Dies domini – Vierter Fastensonntag, Lesejahr B
Nein, verehrte Mitchristen, den billigen Scherz mit dem Sonntag „Laetare“ und dem Führungspersonal unserer heiligen Mutter Kirche mache ich nicht. Dafür ist die Sache mit der Freude mitten in der Fastenzeit zu ernst. Was bedeutet das im Epheserbrief, den wir heute hören:
„Gott, der reich ist an Erbarmen, hat uns, die wir infolge unserer Sünden tot waren, in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, zusammen mit Christus lebendig gemacht.“ (Eph 2,4f)
Was heißt das, wenn wir es in unsere Zeit übersetzen wollen, wenn wir versuchen, etwas Gleichzeitigkeit herzustellen zwischen der Lebenswirklichkeit der Apostelzeit und uns heute? Fühlen Sie sich angesprochen, wenn es heißt, Sie seien wegen Ihrer Sünden tot? Dauernd führt die Kirche solche Formulierungen im Mund, da muss man schon wegen der linguistischen Fallhöhe lachen, wenn man die Überlegungen von Bischof Bätzing zum synodalen Weg danebenlegt. Unsere Riten und (nicht nur) liturgischen Gewohnheiten haben sich so weit von unserem Alltag entfernt, dass man bald gar nicht mehr über den Graben dazwischen gucken kann, geschweige springen. Natürlich gilt das für das Auftreten unserer Hierarchen ebenso wie für die – meisten – Predigten unserer pastoralen Kräfte. Es ist, glaube ich, gar nicht in erster Linie das Problem unserer unzeitgemäßen Strukturen, sondern unsere Unfähigkeit, die Botschaft Jesu vom angebrochenen aber noch nicht voll verwirklichten Gottesreich den Zeitgenossen zu übersetzen. Was nützt es uns, dem Nachbarn von seiner Erlösung zu berichten, wenn der gar nicht weiß, wovon? Und wozu? Die wirklich wichtigen Fragen beantworten wir natürlich sowieso nicht. Was soll das mit der Klimakrise? Warum Krieg? Was soll das mit Putin? Und bei den kleinen Alltagsfragen – warum ich? Was sollen diese Alltagsbeschwerden? Warum Gletscherschmelze, Hamasterror bei den anderen und bei uns GDL-Streik – streiken wir genauso, weil uns nichts Gescheites einfällt.
Dabei ist die Aufgabe der Religion Kontingenzbewältigung – Hilfe bei dem Zurechtkommen mit dem Zufälligen, dem Schicksalhaften in unserem banalen Alltag, der aber eben unsere Welt ist. Wir werden dieser Aufgabe nicht gerecht, deshalb laufen uns die Leute in Scharen davon. Das ist das Schisma, vor dem sich die Oberen fürchten sollten: nach wir vor Hundertausende, die jährlich unserer Kirche den Rücken kehren, weil wir überflüssig geworden sind. Wenn wir weitermachen wie bisher, sind wir in zehn Jahren auf dem zahlenmäßigen Niveau der Heiligen der letzten Tage. Aber das ist doch eine fürchterliche Perspektive für Leute, die einmal mit dem Kölner Dom den Himmel stürmen wollten: reden wir doch lieber mit den Menschen unserer Tage mit den Worten unserer Erfahrungswelt. Dass wir heute weder die Gottesbeweise des Anselm von Canterbury für zielführend halten noch die Erbsündenlehre, weil wir sonst nicht wissen, wie wir den allgütigen Schöpfer mit der durchaus nicht aus unserem Verschulden mangelhaften Schöpfung in Einklang bringen könnten. Wir wissen es nicht. Wir können die wesentlichen Fragen einfach nicht beantworten und wir wissen auch nicht, warum nicht. Aber wir glauben und vertrauen, dass der, der es auch nicht gewusst hat, warum sein Vater ihn in das letzten Elend des Karfreitags hat gehen lassen, der letzte und erste Beweis der göttlichen Zuneigung zu uns ist.
„Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“ (Joh 3,17)
Wir müssen uns in die Ungewissheit wagen, was soll schon schiefgehen, wenn er bei uns ist? Und: was wäre die Alternative?
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
Halo Frau Nowak,
danke für Ihren Impuls. Sich in die Ungewissheit wagen – eine Anregung, die mich in der kommenden Woche zu denken gibt.
Ihnen alles Gute. Frohe Grüsse vom Bodensee.
Erich Häring