Jede Zeit kennt ihre eigenen Herausforderungen. Die gegenwärtigen liegen im wahrsten Sinn des Wortes auf der Straße. Das Klima ändert sich – in jeder Hinsicht. Viel Kohlendioxid in der Atmosphäre führt zu dem altbekannten Treibhauseffekt und die Erde erwärmt sich. Das ist in der Erdgeschichte an sich nichts Neues. Neu ist, dass sich die Erwärmung innerhalb weniger Jahrzehnte ereignet. Neu ist auch, dass der Mensch die Erwärmung durch seine Art zu leben, wohl mitverursacht hat – sonst wäre die rasante Erwärmung kaum zu erklären. Vor allem aber ist neu, dass die Menschheit von den klimatischen Veränderungen in bisher kaum bekannter Weise betroffen ist. Kann es da noch Hoffnung geben? Was glauben Sie denn?
Die Menschheitsgeschichte ist geprägt von klimatischen Veränderungen. Nicht selten haben sie zu Wanderungsbewegungen geführt. Große Dürren, sintflutartige Niederschläge, aber auch unwirtliche Kältephasen haben die Menschen genötigt, sich neue Lebensräume zu suchen. Das wird auch jetzt wieder so sein! Wenn durch die globalen Klimaveränderungen ganze Klimazonen unbewohnbar werden, werden sich die Menschen auf den Weg machen und nach neuen Räumen, in denen Leben möglich ist, suchen. Das hat den Menschen in der Geschichte überleben lassen: Seine Fexibilität!
Hier aber ändert sich das soziale Klima. Man klebt sich fest – für das Klima! Tatsächlich hat auch die selbst ernannte „Letzte Generation“ wohl noch nicht alle Hoffnung auf ein Überleben aufgegeben; schließlich klebt man am Boden, um so für ein Tempolimit und die Einführung des 9-Euro-Tickets zu demonstrieren. Das sind sicher ehrenwerte Ziele. Wahrscheinlich ahnen das die Sitzenbleiber selbst, dass das nicht reichen wird. Man verursacht nur mehr von dem, was man eigentlich verhindern will: Staus. Das mag manchem als Kritik durch Affirmation erscheinen, ist aber von der kritisch-affirmativen Praxis Bazon Brocks doch entfernt, der von einer „Revolution des Ja“ spricht. Das ist ein feiner Unterschied! Nicht Unbeweglichkeit schafft Kultur, sondern Beweglichkeit. Kurz: Der Mensch muss die Gesetze der Natur nutzen, um sie lebensfreundlich zu gestalten.
Affirmatives Fixieren bringt aber keine wirkliche Bewegung in die Verhältnisse. Echtes politisches Engagement, Forschung und Streben nach Verstehen der komplexen Zusammenhänge klimatischer Prozesse, das kommunikative Bemühen, auch die Menschen mitzunehmen, die an ihren Gewohnheiten hängen, erscheinen mühsam, sind aber wohl der einzige Weg, zu retten, was noch zu retten ist. Irgendwann werden auch die Behäbigsten der an ihren Gewohnheiten hängenden Zeitgenossen ahnen, was der Psalmist meint, als er betet:
„Im sicheren Glück dachte ich einst: Ich werde niemals wanken.“ (Psalm 30,7)
Wenn die Menschheit eines nicht allzu fernen Tages in Bewegung gerät, werden sie auch seine Klage verstehen, ja, vielleicht sogar mitbeten:
„Du hast dein Gesicht verborgen, da bin ich erschrocken.“ (Psalm 30,8)
Aber soweit muss es nicht kommen, wenn der Mensch sich darauf besinnt, was er ist: der für diese Welt verantwortliche Gestalter – ob er nun für Glaubende von Gott als Ebenbild eingesetzt, oder für Nichtglaubende durch einen unwahrscheinlichen Zufall der Evolution dazu verdammt ist. So oder so muss er sich seines Verstandes bedienen, die Gesetze der Natur zu verstehen suchen und sein Verhalten ändern. Änderung geschieht durch das Nutzen der Gesetze der Natur. Steht also auf, macht eure Arbeit, forscht, entscheidet, handelt. Es gibt genug Anlass zur Hoffnung, dass sich auch die Kinder unserer Kinder an der Schöpfung erfreuen können. Dafür lohnt es sich, von den Straßen aufzustehen und Probleme statt Hände zu lösen. Die Menschheit hat schon so vieles geschafft. Wir werden es auch jetzt schaffen! Nur darf uns Hoffnungslosigkeit nicht lähmen. Verliert die Hoffnung nicht!
Dr. Werner Kleine
Erstveröffentlicht in der Westdeutschen Zeitung vom 10. Juni 2023.
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
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