Die Bewegung ist gescheitert. Was so hoffnungsvoll ein gutes Jahr zuvor in Galiläa im Frühling begann, findet sein brutales Ende. Noch einen Abend zuvor hoffte man, das angekündigte Reich Gottes würde nun endlich anbrechen. Man war vorbereitet. Einige waren sogar bereit, mit Waffengewalt für das Reich Gottes zu streiten. Der aber, auf den sie all ihre Hoffnung gesetzt hatten, lies sich widerstandlos festnehmen und kreuzigen, als hätte man ein Opferlamm zur Schlachtbank beführt. Man macht sich heute keinen Begriff davon, wie brutal der Tod am Kreuz war. Geißelung, auch sexuelle Demütigung gehörten zum sadistischen Vorspiel, das manche Delinquenten schon nicht überlebten. Ans Kreuz genagelt konnte sich der Tod über Tage hinziehen, bis sein Eintreten Erlösung bedeutete. Kein Römer durfte am Kreuz sterben; diese entwürdigende Tötungsart war Sklaven und Provinzialen vorbehalten. Die Brutalität, die den Menschen damals vor Augen stand, konnte nur bedeuten, dass die, die so starben, unabhängig von Schuld oder Unschuld, von Gott verlassen, ja verflucht sein mussten. Und so heißt es folgerichtig in der Thora:
„Ein (am Pfahl) Gehenkter ist ein von Gott Verfluchter.“ (Dtn 21,23)
Die Jünger Jesu erlebten den Kreuzestod Jesu als totales Scheitern. Mit seinem Tod war auch ihre Bewegung gescheitert. Da half eben nur rennen, retten, flüchten. Alles war aus. Alles ist aus. Was glauben Sie denn?
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Dies Domini – Palmsonntag, Lesejahr B
An und für sich ist der Mensch von anpassungsfähigem Wesen. Er hätte sonst in längst vergangenen Zeiten kaum überleben können. Jäger und Sammler mussten den Herden hinterherziehen oder neue Gebiete suchen, deren Nahrungsangebot das Überleben sicherten, wenn Klimawechsel, Naturkatastrophen oder andere Gründe ihn dazu zwangen. Der frühe Mensch hat es aufgrund dieser Wesenseigenschaft der Flexibilität zu überleben. Das änderte sich, als er sesshaft wurde. Jetzt hatte er Haus und Grund, das nicht nur verteidigt werden musste. Auch die Flexibilität ging verloren. Weidegründe konnte man neue suchen. Bestellte Äcker und Schollen hingegen waren und sind immobil. Die nomadische Existenz muss stets offen sein für Neues; immobil Sesshafte hingegen beschwören gerne eine Hermeneutik der Kontinuität oder – etwas vorsichtiger – eine Hermeneutik der Reform in der Koninuität, die suggeriert es sei alles immer schon so gewesen, wie es ist und wie es weiter sein muss. Man kann das verstehen. Man baut halt nicht alles Tage ein neues Haus für sich und die seinen. Selbst kleine Häuser sind kleine Paläste. Merkwürdig aber wird es, wenn führende Vertreter eine Kirche, die sich seit Augustinus selbst gerne als wanderndes Volk Gottes definiert, denen, die als Späher und Pfadfinderinnen neue Wege suchen, das Wort Gottes in neuen Zeiten zu verkünden, in einer Weise von der Hermeneutik der Kontinuität reden, die die Wanderschuhe in Beton einzementiert.
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Dies domini – Vierter Fastensonntag, Lesejahr B
Nein, verehrte Mitchristen, den billigen Scherz mit dem Sonntag „Laetare“ und dem Führungspersonal unserer heiligen Mutter Kirche mache ich nicht. Dafür ist die Sache mit der Freude mitten in der Fastenzeit zu ernst. Was bedeutet das im Epheserbrief, den wir heute hören:
„Gott, der reich ist an Erbarmen, hat uns, die wir infolge unserer Sünden tot waren, in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, zusammen mit Christus lebendig gemacht.“ (Eph 2,4f)
Was heißt das, wenn wir es in unsere Zeit übersetzen wollen, wenn wir versuchen, etwas Gleichzeitigkeit herzustellen zwischen der Lebenswirklichkeit der Apostelzeit und uns heute? Fühlen Sie sich angesprochen, wenn es heißt, Sie seien wegen Ihrer Sünden tot? Dauernd führt die Kirche solche Formulierungen im Mund, da muss man schon wegen der linguistischen Fallhöhe lachen, wenn man die Überlegungen von Bischof Bätzing zum synodalen Weg danebenlegt. Unsere Riten und (nicht nur) liturgischen Gewohnheiten haben sich so weit von unserem Alltag entfernt, dass man bald gar nicht mehr über den Graben dazwischen gucken kann, geschweige springen. Natürlich gilt das für das Auftreten unserer Hierarchen ebenso wie für die – meisten – Predigten unserer pastoralen Kräfte. Es ist, glaube ich, gar nicht in erster Linie das Problem unserer unzeitgemäßen Strukturen, sondern unsere Unfähigkeit, die Botschaft Jesu vom angebrochenen aber noch nicht voll verwirklichten Gottesreich den Zeitgenossen zu übersetzen. Was nützt es uns, dem Nachbarn von seiner Erlösung zu berichten, wenn der gar nicht weiß, wovon? Und wozu? Die wirklich wichtigen Fragen beantworten wir natürlich sowieso nicht. Was soll das mit der Klimakrise? Warum Krieg? Was soll das mit Putin? Und bei den kleinen Alltagsfragen – warum ich? Was sollen diese Alltagsbeschwerden? Warum Gletscherschmelze, Hamasterror bei den anderen und bei uns GDL-Streik – streiken wir genauso, weil uns nichts Gescheites einfällt.
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Es geschah wahrscheinlich in den Weiten afrikanischer Savannen: die Vorfahren des Menschen richteten sich auf. So konnte man nicht nur Feinde schneller erspähen; auch bedeutete das Freiwerden der Vorderläufe, dass man mit den Händen nun die Herausforderungen des Lebens anpacken zu können. Dieser evolutionäre Fortschritt war entscheidend für jene Entwicklung, an deren vorläufigem evolutionären Höhepunkt heute die menschliche Spezies vor der Aufgabe steht, die lang errungene Aufrichtigkeit nicht selbstverschuldet zu verlieren.
Mittlerweile hat der Mensch die Natur bezwungen und kultiviert. Nun denkt er, zivilisiert zu sein. Dass das eine große Selbsttäuschung ist, zeigen nicht nur die verheerenden Kriege des 20. Jahrhunderts. Auch die Gegenwart ist von eine todbringenden Chaos von Kriegen gekennzeichnet: Der brutale Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, der wohl nur durch großimperiale Fantasien eines menschenverachtenden Diktators entspringt, oder der nach einem menschenverachtenden, von sadistischer Brutalität kaum zu überbietenden Angriff der Hamas auf Menschen im Süden Israels neu entflammte Krieg in Gaza oder den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Aserbaidschan und Armenien oder die vielen anderen todbringenden Konflikte, die nie dem Leben dienen. Auf allen Seiten sterben Menschen einen unverdienten Tod, weil Diener einer Kultur des Todes ihre eigene Ideologie selbstherrlich zur alleinigen Norm erheben.
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