Dies Domini – 11. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Die Texte dieses Sonntags stellen uns die „Grundlage“ zweier Sprichwörter vor, die wir im Alltag allzu oft vergessen, die aber wichtig für den fairen Umgang miteinander sind.
Zunächst heißt es im Galaterbrief (als Einleitung vor der Stelle, der die Lesung entnommen ist):
„Wenn du als Jude nach Art der Heiden und nicht nach Art der Juden lebst, wie kannst du dann die Heiden zwingen, wie Juden zu leben?“ (Gal 2, 14)
In unsere Sprache übersetzt könnte dies heißen: Was du nicht tun willst, wie du nicht selber zu leben bereit bist, das erwarte auch von keinem anderen. Oder – heute wahrscheinlich aktueller denn je: Wenn du nicht bereit bist, dich an die gerade in der letzten Zeit so oft eingeforderten, (christlichen) Werte zu halten, wie kannst du es dann von unseren neuen Mitbürgern erwarten. Wie kann man Toleranz, Offenheit und Verständnis für eine völlig fremde, unsere deutsche Kultur erwarten, wenn „wir“ nicht mal die Grundtugend der Ehrlichkeit beherrschen, wie Herr Gauland beim letzten Anne Will Talk eindrücklich unter Beweis gestellt hat. Wenn wir eine Chance der Annäherung der Kulturen und Religionen haben wollen, dann nur so, dass beide Seiten sich zunächst einmal auf ihre eigenen Vorstellungen und Werte besinnen und dann in einen konstruktiven Dialog treten. Von den neuen Nachbarn aber mehr zu verlangen, als wir, die wir hier schon lange zu Hause sind, „schaffen“ ist schlicht nicht fair. Natürlich – wenn ich irgendwo zu Gast bin, und das sind die meisten Flüchtlinge hier bislang ja noch, muss ich mich an die herrschenden Gepflogenheiten anpassen. In diesem Satz stecken aber zwei wichtige Punkte: die „herrschenden“ Gepflogenheiten – hierbei geht es genau darum, was gerade angesprochen wurde und hier lautet die Maßgabe: Vorbild sein! Der zweite wichtige Punkt, und dieser bietet dann auch die Überleitung zum Evangelium ist das Verständnis von „Gast“.
Im Evangelium wird vom Besuch Jesu im Haus eines Pharisäers berichtet, der sich – im Gegensatz zu einer Sünderin, die ins Haus des Pharisäers eilt, als sie von Jesu Besuch dort erfährt – nicht adäquat verhält, wie Jesus ihm sofort aufzeigt, als er Jesus vorwirft offensichtlich nicht zu wissen, mit wem er da Kontakt, ja sogar Körperkontakt, hat.
„Als ich in dein Haus kam, hast du mir kein Wasser zum Waschen der Füße gegeben; sie aber hat ihre Tränen über meinen Füßen vergossen und sie mit ihrem Haar abgetrocknet. Du hast mir keinen Kuss gegeben, sie aber hat mir, seit ich hier bin, unaufhörlich die Füße geküsst. Du hast mir nicht das Haar mit Öl gesalbt, sie aber hat mir mit ihrem wohlriechenden Öl die Füße gesalbt.“ (Lk 7, 44ff)
An dieser Stelle wird deutlich wie man einen Gast eigentlich zu behandeln hat: freundlich, zuvorkommend, dienend. Wenn wir etwas mehr von dieser Haltung in die Flüchtlingsfrage einbringen würden, wenn wir versuchen würden, allen Menschen unvoreingenommen zu begegnen und ihnen eine Chance zu geben, erst einmal anzukommen und sich in unserem – sehr bürokratischen, deutschen – System zurecht zu finden, dann werden wir für diese Gastfreundschaft viel Dank erfahren und auch – auf Dauer gesehen – selber „Beschenkter“ der Gastfreundschaft werden.
Aber noch ein weiterer Aspekt wird deutlich in dieser Textpassage und zwar jener des „vor der eigenen Tür kehren“. Der Pharisäer sieht nur, dass Jesus sich mit der Frau beschäftigt, die – in den Augen des Pharisäers – eine Sünderin ist und somit das „Recht“ mit Jesus in Kontakt treten zu dürfen verspielt hat. Dabei übersieht er aber seine eigenen gastgeberlichen Pflichten, die er vernachlässigt.
Vielleicht würde es auch hier helfen, bevor man andere ver- und beurteilt, das eigenen Verhalten und das eigene Leben kritisch in den Blick zu nehmen.
Jesu Handeln im Haus des Pharisäers gipfelt in der Sündenvergebung:
„Dann sagte er zu ihr (der Sünderin): Deine Sünden sind dir vergeben. (…) Dein Glaube hat dir geholfen. Geh in Frieden.“ (Lk 7,48.50)
Ich wünsche uns eine Woche mit viel Offenheit für den Anderen, für viel Verständnis im Umgang mit den neuen und alten Nachbarn und das Rückgrat eigene Fehler einzugestehen und andere Fehler zu vergeben. Und eine große Dankbarkeit, wenn uns vergeben wird.
Ihre Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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