Dies Domini – Fest der Heiligen Familie, Lesejahr B
Es ist schon eine bemerkenswerte Burleske, die sich seit dem 18. Dezember 2023 in der römisch-katholischen Kirche ereignet. Kein Dogma wurde verkündet, keine Enzyklika promulgiert, kein Motu proprio erlassen – der Papst hat lediglich eine Erklärung abgesegnet, die der Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre, Víctor Manuel Kardinal Fernández zusammen mit dem Sekretär für die doktrinäre Sektion, Msgr. Armando Matteo vorgelegt hat. „Fiducia supplicans“ – also „das flehende Vertrauen“ sind die ersten Worte dieser Erklärung, der zur interpretativen Absicherung eine einleitende „Präsentation“ vorangestellt ist, die sicherheitshalber klarstellt, dass sie
„fest bei der überlieferten Lehre der Kirche über die Ehe stehen [bleibt] und (…) keine Art von liturgischem Ritus oder diesem ähnliche Segnungen zu[lässt], die Verwirrung stiften könnten.“ (Fiducia supplicans, Präsentation)
Denn genau darum geht es in der Erklärung: Um den Segen von Paaren, die aus Sicht der Erklärer „irregulär“ sind, also gleichgeschlechtlichen Verbindungen oder Partnerschaften, die nicht durch das Sakrament der Ehe geregelt sind – dazu gehören auch wiederverheiratet Geschiedene.
Eigentlich ist nach der einleitenden Präsentation schon alles klar: Es ändert sich prinzipiell nichts. Wohl wird in Einzelfällen unter besonderen Gegebenheiten, die auf keinen Fall liturgisch kontextualisiert sein dürfen, die pastorale Möglichkeit eingeräumt, die von der Erklärung so betitulierten „irregulären“ Paare zu segnen, wobei auf keinen Fall der „irreguläre“ Status der Partnerschaft offiziell bestätigt werden darf. Deshalb dürfen solche Segnungen eigentlich nur spontan und formlos erfolgen. Ein formalisierter Ritus ist nicht nur nicht vorgesehen, sondern wird abgelehnt. Welche Paare in „irregulären“ Situationen (die abwertende Qualifizierung „irregulär“ wird auch durch Wiederholung nicht besser …) sind denn damit zufrieden?
0 Kommentare
Dies Domini – Dritter Adventssonntag, Lesejahr B
Darf ich Sie heute einmal bitten, mit mir auf eine Reise zu gehen? Nicht weit, nicht tausende Kilometer, nur ein paar Jahrzehnte zurück. Lehnen Sie sich einmal zurück und stellen Sie sich vor, kurz vor der Christmette sagen wir, 1858 in Paris zu sein. Kein Internet, kein Privatfernsehen, nicht einmal öffentlich-rechtliches. Kein Telefon, eigentlich auch noch keine richtigen Tageszeitungen. Das war vor etwa 150 Jahren. So etwa vor fünf Generationen, also zur Zeit Ihrer Urur-Großeltern. Nicht so riesig weit weg.
Sie wussten, was in der Kirche sein würde, wenn Sie sie zur Weihnachtszeit besuchen würden, wie man das halt so tat. Ein Weihnachtsoratorium würde aufgeführt werden, das der neue Organist von La Madeleine komponiert hatte. Sie hatten nun kein spotify, um sich bei andern zu informieren, was das wohl sei, ein „Oratorium“. Bach? Sowieso vergessen. Naja, Musik halt, wird schon vorbeigehen.
0 Kommentare
Kann man Weihnachten falsch feiern? Diese Frage liegt jedenfalls nahe, wenn man die jährlich wiederkehrenden Ratschläge liest, die ein friedvolles Weihnachtsfest bescheren sollen. Offenkundig wird Weihnachten vieles falsch gemacht, dass es solcher Hinweise bedarf. So ein Weihnachtsfest scheint tatsächlich kompliziert zu sein, dass es einer Anleitung bedarf. Was glauben Sie denn?
Auch die Kirchen weisen alle Jahre wieder darauf hin, wie man gefälligst „richtig“ Weihnachten feiert. Das fängt schon im Advent an. Der sollte still sein und der Einkehr dienen. Schon gar nicht sollte man durch die Innenstädte eilen, um Geschenke zu kaufen. Die Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes ist schon eine teuflische Sache … Wenn man schon eilt, dann bestenfalls zur Krippe …
Das Weihnachtsfest ist bedeutungs- und erwartungsvoll aufgeladen. Es ist ein Fest mit hoher Fallhöhe. Allerdings stellt sich die Frage, wer eigentlich definiert, wie man richtig Weihnachten feiert. Im Zeitalter der Internets, in der viele Innenstädte – auch die Wuppertals – nach einer neuen Identität suchen, ist das mit der vermeintlichen Hetzerei so eine Sache. Eher stehen die Leute an Glühweinständen und genießen die vorweihnachtliche Atmosphäre. Auch was den Kauf von Geschenken angeht, ist Konsumkritik doch ein wenig wohlfeil. Kann man sich Weihnachten wirklich ohne Geschenke vorstellen? Selbst der religionskritischste Atheist wird seinen Liebsten am Heiligen Abend ein Präsent überreichen. Alles andere wäre dann doch zu gnadenlos. Auch die Sache mit der adventlichen Stille wird wohl eher überschätzt. Biblisch ist sie jedenfalls nicht. Im Lukasevangelium (vgl. Lk 1,39-56) etwa eilt (!) Maria vor der Geburt Jesu ins judäische Bergland zu ihrer Cousine Elisabeth, die sie überschwänglich begrüßt, während Maria jubelnd antwortet, dass die Zeit kommt, in der Gott die Mächtigen vom Thron stößt, um die Niedrigen zu erhöhen. In der ersten Weihnacht jubeln ganze Engelchöre. Nichts gegen Stille – die kann sehr erholsam sein – aber still und ruhig war sie nicht, die Heilige Nacht in Bethlehem.
0 Kommentare
Dies Domini – 1. Adventssonntag, Lesejahr B
Der Mensch liebt es einfach. Komplexität fordert ihn heraus, wenn sie ihn nicht sogar überfordert. Deshalb strebt er entweder danach, komplexe Situationen auf einfache Denkmuster zu reduzieren oder er delegiert die Lösungskompetenz direkt an höhere Mächte. In Ermangelung tatsächlicher höherer Mächte wird dann auch schon einmal der Ruf nach starken Führerfiguren laut. Nicht dass die gegenwärtigen Herausforderungen zwischen den Herausforderungen des Klimawandels, der Erfahrung einer globalen Pandemie und dem Zerbrechen der Illusion eines Lebens in Frieden und Sicherheit durch den Angriff Russlands auf die Ukraine und den durch den Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 erneut aufgeflammte Konflikt im Nahen Osten die ersten menschheitsgeschichtlichen Kontingenzerfahrungen, als dem Erleben der Zufälligkeit und Nichtnotwendigkeit der eigenen Existenz, wären; für viele Menschen im wohlstandsverwöhnten Mittel- und Westeuropa scheint die Welt allerdings im wahrsten Sinn des Wortes verrückt worden zu sein. Woher also kommt Hilfe?
0 Kommentare