Dies Domini – 5. Fastensonntag, Lesejahr C
Die Lesungen des heutigen Sonntags bringen die unglaubliche Spannung zum Ausdruck, die aushalten muss, wer einmal von Christus als dem lebendigen Herrn angesprochen worden ist: „Judica me“ mit dem Eingangsvers fängt es schon an, der „Richte mich“ bedeuten könnte, wie es die Lutherübersetzung formuliert, aber in der Einheitsübersetzung: „Verschaff mir Recht“ einen ganz anderen Zungenschlag hat. Eben. Richte mich, vielleicht könnte man das auch übersetzen, aber dann in der Bedeutung, „richte mich wieder auf“, denn mit der Klage des Psalmisten geht es weiter, der sich beschwert, dass ein treuloses Volk ihn belastet und den so traurig macht, dass ihn der Feind bedrängt. Doch in dieser Bedrängnis erfährt er Rettung; diese überwältigende Erfahrung der Hilfe Gottes und die tägliche zermürbende Auseinandersetzung mit allen Widrigkeiten, die der Alltag, aber auch die Katastrophen, die geschehen können, diese Spannung bleibt uns nicht erspart.
Zwar bejubelt die Lesung des Alten Testaments die Kraft, mit der Gott einen Weg durch das Meer bahnt, aber die gewaltigen Wasser sind auch dort gegenwärtig. Hier begegnet uns auch die sonderbare Harthörigkeit des Gottvolks, das einfach nicht merkt, dass der Herr Neues macht, Großes macht, dass es richtig ist, wie Paulus in der Lesung beschwört, das vergangene zu vergessen und sich nach dem Neuen auszustrecken.
„Denkt nicht mehr an das, was früher war; auf das, was vergangen ist, sollt ihr nicht achten. Sehr her nun mache ich etwas Neues. Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht?“ (Jes 43,18f.)
Aber wie oft muss man neu anfangen, sich der Jubeltage erinnern, bis das Neue zum Durchbruch gelangt?
Man könnte den Eindruck haben, unser Papst Franziskus selbst habe die Lesungen dieses Sonntags ausgesucht. Neues ist geworden, Wege werden gebahnt, Straßen durch die Wüste gelegt, wir müssen sie nur auch gehen, selber, Sie und ich, nicht die anderen, die Oberen, die Bischöfe, die Pfarrer, wir müssen uns aufmachen, die neuen Wege auszuprobieren. Und uns ermutigen lassen in der überwältigenden Erfahrung der Barmherzigkeit Gottes, die seine Wahrheit ist. Nicht ein Attribut neben anderen, sondern seine Zuwendung zu uns ist der Kern seines göttlichen Wesens und daher auch so unübertrefflich in der Erzählung von der Ehebrecherin fokussiert:
„Auch ich richte Dich nicht.“ (Joh 8,11)
Wie wird dieses Wort des Menschensohns, das sich hier in seiner Kraft erweist, – denn wie sonst hätte es den wütenden, blutdürstigen Mob beruhigen können? -, bei der Ehebrecherin angekommen sein? Welche Erleichterung bedeutete es für sie, nicht nur dem sicheren Tod, sondern auch der sicheren Verdammnis entgangen zu sein, ohne Auflagen, ohne Buße, nur geheilt im Feldlazarett des Herrn selbst, dessen Nachfolge Papst Franziskus so gern aus unserer Kirche machen würde?
Natürlich müssen wir uns, so ähnlich formulierte Papst Franziskus es unlängst, um die Sonntagspflicht und die Verhütungsvorschriften und die Regeln für den Umgang mit Homosexualität kümmern, aber doch erst, wenn der Hunger und die Not und die Ungerechtigkeit auf der Welt besiegt sind, wenn überall die Menschenrechte herrschen und alles neu geworden ist:
„Die wilden Tiere werden mich preisen, die Schakale und Strauße, denn ich lasse in der Steppe Wasser fließen und Ströme in der Wüste, um mein Volk, mein erwähltes, zu tränken.“ (Jes 43, 19)
In den Zeiten der Wüste und Dürre wünsche ich Ihnen von Herzen diese Erfahrung des Neuen und der Erwählung,
Ihre Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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