Selten passen die biblischen Texte, die die Leseordnung der katholischen Kirche vorsieht, so gut zueinander, wie am 22. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres C. Noch seltener ist es allerdings, dass die Texte einen Bezug zur aktuellen Gegenwart aufweisen.
Es sind in der Tat aufregende Zeiten, in denen sich der Christ gegenwärtig zu bewähren hat. Es ist nicht nur der neue Papst, der durch sein Ineinander von Wort und Tat herausfordernde, wenn nicht gar provozierende Zeichen setzt. Das pfauenhafte Gehabe weicht dem Gesang der Amsel, die trotz ihrer äußerlichen Unscheinbarkeit immer neue Melodien erfindet, die dem Menschen vor allem den Frühling ankünden.
Manch einem weht der neue Wind kräftig ins Gesicht. Viele verwechseln das Katholische immer noch mit festiver Äußerlichkeit, die sich in der Restauration von Brokatgewändern, goldenen Schalen und silbernen Löffelchen niederschlägt, die auch Elstern gefallen würden, diesem alten germanischen Symboltier der Todesgöttin Hel. Man wird wohl keinen Hehl daraus machen brauchen, dass die Bilder einer solchen Kirche eine Botschaft in die Köpfe der Menschen transportieren, die durch keine Kommunikation, so intensiv sie auch sein mag, auszulöschen sind.
Menschen sind vor allem bilddenkende Wesen. Bilder haben Macht. Wort zählen nur, wenn sie zu den Bildern passen. Deshalb mahnte schon Papst Paul VI. in seiner 1975 veröffentlichen Enzyklika „Evangelii nuntiandi“, dass die ausdrückliche Wortverkündigung nur nach dem vorgängigen „Zeugnis ohne Worte“, des gelebten Zeugnisses, gelingen kann, das das Fragen der Menschen wecken muss (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 21/22). Auch Papst Franziskus in seiner Predigt mahnt in seiner Predigt vom 14. April 2013:
Man kann das Evangelium Jesu nicht ohne das konkrete Lebenszeugnis verkünden. Wer uns hört und uns sieht, muss in unserem Tun das lesen können, was er aus unserem Mund hört, und Gott die Ehre geben! Da kommt mir jetzt ein Rat in den Sinn, den der heilige Franziskus von Assisi seinen Mitbrüdern gab: „Verkündet das Evangelium und, sollte es nötig sein, auch mit Worten!“ Verkünden mit dem Leben: Zeugnis geben. Die Inkohärenz der Gläubigen und der Hirten zwischen dem, was sie sagen, und dem, was sie tun, zwischen dem Wort und der Lebensweise untergräbt die Glaubwürdigkeit der Kirche. (Quelle: www.vatican.va)
Es ist diese Inkohärenz, die in diesen Tagen zu schaffen macht. Da kann die Lage bisweilen komplexer sein, als es der öffentliche Augenschein erahnen lässt. Bloße Worte, so richtig und wahr sie sein mögen, machen da die Lage nur schlimmer, wenn sie nicht mit dem, was die Menschen sehen und wahrnehmen, übereinstimmen. Es gilt daher, sichtbare Zeichen zu setzen.
Die drei Lesetexte des 22. Sonntags im Jahreskreis des Lesejahres C führen aus, wie die Lebensweise dessen aussehen soll, der nicht bloß mit Worten, sondern mit seinem Leben Zeugnis für den lebendigen Gott ablegt. Alles kulminiert in einem Satz aus der ersten Lesung, die dem Buch Jesus Sirach entstammt:
Denn groß ist die Macht Gottes, und von den Demütigen wird er verherrlicht. (Jesus Sirach, 3,20)
Wohlgemerkt: Es ist von den Demütigen als Personen die Rede, und nicht von dem Demütigen als Handlung.
Demut war immer schon das Wesen der christlichen Botschaft. Tatsächlich führen auch viele Amtsträger immer wieder wortreich ins Feld, dass sie ihr Amt ja vor allem als Dienst verstehen – und konterkarieren diesen Dienst dann durch ein herrschaftliches Gebahren. Tatsächlich kann Leitung ein Dienst sein. Das muss sich aber nicht in Worten, sondern vor allem in Taten erweisen. Sonst wird das Wort zur hohlen Form, die den anderen demütigt. Eine so gestaltete kirchliche Kommunikation ist in der Wurzel morsch. Schlimmer noch:
Für die Wunde des Übermütigen gibt es keine Heilung, denn ein giftiges Kraut hat in ihm seine Wurzeln. (Jesus Sirach 3,28)
Ein solcher Baum wird wohl keine Heimat für Singvögel werden. Er ist nur damit beschäftigt, sich einigermaßen aufrecht zu halten bis die vergiftete Wurzel seine Last nicht mehr zu tragen vermag. Der Ort, wo er stand, weiß bald von ihm nichts mehr. Die Singvögel aber werden es weiter von den Dächern pfeifen – diese Botschaft von dem, der sie am Leben erhält:
Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie. (Matthäus 6,26)
Freilich kann auch die Elster schön singen. Und doch wird das Herz der Menschen eher der Amsel gehören. Es ist nicht allein die Schönheit des Gesangs, die zählt, sondern auch die Begleitumstände, wie er vorgetragen wird. Tatsächlich kann auch das Lied der Gottesbotschaft nur singen, wessen Herz, Lunge und Kehle aus Fleisch sind – und nicht aus kaltem Gold.
Dr. Werner Kleine
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
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