Dies Domini – 14. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Als der bekannte Fundamentaltheologe Eugen Biser am 25. März 2014 in München nach seinem 96. Geburtstag starb, hatte er sich in seiner unermüdlichen schriftstellerischen Arbeit nicht nur einen Platz unter den bedeutendsten Theologen und Religionsphilosophen des 20. Jahrhunderts gesichert, sondern in unzähligen Vorträgen, Gesprächen und Kontakten vor einem politisch und zeithistorisch oft bedeutenden Auditorium immer wieder einen Bogen zwischen der Geschichte der Menschen und der „Gottesgeschichte“ geschlagen, den gerissenen „Transmissionsriemen“ zwischen Gesellschaft und Kirche zu flicken gesucht. Der Historiker Michael Wolffsohn nannte diesen Bogen einmal u.a. in einem Fokusartikel vom 8. November 2014 einen Biser-Ben-Chorin-Bogen:
„Der gedankliche Bogen reicht von Biser zu Ben-Chorin, vom tiefgläubigen Christen zum tiefgläubigen Juden, von Mensch zu Mensch, von Volk zu Volk. Wie jeder Bogen ist auch dieser bedeutungsschwanger. Jeder Bogen reicht von A zu B. … Die Bibel ist kein Buch der Geschichte. Sie verpackt Ur-Botschaften des menschlichen Seins in Geschichten. Durch Geschichten versucht sie, den Sinn der Menschheitsgeschichte allgemeingültig und zeitlos zu erklären.“
Diese Beziehung zwischen der Welt und dem transzendenten Gott, der doch auch der Gott mit uns sein will, eben der „Ich bin da“-Gott, ist Grundlage der Lesung aus Jesaja in den heutigen Schriftlesungen:
Denn so spricht der Herr: Wie einen Strom leite ich den Frieden zu ihr, Jerusalem. Da jubelt der Prophet über das Wohlergehen der Stadt Jerusalem (Jes 66,12).
Im Zwischengesang sind es gerade die Taten Gottes, „staunenswert ist sein Tun an den Menschen“ ruft der Psalmist. Ähnliche Worte der Begeisterung fand Eugen Biser über den Fall der Mauer, die unblutige Revolution, die die DDR zu Fall brachte und wie sehr ist das doch Einzelstimme, die eines Rufers in der Wüste, geblieben. Warum eigentlich?
Wie kommt es, dass wir in den gnadenreichen Aspekten unserer Welt das Geschenk Gottes, die Zuwendung seiner Liebe, gar nicht mehr erkennen können? Wie kommt es, dass wir in der Osternacht Jahr um Jahr den Exodus aus Ägypten, dem Sklavenhaus, feiern, das offensichtliche Handeln Gottes in unserer Geschichte, auch da, wo es fehlt, gar nicht wahrnehmen? Wie soll denn unser Glaube für die Menschen unserer Tage Relevanz und Bedeutung haben, wenn uns dazu nur noch eine kraftlose Bitte um Kraft bei der Bewältigung all der leidvollen Aspekte unserer Gegenwart einfällt? Wäre es nicht an der Zeit, auch die Wirksamkeit Gottes in dem Gelingenden, Geschenkten, Guten unserer Tage zu entdecken? Denn es kommt doch darauf an, wie Paulus es im Galaterbrief sagt, dass die Fragen der Vergangenheit nicht mehr relevant sind, sondern, dass wir schon Teil der neuen Schöpfung sind.
Denn es kommt nicht darauf an, ob einer beschnitten oder unbeschnitten ist, sondern darauf, dass er neue Schöpfung ist. (Gal 6,15)
Und wenn wir dann ernst machen mit dem Aufruf des Evangeliums, den Frieden zu verkünden, die Kranken zu heilen und den Leuten zu sagen: Das Reich Gottes ist Euch nahe (vgl. Lk 10,3-9), dann wird erkennbar, warum Christus nicht eine neue Religion, eine Anbindung, eine Fesselung zurück, gestiftet hat, sondern sie in der von ihm geschenkten Freiheit der Kinder Gottes überflüssig und überwunden wird.
Dafür müssen wir aber eben raus aus dem „Kleinklein“ unserer innerkirchlichen Problematiken und hinaus in die Welt. Der Welt muss der Friede und das Reich Gottes nämlich ebenso verkündet werden, oder vielleicht sogar noch mehr, als den Brüdern und Schwestern, die um diese frohe Botschaft bereits wissen. Dazu erfordert es aber Mut. Den Mut für seine Überzeugung zu stehen, sich und vor allem Gott nicht klein zu machen oder klein machen zu lassen, die Bereitschaft und die Kraft auch mal anzuecken, nicht ernst genommen und weggeschickt zu werden. Wie sich das manchmal anfühlen kann, beschreibt Lukas sehr treffend, wenn er schreibt, wie Jesus die Jünger aussendet:
Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. (Lk 10, 3)
Nicht missverstanden als „wir sind die Guten und die Welt ist böse“, sondern wir als Träger der Frohen Botschaft, genauer als Über- und Weiterträger, in eine Welt, die diese nicht (mehr) erkennen kann.
Ich wünsche uns allen, nicht nur für die kommende Woche, sondern für die ganze Zeit der Sommerferien, zu Hause oder irgendwo „in der Welt“, die Offenheit das Schöne und das Gelingende in der Welt auch als Gottesgeschenk annehmen zu können, nicht nur dann an Gott zu denken, wenn überhaupt, wenn wir seines Beistandes bedürfen, sondern auch dann, wenn wir dankbar auf den strahlend blauen Himmel über den Bergen, die beständig rauschenden Meere, die strahlenden Augen unserer Kinder und vieles, vieles mehr, blicken dürfen. Gottes Weg mit uns ist der Frieden, nehmen wir ihn an und schenken wir ihn weiter. Wenig braucht unsere Welt heute so sehr.
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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