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Eine Reportage aus Honduras zwei Jahre nach dem Putsch. Kath 2:30 begleitet eine Delegation des Ökumenischen Büros – auf der Suche nach den Menschenrechten.

Von Øle Schmidt

kath 2:30 Reportage»Es bricht mir das Herz. Aber wir mussten den Befehl der Politik ausführen, und das von den Bauern besetzte Land räumen Wir hatten keine Wahl.« Alex Madrid ist Medienoffizier der honduranischen Polizei. Und er ist geschult. Als ein Familienvater ihn unter Tränen fragt, warum seine Männer Frauen und Kindern ihr Obdach nehmen, antwortet Madrid: »Vielen Dank für ihren Beitrag zur Demokratie.« Und lächelt. Hinter ihm schlagen kleine Flammen aus den provisorischen Hütten der Bauern. Rauch liegt schwer in der Luft. Bewaffnete Soldaten stehen auf kaputtem Geschirr und zerrissener Kleidung. Die landlosen Bauern hatten das Gebiet in der Gemeinde Colón besetzt, nachdem die Regierung ihr Versprechen auf die kleinen Parzellen nicht eingelöst hatte. Schon länger schwelt in der Region Bajo Aguán, im Norden von Honduras, ein blutiger Landkonflikt, werden Bauern und Gewerkschafter umgebracht.

Mittendrin stehen zehn Deutsche und Österreicher, Teilnehmer einer Menschen-rechtsdelegation. »Wir sind hier, um die Meldungen von dramatischen Menschenrechts-verletzungen unter der Regierung Lobo mit eigenen Augen zu prüfen.« Andrés Schmidt vom Ökumenischen Büro ist Mitorganisator der politischen Reise. Haben sie Waffen bei den Bauern gefunden? »Nein«, antwortet Alex Madrid. Dann trägt der PR-Offizier mit der martialischen Uniform einem staunenden Publikum ein selbst geschriebenes Gedicht über Ungerechtigkeit in seinem Mutterland vor. Später im Bus ist die Stimmung gedrückt. Das Handy von Andrés Schmidt klingelt, er übersetzt simultan: »Alex Madrid hat soeben auf einer Pressekonferenz im Fernsehen gesagt, dass sie das besetzte Land räumen mussten, nachdem sie Waffen bei den Bauern gefunden haben.«

»HINTER DER GEWALT VON POLIZEI UND ARMEE STEHT EINE POLITISCHE STRATEGIE«

Rückblende. Es ist der 28. Juni 2009, als Soldaten den liberalen Präsident Manuel Zelaya im Schlafanzug nach Costa Rica entführen. Offensichtlich mit Wissen der amerikanischen Regierung, die Putschisten nutzen den US-Militärstützpunkt Palmerola zu seinem Ausflug. Mit seiner Annäherung an Venezuela, einer Landreform, einem Dialog mit sozialen Bewegungen und einem umstrittenen Verfassungsreferendum hatte Zelaya, selbst Großgrundbesitzer, eine Allianz aus Wirtschaftselite und Militärs gegen sich aufgebracht. Nicht nur in der Hauptstadt Tegucigalpa gehen wütende Menschen auf die Strasse. Die neue Staatsmacht setzt Grundrechte außer Kraft, schlägt brutal zurück. Das UN-Menschenrechtskommissariat listet 19 Ermordete in den Tagen des Putsches auf, durch Schüsse mit scharfer Munition auf Demonstrationen, spricht von gezielten Hinrichtungen. Seit der umstrittenen Wahl im November 2009 – organisiert von den Putschisten, internationale Wahlbeobachter sind nicht zugelassen – ist die Regierung Lobo im Amt. Die Botschafter von EU und Deutschland kehren nach Honduras zurück.

Soldaten räumen besetztes Land im Bajo Aguan: dort besitzt ein Prozent der Bevölkerung ein Drittel des fruchtbaren Bodens.

»Sag Nein zur Gewalt und Ja zu Jesus Christus« steht auf einem Aufkleber an der Eingangstür zum Gericht La Granja in Tegucigalpa. »Ich weiß nicht, ob die angeklagten Polizisten gläubig sind«, sagt Kathrin Zeiske, »aber es ist der erste Prozess nach dem Putsch, der Gewalt staatlicher Sicherheitsorgane verhandelt.« Die Journalistin stoppt, als sie Sandra Ponce trifft. Die Sonderstaatsanwältin soll eben diese Übergriffe aufklären. »Wir haben Anklage gegen sieben Polizisten erhoben«, spricht Ponce in die Mikrofone. »Sie sollen bei einer Demonstration 24 Personen widerrechtlich festgenommen und anschließend gefoltert haben.« Nur wenige Meter entfernt steht Alva Ochoa, eines der Opfer. Die beiden Frauen würdigen sich keines Blickes. Ochoa fallen die schwarzen Locken in ihr Gesicht. »Der Prozess ist eine Farce! Diese Polizisten niederen Ranges sind nicht mehr als Bauernopfer, um von den Hintermännern abzulenken. Sandra Ponce weiß, dass hinter der systematischen Gewalt von Polizei und Armee eine politische Strategie steht.«

Wir verlassen das Gericht, fahren zum Sitz der Staatsanwaltschaft. »Gerechtigkeit! Gerechtigkeit!« Rund 150 Frauen und Männer machen ihrer Wut lautstark Luft. Wobei nicht ganz eindeutig ist, wer sich welchem Geschlecht zugehörig fühlt. Einige sind grell geschminkt, tragen hohen Hacken, andere verbergen ihr Gesicht hinter Masken. Sie sind hier, damit der Aktivist Walter Tróchez nicht in Vergessenheit gerät. »Walter ist 2009 entführt, gefoltert und dann ermordet worden.« Donny Reyes, von einer Bewegung für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen, wirkt äußerlich gefasst. »Wir sind sicher, dass es Angehörige staatlicher Sicherheitskräfte waren. Bis heute ist niemand angeklagt oder verurteilt worden. In Honduras regieren Gleichgültigkeit und Straflosigkeit.« Die Delegationsteilnehmerin Eva Bahl fragt nach der aktuellen Situation der Menschenrechte. »Wie können wir Menschenrechte haben, wenn wir umgebracht werden?«, antwortet Reyes. »Wir müssen zunächst für unser Recht auf Leben kämpfen. Seit dem Putsch sind mehr als 30 von uns ermordet worden.«

»DIE MEHR ALS 100 POLITISCHEN MORDE WERDEN JURISTISCH NICHT VERFOLGT«

Das Schild auf dem Hausdach in einem noblen Hauptstadtviertel ist eingerahmt von Stacheldraht – »Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit«. Christian Lüth ist gut gelaunt und dezent gebräunt. Der Projektleiter der FDP-nahen Stiftung für Honduras, Nicaragua und Guatemala (FNS) ist um moderate Töne bemüht. Lüth war in die Kritik geraten, weil er die Entführung Zelayas im Internet als »Rückkehr zu Rechtsstaat und Verfassungsmäßigkeit« bezeichnet hatte. Dabei hatte der liberale Lobbyist Lüth den liberalen Präsidenten Zelaya lange politisch beraten – bis zu dessen Linkswende. Lüth spricht viel, und er spricht von »Exilierung«, von »Präsidentschaftsnachfolge«. Wie schätzt die Stiftung, die das Wort Freiheit in ihrem Namen trägt, den Putsch mittlerweile ein? »Die Exilierung von Zelaya war ein Verfassungsbruch, aber kein Vergleich zu all den Verfassungsbrüchen von ihm. Es war richtig, ihn aus dem Amt zu entfernen.«

Demonstranten in der Hauptstadt Tegucigalpa erinnern an ermordete Homosexuelle.

Kein Geheimnis macht der Chef der FNS um seine Beratertätigkeit für den einflussreichen Großgrundbesitzer Miguel Facussé. »Als Vorsitzenden der Industriekammer berate ich Herrn Facussé politisch«, sagt Lüth, »ich rate ihm, sich auf dem Boden der Gesetze zu bewegen.« Jener Miguel Facussé, dem Menschenrechtsorganisationen vorwerfen, im Bajo Aguán politische Gegner von seiner privaten Armee ermorden zu lassen.

Am Ende der Delegation zieht Kirstin Büttner Bilanz: »Die Verletzung der Menschenrechte hat sich seit dem Putsch 2009 deutlich verschlechtert, auch unter dem von Deutschland anerkannten Regime Lobo. Die mehr als 100 politischen Morde werden juristisch nicht verfolgt. Wir beobachten ein Klima von Angst, Militarisierung und Straflosigkeit.«
Die Menschenrechtsbeobachter kritisieren auch die EU, die mit 44 Millionen Euro ihres PASS-Programms den Sicherheitsapparat reformiert. »Wir fordern die Aussetzung des Programms», so Büttner, »weil es Institutionen unterstützt, die für Gewalt und Straflosigkeit mitverantwortlich sind.«

Ende Mai ist der gestürzte Präsident Manuel Zelaya offiziell nach Honduras zurückgekehrt, eine Million Menschen feiern seine Ankunft. Eine Chance für die Achtung von Würde und Menschenrechten in dem zerrissenen Land?

Author: Oele Schmidt

Der Journalist Øle Schmidt lebt und arbeitet in Lateinamerika und Deutschland.

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