Dies Domini – 4. Adventssonntag, Lesejahr A
„Viele erwägen den Austritt“ so war ein kleiner Artikel in der FAZ von Freitag überschrieben, in dem der neueste Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung zusammengefasst wurde. Kirchenbindung und Religiosität seien beide in raschem Tempo im Abnehmen begriffen, Katholiken hegten häufiger Austrittsabsichten als Protestanten, jüngere mehr als ältere. In der gleichen Zeitung mokierte sich ein Frankfurter Leserbriefschreiber über den Begriff „Christkind“, der nicht nur unbiblisch, sondern eine Gottes Wirklichkeit verdunkelnde Märchenfigur sei. Schließlich liege Jesus heute keineswegs als Kind in der Krippe, sondern er sei als der gekreuzigte und auferstandene Herr zum himmlischen Vater zurückgekehrt und seither in der unsichtbaren Welt zu allen Zeiten an jedem Ort gegenwärtig.
Tja, so gehen die Ansichten auseinander: während die immer mehr werden, denen all der Religionskram immer gleichgültiger wird, halten einige noch an längst vergangenen und von niemandem mehr verstandenen Begriffen fest, die vielleicht ehrwürdig sind, aber mit der Lebenswirklichkeit unserer Tage nichts mehr zu tun haben. Auch wenn man heute vertretene theologische Positionen etwa zwischen Kardinal Sarah und Professor Striet nebeneinander legt, wird man finden, dass nicht nur nicht „nicht mal ein Blatt Papier“ dazwischen passt, sondern mehrere Fronleichnamsprozessionen längs bequem Platz hätten.
Auch Paulus greift unterschiedliche Positionen in der Gemeinde auf, wenn er in seinem Brief an die Gemeinde in Rom schreibt, dessen Anfangsverse die neutestamentliche Lesung des Sonntags bilden:
Er verkünde
„das Evangelium von seinem Sohn, der dem Fleisch nach geboren ist als Nachkomme Davids, der dem Geist der Heiligkeit nach eingesetzt ist als Sohn Gottes in Macht seit der Auferstehung von den Toten…“ Röm 1,3f.
In diesen wenigen Worten sind von der Jungfrauengeburt bis zum Adoptianismus schwierige Fragen angesprochen, aber nicht entschieden. Wäre dies nicht vielleicht in weiten Teilen unserer heutigen Debatten auch für uns eine Möglichkeit? Wir ließen die unvereinbaren Positionen unvereint nebeneinanderstehen und nehmen es hin, solange wir uns in dem Bekenntnis zu Jesus Christus als dem Sohn Gottes und unseres Herrn einig sein können, möge der eine auch eher dies, der andere das darunter verstehen. Schwierige Fragen haben es an sich, dass oft mehrere Antworten verantwortbar sind. Vom heiligen Augustinus stammt die Aufforderung, nur in den Notwendigkeiten einheitliche Lösungen zu suchen, sonst die Vielfalt zuzulassen, vor allem aber die geschwisterliche Liebe in allem walten zu lassen. Soviele Gegenstände, soviele Auffassungen. Nur Freiheit, die müsste jedenfalls sein.
Es trifft sich daher gut, wenn Paulus den Gruß seines Briefes mit einem wundervollen Segen für seine Gemeinde endet, in den er alle einschließt, die Parteiungen nicht beachtet:
„An alle in Rom, die von Gott geliebt sind, die berufenen Heiligen: Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.“ (Röm 1,7)
Das wünsche ich Ihnen von Herzen für die bevorstehenden Festtage mit dem Kind in der Krippe im Mittelpunkt. „Seht, der kann sich selbst nicht regen, durch den alles ist und war.“
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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