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kath 2:30 Dies DominiEs gibt Texte und Erzählungen in der Bibel, die scheinen einem so vertraut, dass schon bei der bloßen Erwähnung der Szene Bilder entstehen, die an Eindeutigkeit nur wenig zu wünschen übrig lassen. Zu diesen Erzählung gehört zweifellos auch das Evangelium von ungläubigen Thomas, der nur dann an den Auferstandenen zu glauben bereit ist, wenn er seine Finger in die Male der Nägel und seine Hand in die Wunde seine Seite legen darf. Diese Begebenheit, die im Johannesevangelium überliefert ist (Johannes 20,19-31), wird jährlich am 2. Sonntag der Osterzeit, dem sogenannten „Weißen Sonntag“ verkündet. Fast unwillkürlich erscheint vor dem inneren Auge des Hörers ein Bild, dass Michelangelo Merisi da Caravaggio, der italienische Maler des Frühbarocks, 1603 auf die Leinwand bannte.

Das Bild führt auf eindringliche Weise die Leibhaftigkeit des Auferstandenen vor Augen. Fast wie ein Mediziner untersucht Thomas unter den neugierigen Augen zweier Mitapostel nicht nur die Seitenwunde, er penetriert sie geradezu. Er agiert fast wie ein Pathologe, der die Stichtiefe der Lanze ermessen und die inneren Verwundungen ertasten will. Der Schrecken in seinem Blick und die unzweifelhafte Lebendigkeit des so Untersuchten stehen in strengem Kontrast zur Untersuchungsmethode. Was eigentlich an einem Toten vollzogen wird, geschieht hier einem Lebenden, der dem Untersucher sogar die Hand führt. Welch ein Glück für den ungläubigen Thomas, der so den handfesten Beweis erhält, nach dem er verlang hat. Sicher – er muss sich einen leichten Tadel des Auferstandenen gefallen lassen:

Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben. (Johannes 20,29)

Aber ist es nicht doch auch ein Segen, diesen letzten Zweifel besiegen zu können, der an uns nagt? Widerspricht die Auferstehung von den Toten doch aller menschlichen Erfahrung. Tot ist tot, darauf kann man sich verlassen. Der Zweifel des Thomas ist nicht nur verständlich; es ist unser Zweifel. Ach, könnten wir doch angesichts der Anfragen, denen sich der heute Glaubende von vielen Seiten ausgesetzt sieht, auf einen solchen handfesten Beweis zurück greifen! Wäre der Glaube nicht einfacher, wenn man die Gewissheit hätte, die dem Thomas zuteil wurde.

Eine moderne Karikatur, die in diesen Tagen durch das Internet verbreitet wird, greift dieses nur allzu verständliche Sehnen nach Gewissheit auf. Der einmalige Moment der Auferstehung wird per Smartphone für die Ewigkeit festgehalten. Und nicht nur dass: Die sensationelle Nachricht wird auch per Echtzeit getwittert, auf Facebook verbreitet und möglicherweise per Google-Hangout on Air weltweit übertragen. Die Karikatur kann mit Fug und Recht als moderne Adaption des Caravaggio-Bildes verstanden werden, das in der Auferstehung eine irdische, naturwissenschaftlich beweisbare und so jeden Zweifel obsolet erscheinen lassende Tatsache darstellt.

Beide Bilder tragen einem menschlichen Wunsch nach Gewissheit Rechnung, führen aber gleichzeitig auch in die Irre. Die biblischen Auferstehungsberichte zeichnen sich durch einen eigenartige Spannung aus. Die Tatsächlichkeit einer realen Erfahrung des Auferstandenen steht im Vordergrund. Gleichzeitig bleibt manches rätselhaft. Wie kann es sein, dass Menschen, die zu irdischen Lebzeiten mit Jesus in großer Vertrautheit verbunden waren, den Auferstandenen zuerst nicht erkennen. Maria von Magdala etwa erkennt ihn nicht am Aussehen (sie verwechselt ihn mit einem Gärtner – Johannes 20,15), sondern an der Stimme; die sogenannten Emmausjünger wähnen sich in der Begleitung eines unbekannten Begleiters, dessen Identität sich ihnen erst in der Handlung des Brotbrechens erschließt (vgl. Lukas 24,13-35, insbesondere die Verse 30-35); und die von Jesus selbst auserwählten, unterrichteten und mit Vollmacht ausgestatteten Apostel erschrecken beim Anblick des von den Toten Auferweckten und geraten in Panik, weil sie ein Gespenst zu sehen glauben (vgl. Lukas 24,36f).

Es gibt also offenkundig ein deutliches Moment der Diskontinuität in der Auferstehung: Die Leiblichkeit des Auferstandenen ist real und doch unzweifelhaft verschieden von der irdischen Körperlichkeit. Die Auferstehung schafft eine neue Realität, die nicht bloß ein Mutationssprung darstellt, wie es der emeritierte Papst Benedikt XVI in seinem zweiten Jesusbuch ausführt. Eine Mutation wäre eine innerweltliche Entwicklung. Vielmehr stellt die Auferstehung etwas völlig Neues dar, das rein innerweltlich nicht zu fassen ist. Nicht umsonst sprechen die neutestamentlichen Schriftstellen von der „Neuen Schöpfung“ (so etwa Paulus im 2. Korintherbrief 5,17), die dazu führt, dass man Christus nach der Auferstehung nicht mehr nach menschlichen Kategorien einschätzen kann (vgl. 2. Korintherbrief 5,16).

Neben der Diskontinuität weist der Auferstandene aber auch eine deutliche Kontinuität zu seiner irdischen Existenz auf, die sich in seinen Wundmalen manifestiert. Die Neuschöpfung schafft keine neue Identität, wohl aber eine neue Realität. Der ganze Mensch, sein Wesen, seine Geschichte, sein Tun im Guten wie im Schlechten, sein Glück und sein Leiden – all das wird in die Auferstehung mit hineingenommen; all das macht ihn bei aller Diskontinuität der Existenzweisen erkennbar. Und genau das spielt in der Erzählung vom ungläubigen Thomas ebenso eine Rolle wie in der Erzählung vom Schrecken der Apostel bei Lukas, die glauben, einen Geist zu sehen. Auch hier wird die Tatsächlichkeit der Auferstehung durch das Angebot, die Wunden zu berühren, belegt.

Es ist ein Angebot, das bei Lukas alle anwesenden Jüngerinnen und Jünger, bei Johannes exklusiv der zweifelnde Thomas erhalten. Nicht mehr und nicht weniger! Denn es bleibt hier wie da offen, ob das Angebot auch angenommen wurde. So heißt es bei Lukas:

Bei diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und Füße. Sie staunten, konnte es aber vor Freude immer noch nicht glauben. (Lukas 24,40f – Hervorhebung von mir)

Und Thomas reagiert im Johannesevangelium auf das Angebot des Auferstandenen mit einem Bekenntnis:

Mein Herr und mein Gott! (Johannes 20,28)

Worauf Jesus antwortet:

Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben. (Johannes 20,29 – Hervorhebung von mir)

Gesehen – eben nicht berührt! Der Text legt nahe, dass Thomas (wie auch die Jünger bei Lukas) das Angebot zur Berührung des Auferstandenen gerade nicht angenommen haben. Was hätten sie wohl auch gespürt? Wie fühlt sich ein Leib der Auferstehungsrealität an, der nicht mehr von dieser Welt ist? Der auferstandene Jesus entzieht sich des verständlichen Versuchs einer Umarmung der Maria von Magdala nicht ohne Grund mit den Worten:

Nein! Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. (Johannes 20,17)

Caravaggio und der Karikaturist gehen deshalb bei dem verständlichen Versuch, Gewissheit über die Auferstehung zu erlangen, einen Schritt über den Text hinaus. So lösen sie die Spannung zwischen Diskontinuität und Kontinuität auf, die erst die radikale Neuheit der Auferstehung bewirkt. Was soll auf Fotos vom Auferstandenen denn zu sehen sein? Irdische Vergänglichkeit, das die Ewigkeit doch nicht erlangen kann?

Die Wuppertaler Künstlerin Annette Marks erstellt zur Zeit im Auftrag der Katholischen Citykirche Wuppertal einen Kreuzweg, der voraussichtlich im nächsten Jahr zu sehen sein wird. Die Bilder befinden sich in der Entwicklung und sind noch nicht fertig. Die Auseinandersetzung mit Tod und Auferstehung Jesu ist komplex. Sie eignen sich nicht für eine einfache Bebilderung. Es muss eine neue Symbol- und Formsprache gefunden werden, die Diskontinuität und Kontinuität gerecht werden. Beide Aspekte kommen vor allem auch in der Erzählung vom ungläubigen Thomas zum Ausdruck, die die Basis für das letzte Bild des geplanten Kreuzweges darstellt. Auch wenn dieses Bild noch nicht fertig ist, kann man doch erkennen, wie die Künstlerin sich dem Thema annähert. Auch hier gibt es am linken Bildrand den Versuch, die Begegnung des Auferstandenen mit Thomas fotografisch festzuhalten – aber das Display des Smartphones bleibt schwarz. Und Thomas? Er streckt den Finger aus und schreckt doch vor der letzten Berührung der Ewigkeit zurück. Es ist, als spüre Thomas diesen Hauch des Ewigen, den wir in der sterblichen Existenz zwar erahnen, der aber eben nicht einfach berührbar ist.

So verständlich der Wunsch nach Gewissheit ist – die Spannung von Diskontinuität und Kontinuität bewahrt uns vor allzu großer Selbstsicherheit. Sie bewahrt uns auch vor einer Form der selbstbezogenen und introvertierten Anbetung des Auferstandenen, die doch nur das eigene Ich im Blick hat. Vielleicht ist das der tiefere Grund für die Mahnung Jesu im Matthäusevangelium, wenn er das Kommen des Menschensohnes in seiner Herrlichkeit und das Gericht über Heil oder Unheil mit dem Hinweis verbindet:

Was ihr für einen dieser Geringsten getan habt, das habe ihr mir getan. (Matthäus 25,40)

Aber eben auch:

Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan. (Matthäus 25,45)

Wer den Auferstandenen heute finden will, der findet ihn nicht nur im verklärten eucharistischen Leib; er findet ihn vor allem auch in den Geringsten unserer Gesellschaft. Wer diese Unberührbaren berührt, berührt den Auferstandenen.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Woche,
Ihr

Dr. Werner Kleine, PR
Katholische Citykirche Wuppertal

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

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