Dies Domini – Dritter Fastensonntag, Lesejahr A
Manchmal kommt es auch auf scheinbare Nebensächlichkeiten an, z.B. darauf, dass Jesus am Jakobsbrunnen mit einer Samariterin spricht, ganz falsche Volkszugehörigkeit, auch noch mit einer Frau, ganz falsches Geschlecht, und schließlich einer mit zweifelhaftem Lebenswandel, völlig verkehrter Umgang für einen anständigen, jüdischen Wanderprediger. Die Frau bekommt nicht einmal Vorhaltungen und Ermahnungen, sondern stattdessen die Selbstoffenbarung des Herrn: Die Frau spricht von der Erwartung des Kommens des Messias und Jesus sagt zu ihr:
„Ich bin es, der mit dir spricht.“ (Joh 4,26)
Alle Erwartung, alle Hoffnung, alle Sehnsucht: erfüllt und übertroffen. Und das gegenüber jemandem, der es doch eigentlich nicht „verdient“ hat. Nicht irgendwann in der Zukunft, hier und jetzt. Und da ist die Befindlichkeit der Frau für uns nicht nebensächlich. Denn wir dürfen uns als seine Jünger in der gleichen Situation sehen wie die samaritische Frau: das Heil kommt zwar von den Juden, aber wir alle dürfen in allen Völkern und Sprachen, in jedem Geschlecht und in jeder Lebenssituation, hätten wir auch schon den fünften Partner mit oder ohne Ehe, den Herrn anbeten im Geist und in der Wahrheit. Nicht jeder mag diese offene Bereitschaft des Herrn akzeptieren, den Menschen seiner Gnade vorbehaltlos anzuerkennen und anzunehmen, Hauptsache, er ist zum Glauben an ihn bereit und willens. Aber so sind die Bedingungen des Herrn.
Blaise Pascal, der Schöpfer zahlreicher Gedankenblitze an der Schwelle zur Neuzeit, noch heute gerngesehener Autor von Kalendersprüchen aller Art, sei es als Mathematiker zum Kegelschnitt oder als Physiker zum Vakuum, hat diesen Glauben an das Göttliche in einem Brennglas zusammengefasst: „Menschen und menschliche Dinge muss man kennen, um sie zu lieben. Gott und göttliche Dinge muss man lieben, um sie zu erkennen.“ Es geht bei der Liebe zu Gott nicht zuerst um eine rationale Anerkennung von Glaubenssätzen, sondern um die liebende Begegnung mit dem guten Vater, der uns in seinem Sohn nahekommen will. In diesem Sinne ist Amen die große Bekräftigung des Glaubens: daran halte ich mich, daran kann ich mich in den Stürmen des Lebens festmachen, das ist meine Rettung. Auch hier kommt es auf die nur scheinbar unwichtige Reihenfolge an. Deswegen ist Christus unser Erlöser, der, der uns von der Nacht der Verzweiflung erlöst in den Ostermorgen seiner Auferstehung.
Aber, und das gehört unaufgebbar zu unserer menschlichen Existenz, auch wir bekommen österliche Erlösung nicht ohne Karfreitag. Wenn unser Glaube nicht mehr weiß, dass er Glaube ist, sondern glaubt, im unangreifbaren Besitz der Wahrheit zu sein, dann wird er zur Ideologie und über kurz oder lang zum Fanatismus. Wer die Nacht des Karfreitags nicht mehr ernst nimmt, wird dem Osterjubel nicht gerecht. Denn der Zweifel mitsamt der Möglichkeit des Scheiterns ist die Bedingung der Freiheit. Diese kommt zuerst, auch und erst recht die eigene ebenso wie die anderer. Dann folgt aus der in Freiheit bejahten Liebe zu Gott und den göttlichen Dingen die Erkenntnis der Wahrheit. Nicht umgekehrt. Auch hier kommt es darauf an, die richtige Reihenfolge nicht durcheinander zu bringen. Und solange wir den Himmel nicht betreten zum ewigen Hochzeitsmahl des Gottesreichs, solange bleibt uns der dämonische Schatten des Zweifels auf den Fersen. Nehmen wir ihn ernst, weil er zu unserer Natur gehört, aber lassen wir uns nicht von ihm überwältigen.
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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