Dies Domini – Dritter Sonntag der Osterzeit, Lesejahr A
Die Kirche ist in der Krise – und es ist keine Krise des Glaubens oder der Glaubenden. Es ist eine Krise der Glaubwürdigkeit, die mit jedem Missbrauchsfall größer und sich mit jedem Offenbarwerden der Versuche, die Täter statt die Opfer zu schützen exponentiell steigert. Die vielen Worte, das Beten, die Frömmigkeit – sie werden Lügen gestraft, wenn ihnen keine Taten folgen. Selbst der synodale Weg scheint hier eher kosmetische Eingriffe vornehmen zu wollen, als eine Wurzelbehandlung einzuleiten. Darin wenigstens scheinen sich Bewahrer und Reformer einig zu sein: Allzu viel soll sich wohl nicht ändern. Die einen wollen halt lieber traditionell wohnen, andere modern. Allein: Die Möblierung und der Anstrich eines Hauses hilft nichts, wenn die Substanz an sich marode geworden ist. Wer hier nur wartet, dass sich das Problem früher oder später von selbst lösen wird, vergrößert das Problem nur – egal, ob der modern oder traditionell wartet.
Ein Grundproblem scheint zu sein, dass man die Kirche retten möchte – als sei die Kirche ein Zweck in sich. Tatsächlich ist die Kirche aber nicht für sich, sondern für die Menschen da. Sie ist, wie das zweite Vatikanische Konzil formuliert:
„in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit.“ (Lumen gentium, Nr. 1)
Der Auftrag des Auferstanden geht genau in diese Richtung. Nirgends sagt er: „Gründet Gemeinschaften“ oder „Baut Kirchen“, sondern:
Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung! (Mk 16,15)
Kirche ereignet sich in der Verkündigung. Die freilich geschieht sicher im Gottesdienst, aber eben auch in der tätigen Liebe. Beides: die Liturgie wie die Nächstenliebe bedarf wie die Verkündigung selbst einer gediegenen Reflexion, geschieht das Handeln doch nie um seiner selbst, sondern um der Menschen willen. Es ist adressatenorientiert – eben an die ganze (!) Schöpfung gerichtet.
Das macht ja das „Katholische“ der Kirche aus – ihre universelle Ausrichtung auf die ganze Schöpfung hin. Derzeit aber dreht sich die Kirche, vor allem die römische Version der katholischen Kirche, fast nur um sich selbst. Man berät, wie man attraktiver werden könnte, und übersieht dabei immer wieder, dass nicht die Kirche das Ziel, sondern die Methode der Verkündigung sein müsste. Hier darf man Ursache und Wirkung nicht vergessen. Die Pfingstpredigt des Petrus, aus der die erste Lesung vom dritten Sonntag der Osterzeit im Lesejahr A zitiert, wird der Grund für das Entstehen der ersten gemeindliche Gemeinschaft sein; die gemeindliche Gemeinschaft ist nicht ihre Ursache. Schließlich heißt es kurz nach dieser Predigt:
Als sie das hörten, traf es sie mitten ins Herz und sie sagten zu Petrus und den übrigen Aposteln: Was sollen wir tun, Brüder? Petrus antwortete ihnen: Kehrt um und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung eurer Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen. Denn euch und euren Kindern gilt die Verheißung und all denen in der Ferne, die der Herr, unser Gott, herbeirufen wird. Mit noch vielen anderen Worten beschwor und ermahnte er sie: Lasst euch retten aus diesem verdorbenen Geschlecht! Die nun, die sein Wort annahmen, ließen sich taufen. An diesem Tag wurden ihrer Gemeinschaft etwa dreitausend Menschen hinzugefügt. (Apg 2,37-41)
Die Predigt wirft Fragen auf, für die es Antworten gibt. Auf diese Antworten hin schließen sich viele an. Verkündigung, Antwort auf Fragen und Vollzug – das ist der Weg, wie Gemeinden entstehen, die wieder selbst verkünden sollen. Das scheint aus dem Blick geraten zu sein.
Dass das alles andere als ein akademischer Vorgang ist, wird im Evangelium vom dritten Sonntag der Osterzeit im Lesejahr A deutlich. Dort ereignet sich noch einmal eine Begegnung des Auferstandenen mit einigen seiner Jünger – und das sind sie noch: Jünger, Schüler, die noch lernen müssen. Nach Pfingsten werden sie keine Jünger, sondern Zeugen sein. Aus Schüler sind dann Verkünder geworden. Noch aber müssen sie lernen. Fünf sind es, die am See von Tiberias zusammen sind, also dem See Genezareth: Simon Petrus, Thomas, Natanaël und die beiden Zebedäussöhne. Sie werden wohl in ihren Alltag als Fischer zurückgekehrt sein – und genau das sagt Simon Petrus auch:
Ich gehe fischen. (Joh 21,3)
Die anderen kommen mit. Als erfahrene und ortskundige Fischer wissen sie eigentlich, was sie tun. Sie sind erfahren, sie beherrschen ihr Handwerk. Sie tun, was sie immer tun – nur diesmal erfolglos. Das kann passieren, keine Frage. Nur ist da diese Person, die um Fisch bittet. Wir als Leserinnen und Hörer des Evangeliums wissen, dass es der Auferstandene ist; die Jünger wissen es nicht – noch nicht.
Merkwürdig, dass sie, die erfahrenen Fischer, auf das Geheiß des Unbekannten einfach neu auf den See fahren – und diesmal einen überreichen Fang machen. Das Handwerk ist dasselbe, der Ort, an dem gefischt wird, ist nun ein anderer. Er ist nicht weit weg. Es ist nur die andere Seite des Bootes – mehr nicht …
Verkündigung ist ein Handwerk. Es braucht Taten, die den Worten folgen – und die Neugier auf ungewöhnliche Orte. Die Kirche – sie ist auch in dieser Erzählung immer noch kein Haus, sondern ein Bötchen. Aber es ist das Mittel, mit dem man großen Fang machen kann. Wer jetzt sitzen bleibt und wartet, wird das Beste wohl verpassen. Also hinaus und fischt. Wir brauchen Zeuginnen und Zeugen, die glaubwürdig sind, weil ihren Worten Taten folgen, Handwerker des Evangeliums eben, die auch mit Händen verkünden können!
Dr. Werner Kleine
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
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