Dies domini – 22. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A
Blickt man mit einiger Objektivität auf das politische Leben Helmut Kohls, wird man nicht umhinkommen, große Leistungen zu erkennen: sein Wirken für das Zusammenwachsen Europas macht ihn zu einem großen Europäer, sein maßgeblicher Beitrag zur Wiedervereinigung zu einem bedeutenden Deutschen. Daneben wird man auch tiefe Schattenseiten wahrnehmen. Sein hemdsärmeliges Verhältnis zum „do ut des“ gehört dazu, ebenso wie sein Verhalten in der „Spenden-Affäre“, wo ein freimütiges Schuldeingeständnis die Union wie auch ihn selbst vor Ansehensverlust in diesem Maße hätte bewahren können.
Auch bei Johannes Paul II stehen unbestreitbare Verdienste um den weitgehend unblutigen Fall des eisernen Vorhangs neben verhängnisvollen Fehlentwicklungen, in denen sich die römische Kirche von der Lebenswirklichkeit der Menschen hierzulande offenbar unwiederbringlich abgekoppelt hat, begleitet von fatalen Personalentscheidungen bei Bischöfen bis zu Fehlverhalten in Missbrauchsangelegenheiten.
Man könnte diese Liste litaneiartig fortsetzen, an Msgr. Pilz mit Laudato Si und seinem Hang zu jungen (und von ihm abhängigen) Männern denken oder an Papst Franziskus, der zwar das Klima in der Kirche verbessert hat, aber mit seinen jüngsten Ausführungen zum Überfall Russlands auf die Ukraine nicht nur von der falschen Seite Applaus bekommt, sondern auch Menschen verletzt, die Zuspruch und Ermutigung bräuchten, um auch unsere Menschenrechte und Freiheit zu verteidigen. Im Großen wie im Kleinen: krasse Kontraste in einer Person.
Erinnern wir uns an die letzten Schriftlesungen zu Petrus: mal fällt er als Kleingläubiger ins Wasser, mal ist sein Glaube das Fundament der Kirche. Heute ist es besonders heftig:
„Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: tritt hinter mich, du Satan! Ein Ärgernis bist du mir, denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.“ (Mt 16,32)
Mehr Verwünschung geht ja kaum. Wie bindet man das zusammen, die großen Fehler, die große Verantwortung. Warum betraut Jesus ausgerechnet den kleingläubigen Petrus, der will, was Menschen wollen statt was Gott will, mit fundamentalen Aufgaben für die Kirche?
Ich befürchte, dass wir auch in dieser Frage an einer Grenze unserer Vernunft angekommen sind, die nicht ohne weiteres zu überwinden ist. Sicherlich ist biblisch manches exegetisch aufzulösen, weil die Texte in unterschiedliche Gemeindesituationen hineingesprochen sind. Sicher ist auch vieles mit der Fehlerhaftigkeit des Menschen erklärbar und bisweilen mit seiner Hybris, die erfolgreiche Persönlichkeiten meinen lässt, für sie gälten manche Regeln nicht. Aber es bleibt doch immer ein unauflösbarer Rest, der nicht mit Schiller erklärt werden kann
(„von der Parteien Gunst und Hass verwirrt, schwankt sein (Wallensteins) Charakterbild in der Geschichte“)
und auch nicht mit der These einer früheren Nachbarin, die angesichts mancherlei Absonderlichkeiten ihrer Mitmenschen annahm, dass sich Gott offenbar gelegentlich auch verschöpft. Mit dieser Unvollkommenheit der Welt werden wir leben müssen, ohne sie im Letzten zu verstehen, und uns eine Haltung der Geduld angewöhnen, die sich immerhin als Abbild der Geduld Gottes mit seiner Schöpfung verstehen darf.
„Gib mir die Gelassenheit, die Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und Weisheit, um den Unterschied zwischen beidem zu erkennen.“ (Nach Reinhold Niebuhr)
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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