Dies Domini – 1. Fastensonntag, Lesejahr C
Seit dieser Woche befinden wir uns wieder in der Fastenzeit, der vorösterlichen Bußzeit, die die christliche Tradition bereits seit dem zweiten Jahrhundert kennt. Zunächst wurde diese allerdings nur an den beiden Tagen vor Ostern begangen, dauerte dann im 3. Jahrhundert schon die ganze Karwoche und ab dem 5. Jahrhundert dann in der heutigen Form – 40 Tage vor Ostern.
Auch das Evangelium des heutigen Sonntags berichtet uns vom Fasten, von der 40-tägigen Wanderung Jesu durch die Wüste, an deren Ende er dreimal vom Teufel in Versuchung geführt wird.
Die Frage, die sich uns heute stellt: Wer ist dieser Teufel? Nehmen wir „ihn“ als Teufel wahr oder haben wir die Sensibilität dafür nicht (mehr)? Sicherlich ist es niemand, der sich uns – wie die Kunst es oft darzustellen versucht -, als roter Mann mit Hörnern und Pferdehuf und nach Schwefel riechend entgegenstellt und uns in die Sphären der Unterwelt zu ziehen versucht. Aber dennoch gibt es „ihn“, mal mehr mal weniger personifiziert, als „kleine“ Versuchungen des Alltags.
Beim Fasten denken wir immer schnell an Alkohol, Süßigkeiten und Fleisch. Sicherlich wird es uns unsere Physis danken, wenn wir die Fastenzeit zum Anlass nehmen, auch über Genussmittel-Verzehr mal wieder etwas genauer nachzudenken. Aber dies ist nicht, zumindest nicht allein, der Kern dessen, was die Fastenzeit uns „aufgibt“. Vielmehr geht es auch um Versuchungen wie Oberflächlichkeit, Arroganz, Desinteresse, Unehrlichkeit, Vertrauensbruch, Egoismus…
Auch hierbei bietet die Fastenzeit viele Möglichkeiten, die wir natürlich auch zu jedem anderen Zeitpunkt ergreifen können, hier aber nochmal eigens dazu aufgefordert werden.
Nämlich die Möglichkeit, mit Blick auf das vor uns liegende Fest unserer Erlösung durch Tod und Auferstehung Jesu, unser Leben von diesen Versuchungen zu „entrümpeln“. Sicher haben wir alle viele Aspekte in unserem Alltag, die wir so mitschleifen, die uns aber eigentlich nur belasten. Beziehungen, die uns nicht guttun, weil es Unausgesprochenes gibt, das lähmt. Probleme, deren Bewältigung wir vor uns herschieben, anstatt sie mutig, mit dem Risiko erstmal (!) zu scheitern, anzupacken. Und vielleicht auch eine „unaufgeräumte“ Beziehung zu uns selber und damit zu Gott, unserem Ursprung. Und an dieser Stelle kommt der zweite Aspekt neben dem Fasten, der prägend für diese Vorbereitungszeit auf Ostern ist, ins Spiel: die Buße.
Viele wird dieser Begriff zunächst abschrecken, aber, wenn wir uns einmal darauf einlassen, steckt eine riesige Chance darin. Bruder Paulus berichtet auf seiner Facebookseite vom Treffen des Papstes vor einigen Tagen mit einigen Brüdern aus dem Orden der Franziskaner, bei dem er ein paar wesentliche Punkte des Beichtsakramentes, das ja eng mit der Buße verbunden ist, benennt. Diese Punkte können den Blick auf das Bußsakrament neu eröffnen (Auszug aus seinem Post vom 9. Februar 2016); der Kerngedanke ist – an die Beichtväter gerichtet: richtet und verurteilt nicht; begegnet nicht mit der Keule des Gerichts, sondern mit der Decke der Barmherzigkeit.
Ein sehr schönes Bild, dass wir Gott mit allem, was uns beschäftigt begegnen dürfen, dass wir uns vor ihm nicht verstecken müssen, sondern mit allen Fehlern und Schwächen angenommen und – wenn wir es wollen – in die Decke der Barmherzigkeit gehüllt werden. Nicht zum Nulltarif natürlich, sondern bereuend. Dies beinhaltet eben zumeist auch eine „Entschuldigung“ bei uns selber, bei einem Mitmenschen, bei Gott. Vergebung schenken ist eines der größten Geschenke, die wir jemandem machen können und Vergebung geschenkt zu bekommen eines der größten Glücksmomente. Jeder von uns kennt dieses Gefühl vermutlich, wenn nach einer längeren oder auch nur kurzen Eiszeit, wieder Friede hergestellt ist, wenn Probleme besprochen und Unstimmigkeiten geklärt werden konnten.
Vielleicht können wir über ein „Fastenziel“, dass wir uns vielleicht gesetzt haben, im Hinblick auf einen Verzicht, hinaus, zu einem Mehr-Wert in dieser Zeit gelangen. Indem wir unseren Blick wieder einmal schärfen für das, was wichtig ist in unserem Leben. Sich nicht in Oberflächlichkeiten zu ergehen, sondern das Gegenüber in seiner Ganzheit und Individualität wahrzunehmen und wertzuschätzen. Uns nicht selber immer in den Mittelpunkt zu stellen, ABER uns auch nicht aus dem Blick zu verlieren. Um Vergebung zu bitten, aber auch selber zu vergeben.
Dazu bietet das Datum dieses Sonntags auch in „weltlicher“ Sicht ja allen Anlass, wenn heute vielfach der Valentinstag gefeiert wird. So können wir diesem Tag eine besondere Gestalt geben, in dem wir den Menschen, die wir lieben, dies einmal mehr sagen. Indem wir uns für eventuelles Fehlverhalten oder Verletzungen, wenn wir etwas Unbedachtes gesagt oder getan haben, entschuldigen.
Und ein weiterer Vorsatz kann vielleicht hilfreich sein, gerade in diesen Tagen, in denen die (sozialen) Medien voll sind von zum Teil höchst emotionalen Kommentaren – dass wir versuchen einen Gang herunter zu schalten, mal einen Moment länger darüber nachdenken, was wir zu schreiben oder zu sagen gedenken, und uns der „Versuchung“, unserer Emotionalität ohne Einschalten der Rationalität ein Ventil zu geben, nicht hingeben.
Ich wünsche uns allen eine gute Fastenzeit, aus der wir durch ein WENIGER, aber vor allem durch ein MEHR, gestärkt herausgehen und im wahrsten Sinne des Wortes ERLÖST Ostern feiern können. Für alle schwierigen Gespräche und Aufgaben, die damit verbunden sind, viel Kraft und Mut, und die Gewissheit, dass einer immer zur Vergebung bereit ist und die Decke der Barmherzigkeit um uns legt.
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
Du kannst einen Kommentar schreiben.