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kath 2:30 Dies DominiDie Debatte um den sexuellen Missbrauch offenbart ein ekklesiologisches Grundproblem

Kaum ein Tag vergeht seit Anfang des Jahres, an dem nicht über sexuellen Missbrauch, der von kirchlichen Amtsträgern begangen wurde, gesprochen wird. Ein neuer Höhepunkt wurde in der Karwoche, speziell an den Kar- und Ostertagen erreicht. Die Medien überschlugen sich mit Meldungen, welcher Bischof in seiner Karfreitags- oder Osterpredigt zum sexuellen Missbrauch Stellung bezogen hat und wer nicht, welcher kirchliche Würdenträger sich entschuldigt habe und wer nicht und dass der Papst zu allem wieder geschwiegen hätte.

Allein diese Berichterstattung zeigt, wie brennend das Thema im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert ist. Die Menschen sind irritiert – auch und vor allem die Katholiken. Was nicht für möglich gehalten wurde, ist Gewissheit geworden: Priester haben Kinder missbraucht. Manche der Fälle, die jetzt bekannt werden, liegen Jahrzehnte zurück, manche sind aber noch aktuell.

Ich gestehe ein, dass es für  kirchliche Würdenträger schwierig ist, sich diesem Thema zu stellen. Das, was nicht sein durfte, ist geschehen. Die Öffentlichkeit verlangt nach einer Reaktion. Und diese Reaktion ist notwendig. Das Vertuschen und Verschweigen ist allzu lang praktiziert worden. Auf keinen Fall darf das Problem deshalb ausgesessen werden.

Vale lacrimarum

Verwundert bin ich aber über die Art und Weise der Reaktion – und das in mehrfacher Hinsicht:

Waren die Liturgien des Triduum Paschale wirklich der richtige Ort, an dem auch einfache Priester sich genötigt sehen, zu dem Thema des sexuellen Missbrauchs Stellung zu nehmen? Am Gründonnerstag, der als Tag der Einsetzung des Abendmahls in einem besonderen Bezug zum Priesteramt steht, geriet manche Predigt zu einer Rechtfertigung des Priesteramtes. Das aber ist als solches gar nicht umstritten. Diskutiert wird die Ausgestaltung dieses Amtes.
Am Karfreitag ist dann die Sühne das Hauptthema. Was scheinbar gut zur aktuellen Problematik passt, wird schief, wenn man die Sühnetheologie nicht konsequent reflektiert (siehe hierzu etwa das Interview mit Prof. Dr. Söding in unserem Videopodcast – Episode 8). Manches, was zu hören war, bleibt formel- und floskelhaft. Dazu gehört dann auch, dass die Kirche Sühne zu leisten hat für die Fehltritte ihrer Amtsträger. Die Kirche – ein Tal der Tränen.

Und so ging es teilweise auch in der Osternacht weiter. Kaum eine Predigt, in der nicht wenigstens in einem Nebensatz auf die Missbrauchsdiskussion eingegangen wurde. Der Tenor erscheint mir dabei zweigeteilt: Entweder wird eine Entschuldigung der Kirche mit dem Hinweis auf ihre Bußfertigkeit vorgebracht, wobei Besserung gelobt wird; oder man redet das Problem klein – so etwa Kardinal Sodano, der in seiner Osterpredigt auf dem Petersplatz von „unbedeutendem Geschwätz unserer Tage“ spricht (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 4.4.2010).

Excusatio anonymus

Theo Hipp merkt in seinem Kath.de- Wochenkommentar vom 2.4.2010 zu Recht an, dass es vor allem zwei populäre Mechanismen gibt, mit Schuld umzugehen: Anonymisierung, Überhöhung und – so meine ich muss noch hinzugefügt werden – die Verleugnung, wozu auch die Minimierung der Schuld gehört. Letztere begegnet in der jüngeren Vergangenheit zunehmend – auch und gerade in Leserbriefen katholischer Printmedien. So war in einem Leserbrief der Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln vom 2.4.2010 zu lesen:

Jetzt reicht es! Jetzt ist es genug! Viele Medien haben jetzt das Thema gefunden, auf welches sie sich gemeinsam einschießen können. (…) Wer schützt denn unsere Priester und Ordensleute? Ein Flächenbrand gegen diesen Personenkreis ist entfacht.

Bei aller Berechtigung der Anfrage nach einer differenzierten Berichterstattung in den Medien scheint mir diese Wahrnehmung doch allzu einseitig. Ich persönlich kann nicht sehen, dass Priester weil sie Priester sind schon grundsätzlich angefragt sind. Im Gegenteil: Die Kontakte sind in der Regel fair und ausgewogen, wie etwa das Interview, dass die WZ Wuppertal mit dem Wuppertaler Stadtdechanten Dr. Bruno Kurth geführt hat (siehe WZ vom 24.3.2010).

Nostra culpa?

Neben der Minimierung der Schuld sind aber gegenwärtig vor allem Anonymisierung und Überhöhung zu beobachten. Und hier liegen weitere Gründe meiner Verwunderung:

1. Worum geht es Kardinälen, Bischöfen und Priestern bei ihren Entschuldigungen? Niemand kann sich selbst entschuldigen. Entschuldigen können nur die Opfer. Man kann um Entschuldigung bitten, mehr nicht. Und das kann eigentlich nur der Täter selbst. Die sich hier abzeichnende Anonymisierung wird noch deutlicher, wenn Kardinäle, Bischöfe und Priester

2.  die Kirche als Subjekt der Entschuldigung anführen, oft bei einer gleichzeitigen Überhöhung der Schuld – wie in nicht wenigen Karfreitagspredigten zu hören war.

Die Kirche? Ich gehöre als getaufter und gefirmter Katholik auch zur Kirche und ich stehe zu ihr. Ich bin stolz und überzeugt, Katholik zu sein. Ich habe weder missbraucht, noch habe ich Missbrauch verschwiegen – im Gegenteil. Als Teil der Kirche sehe überhaupt nicht ein, warum sich die Kirche entschuldigen muss. Die Kirche ist auch keine Täterorganisation, wie ich von einem Priester hörte. Täter ist nicht die Kirche! Einige Menschen (nicht alle!), die in der Kirche ein Amt ausüben, haben missbraucht und verschwiegen. Und diese Menschen müssen sich ihrer Vergehen stellen!

Culpa ecclesiae? – ein ekklesiologisches Grundproblem

Die jüngst wahrzunehmenden Tendenzen zur Anonymisierung und Überhöhung der Schuld offenbaren ein ekklesiologisches Grundproblem: Die Kirche ist offenkundig nicht das ganze Volk Gottes. Die eigentlich überwunden geglaubte Trennung zwischen Laien und Klerus wurde in den letzten Jahrzehnten nie so deutlich, wie in den letzten Wochen. Glauben die Kleriker wirklich, sie allein wären die Kirche, dass sie von einer Schuld der Kirche sprechen können?

Die Kluft, die sich hier offenbart, nimmt bereits drastische Züge an. In vielen Städten haben sich im März 2010 die Austritte aus der Kirche verdrei-, wenn nicht sogar verfünffacht. Katholische Institutionen geraten in Verdacht, weil sie katholisch sind (so etwa in einigen Reaktionen auf das WZ-Interview mit dem Wuppertaler Stadtdechant Dr. Bruno Kurth). Viele Gemeindemitglieder stehen ratlos und irritiert vor dem Scherbenhaufen, den die gegenwärtige Diskussion um den Missbrauch hinterlässt. Auch die Reaktion kirchlicher Würdenträger trägt das Ihre dazu bei. Wenn das so weiter geht, wird die Herde ihre Hirten nicht mehr kennen.

Felix culpa?

Aber mehr noch: In der Anonymisierung werden die Opfer sonst ein zweites Mal missbraucht – müssen sie doch herhalten für ein wohlfeiles Sündenbewusstsein, in dem der reuige Sünder sich der Liebe Gottes vergewissert: Oh glückliche Schuld …

So wäre es angebrachter, statt des „felix culpa“ aus der Osternacht auf das dritte Responsorium prolixum aus der monastischen Liturgie der Trauermette zu Karsamstag zu hören:

Ululate, pastores, in cinere et cilicio: Quia veniet dies Donini magna, et amara valde.
Accingite vos, sacerdotes, et plangite, ministri altaris, aspergite vos cinere.

Weint, Hirten, in Asche und Sack: Denn es kommt der große und sehr bittere Tag des Herrn.
Legt Trauer an, Priester, und klagt, Diener des Altares, bestreut euch mit Asche.

Mea culpa!

Es gibt nur einen Ausweg aus der Krise: Ross und Reiter sind zu nennen. Die Täter, die missbraucht, vertuscht und verschwiegen haben, müssen die Verantwortung übernehmen – alleine und persönlich. Sie allein müssen ihr „Mea Culpa“ sprechen.

Es ist noch nicht lange her, da hat Bischöfin Käßmann einen ganz anderen Weg eingeschlagen: Statt Anonymisierung persönliche Schuldübernahme, statt Minimierung persönliche Konsequenz, statt Überhöhung Realitätsbewusstsein. Gerade deshalb kann Margot Käßmann erhobenen Hauptes auftreten. Von ihrem Beispiel gibt es einiges zu lernen!

Die Kirche ist das eine Volk Gottes. Es gibt nur eine Kirche – und nicht eine der Amtstäger und eine der Laien. Ihr Hirten: Verjagt die Wölfe im Schafspelz, aber opfert nicht die Herde!

Dr. Werner Kleine

 

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

1 Kommentar

  1. Centa Geier schrieb am 30. Januar 2011 um 20:55 :

    gute Option – betroffene Täter u. betroffene Opfer müssen den Tatbestand bekennen und falls erwünscht heilende Gespräche geführt werden. Kein Vertuschen!! Anmerkung: der meiste Missbrauch passiert ausserhalb des Klerus

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