. Unsere Kirchen stehen immer mehr in der Gegend herum wie Windmühlen, die nostalgische Gefühle wecken und an eine heile Welt erinnern, die sie nie war, aber im Rückblick immer mehr wird. Unsere religiösen Feste, sogar Weihnachten, erst recht so etwas wie Allerheiligen, Erntedank oder gar Fronleichnam werden immer mehr zu leeren Hülsen, mit denen niemand mehr den eigentlich gemeinten Inhalt verbinden kann. Und wir machen auch noch mit bei dieser Untergangsmission, statt uns mit aller Macht gegen den Trend zu stemmen, beschleunigen wir es noch in ungeahnte Dimensionen. 1950 besuchten fast 12 Mio. Katholiken allsonntäglich den Gottesdienst, 2000 waren es noch 4,4 Mio., 2021 noch nicht einmal mehr eine Million. Statt jedem zweiten Katholiken noch jeder zwanzigste. Liegt es an der Botschaft oder doch mehr an den Boten? Warum betonen wir nicht mehr den Wert der Freiheit als Grundlage der Menschenwürde, statt uns an einem Wahrheitsbegriff festzuhalten, den uns ohnehin niemand mehr abnimmt? Warum eigentlich?
Der Verfasser des Hebräerbriefs spricht in der zweiten Lesung eigentlich ein Kirchenbild an, das uns heute gefallen könnte:
„Ihr seid nicht zu einem lodernden Feuer hinzugetreten, zu dunklen Wolken (…) und zum Schall der Worte, bei denen die Hörer flehten, diese Stimme solle nicht weiter zu ihnen reden.“ (Hebr 12,18f.)
„Ihr seid vielmehr (…) zur Stadt des lebendigen Gottes hinzugetreten, (…) zu einer festlichen Versammlung, (…) zum Mittler eines neuen Bundes, Jesus (…).“ (Hebr 12,22ff.)
Warum spricht uns das nicht an? In der Kirche war doch immer Platz für den Jubel und das Fest wie für Fasten und Askese. Könnte uns das nicht etwas weiterhelfen? Jetzt einmal die Zeit anzuerkennen, die von uns Zuspruch, Ermunterung und Mut für die Welt erfordert und nicht Drohung, Furcht und starre Gebote. Es geht ja nicht nur unsere kulturelle Prägung verloren, wenn niemand mehr weiß, was es mit der Matthäuspassion auf sich hat und warum die Eurovisionsfanfare ein Tedeum ist, was Goethe den Faust mit dem Prolog im Himmel anfangen lässt und warum Halloween an Allerheiligen gemahnt. Wir verlieren auch viel Kitt für unseren mitmenschlichen Umgang. Höflichkeit und all diese Sekundärtugenden, die uns den Alltag erleichtern, auch wenn man sie missbrauchen kann. Nächstenliebe verlangt ja nicht, jeden Mitmenschen kritiklos anzuhimmeln, sondern ihn mit dem Respekt anzusehen, der verlangt ist, weil auch der andere ein Geschöpf des gleichen liebenden Vaters ist mit der gleichen Würde wie wir selbst.
Wir würden so viel verlieren, wenn uns niemand mehr daran erinnert, eigentlich zum Guten geboren zu sein: Tugend will ermuntert sein, Bosheit könn‘ wir von allein (W. Busch). Oder mit den Worten des Evangeliums:
„Wenn du mittags oder abends ein Essen gibst, so lade nicht deine Freunde oder deine Brüder, deine Verwandten oder reiche Nachbarn ein; sonst laden auch sie dich wieder ein und dir ist es vergolten. Nein, wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein. Du wirst selig sein, denn sie können es dir nicht vergelten; es wird dir vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten.“ (Lk 14,12ff.)
Ihnen eine gute Woche zum Schätze sammeln im Himmel. Da schadet ihnen die Inflation nicht.
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
Vielen Dank für Ihren Kommentar. Ihre Ausführungen machen mir Mut.
Herzliche Grüsse vom Bodensee – aus einer der vielen Bistümer rund um den See: Freiburg i. Br., Rottenburg-Stuttgart, Augsburg, Feldkirch, St. Gallen und Basel: Kesswil, Kanton Thurgau gehört zu Basel.
Erich Häring
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