Eine stille Geschichte lauter Trauer und Freude
Alle Evangelien enden in tiefer Trauer; die sich in höchstes Glück verwandelt. Die Trauer ist echt; denn das Grab ist voll: Jesus ist tot und begraben. Gott sei Dank ist seine Leiche nicht nur verscharrt worden, wie bei den meisten Gekreuzigten. Gott sei Dank hat es einen Joseph von Arimathäa gegeben, der für ein anständiges Begräbnis gesorgt hat.
Einige Frauen aus Galiläa haben es beobachtet – anders als die Jünger, die alle geflohen waren. Diese Frauen können das definitive Ende Jesu bezeugen. Ihr Gang am Ostermorgen ist ein Weg tiefer Trauer. Nach Markus und Lukas wollen sie den Leichnam wenigstens nachträglich salben, nach Matthäus nur nach dem Grabe sehen, nach Johannes will Maria Magdalena ganz allein das Grab des Verstorbenen besuchen.
Dieser Weg der Trauer aber wird zum Weg der Freude. Denn das volle Grab ist leer. Nur das Leichentuch ist noch da, aber der Leichnam ist fort. Der Engel im Grab erklärt ihnen: weil Jesus auferstanden ist.
Das ist unglaublich. Die Frauen, die davon erzählen, sind damals auf Skepsis gestoßen, sie stoßen auch heute auf Unglauben. Nach Lukas war es bei den Aposteln nicht besser: Die „hielten alles für dummes Geschwätz“ (Lk 24,11).
Die Frauen können ja selbst nicht glauben, was ihnen mit Engelszungen verkündet wird. Nach Markus fliehen die Frauen voll Entsetzen vom Grab; nach Johannes hat Maria Madgalena den tödlichen Verdacht, jemand habe die Leiche beiseite geschafft.
Das Neue Testament verschweigt diese Zweifel nicht; es nimmt die gesamte moderne Osterkritik vorweg – im Herzen derer, die als erste zum Glauben gekommen sind. Eine natürliche Erklärung gibt es nicht – wie auch, wenn Gott selbst gehandelt hat?
Deshalb sind die Ostergeschichten ganz still, und deshalb gehen sie ganz tief. Sie führen alle, die sie lesen, in ihre eigenen Fragen hinein – und über sie hinaus. Am Anfang sind sie voller Trauer, am Ende voller Freude. Die Frauen haben es vorgemacht.
Thomas Söding
Der Autor Thomas Söding ist Professor für Neues Testament an der katholischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum.
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