Dies Domini – Zweiter Sonntag nach Weihanchten, Lesjahr C
Die Welt scheint aus den Fugen geraten. Selbst dort, wo die Demokratie das Volk als eigentlichen Souverän vorsieht, scheint es die Sehnsucht nach dem starken Führer zu geben, der die Einzelnen von der Last der Verantwortung für das eigenen Leben befreit. Zwar werden selten realistische Lösungen angeboten; dafür werden tief liegende Emotionen angesprochen. Die Weisheit bleibt auf der Strecke, wenn Clowns die Macht übernehmen. Weise Politikerinnen und Politiker regieren mit ruhiger Hand, verzichten auf persönliche Angriffe und tun – mit weiser Voraussicht – das bisweilen unpopulär Notwendige. Die Clowns hingegen recken lustvoll Fäuste in die Höhe, springen auf der Bühne herum und nutzen jede Gelegenheit, sich über den politischen Gegner lustig zu machen. Wozu Politik treiben, wenn die Sucht nach Unterhaltung groß ist. Der Clown wird auch dann noch lachen, wenn die Welt dem Abgrund entgegengeht. The Show must go on!
Regieren ist zweifelsohne nicht vergnügungssteuerpflichtig. Die Demokratie lebt vom konstruktiven Streit um die Sache. Ad rem, non ad personam! Die Würde der Streitenden ist unantastbar; die Sache hingegen verdient die harte Auseinandersetzung – um jener Wahrheit willen, die sich immer schon dem Zugriff Einzelner entzog, die sich ihrer bemächtigen wollten. Die Demokratie braucht deshalb das Korrektiv der Opposition. Diese Korrektiv gab es selbst in vordemokratischen Zeiten – in Form des Narren. Der Narr ist kein Clown. Der Narr ist ein Freund der Wahrheit, die er im Narrengewand den Herrschenden offen ins Angesicht sagen musste. Die Herrschenden mögen sich amüsiert haben. Oft genug aber dürfte Ihnen das Lachen im Hals stecken geblieben sein, wenn sie in den Spiegel der Narren schauten. Das Narrengewand schützte die Verkünder der Wahrheit. Es bildete jene zweite Ebene ab, die dem Clown fehlt. Nicht ohne Grund findet sich selbst im Neuen Testament in 2 Kor 11,16-12,13 eine große Narrenrede des Paulus, der der korinthischen Gemeinde im Streit den Spiegel vorhält. Weil er die Gefahr vorhersieht, dass man ihm Eitelkeit vorwerfen könne, wählt er die Narrenrede. Der Narr spricht intelligent auf zwei Ebenen. Er entfaltet gewollte Double Binds – kommunikative Doppelbindungen –, die sich den Zuhörenden erschließen. Auch wenn er durch die Maske des Narren spricht, tritt die Wahrheit offen zutage. Die Rede des Narren kann deshalb in der Sache weh tun, wo die Clowns persönlich verletzen.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Narren und dem Clown ist die Liebe zu jener Weisheit, von der in der ersten Lesung vom zweiten Sonntag nach Weihnachten im Lesejahr C die Rede ist:
„Die Weisheit lobt sich selbst und inmitten ihres Volkes rühmt sie sich. In der Versammlung des Höchsten öffnet sie ihren Mund und in Gegenwart seiner Macht rühmt sie sich.“ (Sir 24,1f)
Leider lässt die ersten Lesung die folgenden Verse, die die eigentliche Herkunft der Weisheit beschreiben aus:
„Ich ging aus dem Mund des Höchsten hervor und wie Nebel umhüllte ich die Erde. Ich schlug in den Höhen mein Zelt auf und mein Thron stand auf einer Wolkensäule. Den Kreis des Himmels umschritt ich allein und in der Tiefe der Abgründe ging ich umher. Auf den Wogen des Meeres und auf der ganzen Erde, in jedem Volk und in jeder Nation hatte ich Besitz. Bei all diesen suchte ich Ruhe und in wessen Erbteil ich verweilen kann.“ (Sir 24,3-7)
Hier wird deutlich, dass die Weisheit ihren Ursprung in Gott hat. Sie begleitet ihn, geht aus ihm hervor und umhüllte einst die Erde. Sie ist, wenn man so will, der Geruch des Schöpfers. Sie hat Anteil an seiner Ewigkeit. Deshalb kann sie nicht vergehen:
„Vor der Ewigkeit, von Anfang an, hat er mich erschaffen und bis in Ewigkeit vergehe ich nicht.“ (Sir 24,9)
Sie lebt aber davon, dass man sie hört. Wer die Ohren vor ihrer Weisung verschließt, wird sie verlieren. Die Herrlichkeit Gottes ist ewig, die Herrlichkeit der Welt hingegen vergänglich. Wo der Narr die Weisheit verkündet, verlacht sie der Clown. Die Weisheitssuchenden erwartet Ruhe und Wachstum, wie es in der ersten Lesung heißt:
„Im heiligen Zelt diente ich vor ihm, so wurde ich auf dem Zion fest eingesetzt. In der Stadt, die er ebenso geliebt hat, ließ er mich Ruhe finden, in Jerusalem ist mein Machtbereich, ich schlug Wurzeln in einem ruhmreichen Volk, im Anteil des Herrn, seines Erbteils.“ (Sir 24,10-12)
Wo der Weisheit für den schnellen Kick hingegen die kalte Schulter gezeigt wird, wird sie sich zurückziehen. Politik mag dann mölicherweise unterhaltsam sein – gelacht wird freilich auf Kosten der Schwachen.
Wenn die Clowns in die Paläste einziehen, werden die Hohen Häuser zum Zirkus. Mehr nicht! Wo sind die Weisen, die Einhalt gebieten. Oder gilt nun das Wort Gandalfs des Grauen: Flieht ihr Narren? Das möge Gott verhüten!
Dr. Werner Kleine
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
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