Lesejahr C – Joh 20,19-31
Dass wir gläubig sind, und nicht ungläubig!
Der ungläubige Thomas, das ist eine feste Redensart geworden, die sogar aus unserer Alltagssprache nicht wegzudenken ist. Und Thomas erfährt durch den Herrn ja auch eine besondere Bevorzugung, wenn dieser ihn auffordert, seine Finger auszustrecken und die von den Wundmalen gezeichneten Hände zu berühren und die Hand in seine Seite zu legen. Wie oft mögen Menschen in ihrer Verzweiflung am Glauben sich in diese Lage gesehnt haben: den auferstandenen Herrn zu sehen, zu hören und berühren zu dürfen. Thomas selbst ist auch überwältigt von dieser Begegnung und denkt gar nicht mehr daran, ob er den Herrn nun berühren soll oder nicht: er antwortet einfach mit dem Bekenntnis: „Mein Herr und mein Gott!“
Wie viel schwerer muss es späteren Menschen und erst recht uns heute nach so vielen Generationen ohne die unmittelbare Begegnung mit dem auferstandenen Herrn fallen, dieses Bekenntnis zu sprechen: „Mein Herr und mein Gott!“ Wie können wir diesen Abstand überwinden, der zwischen uns und dem Herrn liegt, der uns von der persönlichen Begegnung mit Jesus und mit dem auferstandenen Herrn trennt? Ist es der Weg der kühlen Rationalität, der über die Klarheit und Schönheit des metaphysischen Gedankengebäudes der Hochscholastik und der Gottesbeweise Anselms von Canterbury den Weg ins Innere des Glaubens und damit der Christusbegegnung ermöglicht? Aber was machen wir dann mit Nietzsche, Feuerbach und der Evolutionslehre, die uns den Zufall und das Chaos und das Dunkle in unser Haus der lichten Klarheit räumen? Oder sollen wir es lieber mit der Heimeligkeit von Räucherstäbchen in esoterischer Betrachtung von heilenden Steinen versuchen, wenn innige Versenkung uns eine höhere Stufe der Erkenntnis gewinnen lässt?
Und hier liegt vielleicht der Schlüssel in der Frage, ob es auf diese Unmittelbarkeit ankommt. War es für die Menschen der unmittelbaren Zeitgenossenschaft mit Jesus von Nazareth einfacher, zum Glauben zu finden? War uns Thomas wirklich voraus? Denn wie soll man sich erklären, dass es so viele gab, die auch damals nicht zum Glauben an Christus fanden? Wieso erlebte die junge Kirche Auseinandersetzungen um den rechten Weg im Innern und Bedrängung und Verfolgung im Äusseren? Wie kann man die überwältigende Erfahrung der Liebe Gottes in der unmittelbaren Begegnung mit seinem Sohn zusammendenken mit einer Verweigerung des Glaubens an Ihn, den Gottessohn?
Ich glaube, weil es – damals wie heute – nicht nur darauf ankommt, eine Erfahrung zu machen, eine Begegnung zu erleben, sondern überhaupt eine solche Begegnung zuzulassen, auf den Anruf Gottes hinzuhören, um seine Nähe zu erfahren. Wir dürfen darauf vertrauen: Wenn wir bei den Jüngern bleiben, wenn wir wie Thomas im Kreis seiner Anhänger dabei sind, dann wird er uns seine Gegenwart schenken, wenn wir auch seine leisen Töne vernehmen, dann kann sich auch für uns die Gnade ereignen, die uns auf die Knie sinken lässt und rufen: „Mein Herr und mein Gott!“
Ich wünsche uns allen Begegnungen mit dem auferstandenen Herrn, ihn zu sehen, ihn zu hören und ihn zu berühren, in großen Bildern oder in kleinen Gesten, in klugen Worten und herrlichen Liedern, in einer gelungenen Feier seiner Nähe oder in einem unscheinbaren Lächeln.
Ihre Katharina Nowak
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