Dies Domini – Dreifaltigkeitssonntag, Lesejahr A
Dieser Tage las ich in einer katholischen Verbandszeitschrift den Aufsatz eines emeritierten Pastoraltheologen zur Missbrauchsproblematik, der es sicher herausforderte, sich eingehender damit zu befassen, aber eins sticht doch bei solchen Wortmeldungen regelmäßig heraus: Ganz am Anfang wird betont, wie sehr doch andere an den Pranger zu stellen sind:
„offensichtlich interessiert nur der „katholische Missbrauch“, die Missbrauchsfälle in anderen Institutionen aber (wie zum Beispiel in der evangelischen Kirche oder in weltlichen Internaten – die Odenwaldschule ausgenommen – oder in Sportvereinen oder in Familien – und das vor allem – in Nahbeziehungen) werden nur marginal wahrgenommen, obwohl diese nach den bislang veröffentlichten Zahlen weit über 98 % ausmachen dürften.“
Warum muss das sein? Warum können Kirchenvertreter nicht einfach aushalten, einer Institution anzugehören, der zu Recht vorgeworfen wird, es habe in ihrer Verantwortung tausendfachen Missbrauch gegeben und das Führungspersonal habe jämmerlich versagt und tue es oft immer noch? Wem ist damit geholfen, immer auf andere zu zeigen, wenn es der Haltung christlicher Demut entspräche, die Schuld zu akzeptieren, aufzuklären und soweit wiedergutzumachen wie möglich? Was soll eine Gesellschaft von uns halten, wenn wir – auf frischer Vertuschungstat ertappt – nur rufen: nebenan ist es aber auch nicht in Ordnung? Man fragt sich, warum wir unser sowieso dunkles Bild bei unseren Zeitgenossen nur immer noch mehr verdunkeln müssen. Es ist zum Haareraufen.
Das könnte auch das verbindende Element unserer Lesungen sein, das Haareraufen: Mose verlangt von Gott, uns unsere Schuld und Sünde zu vergeben, denn das Volk ist einfach zum Haareraufen hartnäckig, was man wohl auch mit bockig übersetzen darf. Im Korintherbrief schimpft Paulus mit den zum Haareraufen zerstrittenen Christen, sie mögen doch um Gottes Willen zur Ordnung zurückkehren und Frieden halten. Und das Johannesevangelium macht kurzen Prozess mit den zum Haareraufen Ungläubigen, denn die sind schon gerichtet, weil sie nicht an den Namen des einzigen Sohnes Gottes geglaubt haben. Wie hartherzig kann man nur sein, wenn doch jeder, der an ihn glaubt, ewiges Leben hat.
Damit ist etwas Wichtiges gesagt: man steht oft kopfschüttelnd vor dem Verhalten und Reden unserer Mitmenschen, seien es AfD-Wähler, Putin-Versteher oder Missbrauchsrelativierer. Aber das hilft uns nicht: wir müssen uns ertragen, wenn wir uns nicht verstehen können. Es wäre kaum hilfreich, wenn wir uns gegenseitig die Köpfe einschlügen, weil wir den andern einfach nicht verstehen können. Wir müssen das auch nicht. Aber mit der Geduld des Schöpfers müssen wir immer wieder neu den Kampf mit unserer Unduldsamkeit aufnehmen. Gutes tun, Gutes reden und nicht verzweifeln. Wir müssen zwar damit rechnen, dass es uns so geht wie Gott, der seinen einzigen Sohn hingeben musste für ein hartherziges, hartnäckiges Volk, aber letzten Endes dürfen wir noch auf Ostern hoffen; vielleicht wächst zu unserem Ostern die Einsicht, wenn wir dann die Grenzen unserer Menschnatur hinter uns lassen dürfen.
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
Liebe Katherina, der erste Teil stimmt. Das ständige plärren, das es in anderen Institutionen auch schlecht läuft, ist ein krasser dämlicher Trend. Gilt auch für Stadtverwaltung.
Der zeite Teil ist grenzwertig. Ich muss nichts verstehen, keine AfD-Deppen und auch keine Missbrauchsrelativierer. Da ist klare Abgrenzung nötig.
Der Rat, es fatalistisch und geduldig zu ertragen und auf die Oster-Botschaft, … „wenn wir dann die Grenzen unserer Menschnatur hinter uns lassen …“, also den Tod zu hoffen, ist schon eine arge Zumutung. Sorry.
Ob es beim zweiten Teil allenfalls um die Aussage gehen kann: Ich muss mich als Person von einer extremistischen Meinung klar und argumentativ abgrenzen, aber das die Person, die diese Meinung vertritt nicht – wie es die kath. Kirche in der Geschichte öfters getan hat, – auf dem Scheiterhsufen zu verbrennen.
Ich bin völlig ihrer Meinung, dass man manches nicht verstehen kann, deshalb habe ich das ja auch so geschrieben. Mir ging es lediglich um den Umgang mit dem Nicht-zu-Verstehenden – über das Haareraufen hinaus. Und das ist weit mehr als ertragen und abwarten, nämlich etwas dagegensetzen, etwas Gutes, Durchaus ergänzt durch deutliche Kritik an der Haltung, die ich missbillige. Wenn mein Text also missverständlich ist, dass es mir um stummes ausharren gehen könnte, dann hoffe ich das hiermit aufgeklärt zu haben.