Die Diskussion um das Für und Wider der Kirchensteuer ist schon seit Jahren im Gang. Im Hintergrund steht nicht zuletzt die in Deutschlang mögliche Erklärung des Kirchenaustritts vor einem Amtsgericht. Durch einen solchen Austritt befreit sich der aus der Kirche Ausgetretene von der Kirchensteuerpflicht (die Kirchensteuer beträgt 9% der Einkommen- bzw. Lohnsteuer). Nicht selten wird gerade das finanzielle Argument als Grund für einen Kirchenaustritt vorgetragen. Bisher hatte ein Kirchenaustritt aber weiterreichende Folgen. Wer den Austritt erklärte, befreite sich nicht nur von der Kirchensteuerpflicht; da der Kirchenaustritt in der Lesart der Deutschen Bischöfe als deutsche Rechtstradition auch einen formalen Akt des Glaubensabfalls darstellte, erfolgte mit der Austrittserklärung auch die Exkommunikation. Dabei beruft man sich nicht zuletzt auf die kirchenrechtlich verbriefte Pflicht der Gläubigen, der Kirche die notwendigen – auch finanziellen – Mittel, die sie zur Ausübung ihres Auftrages benötigt, zur Verfügung zu stellen.
Diese Lesart wurde bereits im März des Jahres 2006 vom Vatikan in Frage gestellt. Auf Anordnung von Papst Benedikt XVI definierte der „Päpstliche Rat für die Gesetzestexte“ die Art des „formalen Aktes“, damit tatsächlich von einem Kirchenaustritt gesprochen werden kann. In dem entsprechenden Dokument heißt es, dass der Wille zur Trennung aus Glaubensgründen deutlich erkennbar sein muss. Außerdem muss dieser Wille schriftlich niedergelegt und von der „zuständigen Autorität“ (und damit ist nicht das Amtsgericht gemeint) entgegengenommen und geprüft werden.
Lesen Sie hier das Rundschreiben des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte vom 13.3.2006 sowie die „Erklärung der Deutschen Bischofskonferez zum Austritt aus der Katholischen Kirche“ vom 24.4.2006 als Antwort auf das Rundschreiben.
In den letzten Tagen hat die Diskussion um das Verhältnis von Kirchensteuer und Kirchenaustritt neu an Fahrt gewonnen. Die Süddeutsche Zeitung berichtet Alesander Kissler in der Ausgabe vom 11. August 2009 in dem Artikel „Glaube? Unbezahlbar – Sterbeglocke schlägt für Kirchensteuer“ von der Entscheidung des Freiburger Verwaltungsgerichtes, die Verweigerung der Kirchensteuerzahlung, die dem bei einem Amtsgericht erklärten Austritt aus der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechtes folgt bzw. zugrunde liegt, folge nicht automatisch der Austritt aus der Kirche als Glaubensgemeinschaft. Oder einfacher gesagt: Wer aus den Austritt aus der Kirche vor einer staatlichen Institution erklärt, ist noch lange nicht aus der Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden ausgetreten.
Den Präzedenzfall hat der Freiburger Kirchenrechtler Hartmut Zapp ausgelöst, der zwar vor der staatlichen Behörde seinen Austritt aus der Kirche bekundete, in einer Zusatzerklärung aber ausdrücklich festhielt, sein Schritt beziehe sich ausschließlich auf die Körperschaft des öffentlichen Rechtes. Kurz: Hartmut Zapp verweigert zwar die Kirchensteuerzahlung, bleibt der Glaubensgemeinschaft der katholischen Kirche aber weiter verbunden.
Dieser Vorgang ist in Deutschlang bisher einmalig. Das unabhängige katholische Nachrichtenportal kath.de verweist in seinem Wochenkommentar vom 14.8.2009 allerdings auf die österreichischen Verhältnisse:
„Ausgehend vom Bistum Linz wenden sich besonders kirchentreue Gläubige mit eienr Initiative im ganzen Land gegen die – wie sie es ausdrücken – bezahlte Glaubenszerstörung. Unterstützer der Aktion überweisen ihr Kirchgeld auf ein Treuhandkonto und verleihen damit ihrem Protest auf finanzieller Weise Ausdruck. Das Identifikationsproblem im Zusammenhang mit dem Streit um die Kirchensteuer wird hier am deutlichsten.“
Während Alexander Kissler in der Süddeutschen Zeitung durch die Entscheidung dees Freiburger Verwaltungsgerichtes erste Anzeichen des Endes der Verbindung von Staat und Kirche sieht, entdeckt der Autor des kath.de-Kommentare, Sebastian Pilz, eher ein Identitäsproblem der Kirchen: Die Taufe begründet die Mitgliedschaft in der Kirche. Die Taufe selbst kann nicht zurückgenommen werden. Sie bleibt aufgrund der Treue Gottes bestehen, selbst wenn der Getaufte aus der Kirche austritt. Auch die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche bleibt bestehen, so lange sich ein Getaufter zum katholischen Glauben bekennt. Genau das sagt auch die vatikanische Klarstellung vom März 2006.
Gegenwärtig ist nicht abzusehen, wie sich die Diskussion um die Kirchensteuer weiter entwickelt. Das Erzbistum Freiburg hat gegen die Entscheidung des Freiburger Verwaltungsgerichtes mit Verweis auf die „deutsche Rechtstradition“ Revision eingelegt.
Tatsächlich würde eine neue Praxis erhebliche Fragen aufwerfen. Nicht nur die Finanzierung der kirchlichen Arbeit müsste neu geregelt werden (Alexander Kissler verweist in seinem Artikel auf entsprechende Beispiele in Italien und Spanien). Auch das bisher notwendige Wiedereintrittsverfahren wäre in der bisherigen Form wohl hinfällig. Damit verbunden sind aber weiter aus kirchenrechtlicher Sicht eherechtliche Fragestellungen. Die Diskussion um die Kirchensteuer scheint da nur die Spitze des Eisberges zu sein. Allerdings eine scharfe: denn schon jetzt fehlen vielen Bistümer die notwendigen Mittel, wie die von Alexander Kissel in seinem Beitrag genannten Beispiele zeigen.
Die Kirchensteuer ist ein probates und vor allem finanziell verantwortbares System; darauf weist auch auch der Beitrag in der Süddeutschen Zeitung hin. Freilich müssen die Kirchen auch verantwortbar mit den Kirchensteuermitteln umgehen. Über deren Verwendung informieren die entsprechenden Rechenschaftsberichte, die öffentlich einsehbar sind (z. B. die Verwendung der Kirchensteuern im Erzbistum Köln). Gleichzeitig dürfen die Kirchen nicht vergessen, von wem sie die Kirchensteuern erhalten: Wenn der Kirchensteuerzahler nicht mehr sehen kann, wofür er die Kirchensteuer gibt, weil Kirchen nicht mehr vor Ort sind und kirchliches Leben nicht mehr präsent ist, darf man sich nicht wundern, wenn er dieses Geld, von dem er (scheinbar) nicht profitiert, einsparen möchte.
Mein Plädoyer lautet deshalb: Ohne Kirchensteuer geht es (noch) nicht, weil auch die Kirche ohne Geld nicht arbeiten kann. Das weiß schon die Bibel (siehe hierzu auch unseren Beitrag zu „Paulus und das Geld“). Aber die Menschen müssen etwas von dieser Steuer haben; sie müssen Kirche auch in ihrem Umfeld erleben. Die Diskussion hat eben erst begonnen. Man darf gespannt sein, wie die Kirche auf die neuen Herausforderungen reagieren wird.
Dr. Werner Kleine
Information zur Verwendung der Kirchensteuern im Erzbistum Köln
Allgemeine Informationen zu Kirchensteuern
Kontaktstellen für Menschen, die wieder in die Kirche eintreten wollen
Glaubensinformation der Katholischen Citykirche Wuppertal
Was meinen Sie zum Thema „Kirchensteuern“? Ihre Kommentare und Meinungen sind erwünscht!
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
Audiopodcast Episode 2 – Paulus und das Geld…
Auf Einladung der erzbischöflichen Bibel- und Liturgieschule Köln hielt der Wuppertaler Neutestamentler Dr. Werner Kleine am 8 Juni 2009 zum Abschluss des Paulusjahres einen Vortrag über “Paulus und das Geld”, der hier dokumentiert wird….