Dies Domini – Dreifaltigkeitssonntag, Lesejahr A
Die letzten beiden Gebote behandeln einen Themenkomplex, der bereits in anderen Geboten angeklungen ist: du sollst nicht stehlen und du sollst nicht ehebrechen, wodurch die Wichtigkeit dieser Gebote für das gesellschaftliche Zusammenleben noch einmal betont wird.
Warum es zu dieser Dopplung und – darauf wird im weiteren Verlauf noch näher eingegangen – einer Verschärfung der Gebote sechs und sieben kommt, lässt sich ohne näher exegetisch darauf eingehen zu wollen, vermutlich mit einem einfachen Satz erklären: „The pentateuch ist a mosaic, not mosaic“, also: der Pentateuch, die fünf Bücher Mose (Genesis, Exodus, Leviticus, Numeri und Deuteronomium), die auch den Dekalog beinhalten, sind ein Mosaik mit mehreren Verfassern – und nicht mosaisch, also nicht nur das Werk eines Verfassers. Daher kommt es bisweilen auch zu Doppelungen oder Erzählungen gleichen Inhaltes an verschiedenen Stellen mit zum Teil unterschiedlichen Schwerpunkten.
Hier werden die bereits benannten Verbote aber noch weitergeführt und beschäftigen sich bereits mit dem Bereich des rein gedanklichen und nicht erst mit der Tat an sich: du sollst nicht mal darüber nachdenken, dem anderen etwas zu nehmen, was sein ist.
Es geht also – zunächst im Hinblick auf das Gebot, nicht die Frau (und aus heutiger Perspektive darf sicher ergänzt werden „und nicht den Mann“) deines Nächsten/deiner Nächsten zu begehren – um mehr als die reine Tat, sondern mehr noch um eine grundsätzliche Einstellung zum Thema Liebe und Treue. Gerade bei diesem Thema sind die moralischen Vorstellungen der institutionellen Kirche und die Realität in unserem gesellschaftlichen Kontext oft sehr weit auseinander. Immer mehr Ehen gehen kaputt oder Menschen wagen den Schritt erst gar nicht mehr, sich „in guten und in schlechten Tagen“ auf einen einzigen anderen Menschen einzulassen. Vielleicht aus Angst vor der eigenen Courage und vor dem Versagen an der Maßgabe „bis dass der Tod euch scheidet“. Vielleicht aber auch aus Sorge vor Anfeindungen von außen. Vor Menschen, die der Ehe nicht den notwendigen Respekt entgegenbringen und sich in ein bestehendes Paargefüge „einmischen“. Es ist sicherlich nicht Aufgabe dieser kleinen Reihe, die heute ihren Abschluss findet, „Rezepte“ zu formulieren, wie dieser Problematik, die im Hinblick auf eine Scheidungsrate von 30-40% sicherlich besteht (wobei diese Statistik ja auch zeigt, dass die Mehrzahl der Ehen nach wie vor Bestand „für immer“ haben), zu begegnen ist. Aber vielleicht kann der Blick noch einmal neu geschärft werden, wie unser eigener, persönlicher Blick auf diesen Themenkomplex ist. Ob für uns selber immer so klar ist, wenn ich in einer Ehe lebe, „gucke ich mich auch erst gar nicht um“, bzw. aus der Außenperspektive: wer verheiratet ist, ist im wahrsten Sinne des Wortes „vergeben“ und damit für mich tabu.
Wenn es im Gespräch um diese Verbote geht, nichts, was dem anderen gehört zu begehren, kommt die Sprache schnell auf das Thema Neid. „Eigentlich möchte ich ja nicht neidisch sein, aber wenn ich sehe, was XY hat, dann hätte ich das schon auch gerne“.
Ist das wirklich das, was hier gemeint ist? Vielleicht kann da etwas differenzierter hingeschaut werden: wenn ich wirklich neidisch bin, dann gönne ich es dem anderen auch nicht, diese oder jene Fähigkeit zu haben, dieses oder jenes Auto zu fahren oder sich einen besonderen Urlaub leisten zu können. Wenn ich hingegen nur etwas beim anderen sehe, was ich so oder so ähnlich auch gerne selber hätte, ist dies ja durchaus legitim. Wenn eine Leistung des Anderen mich anspornt, auch selber etwas zu schaffen, kann der Blick auf den Anderen ja sogar hilfreich sein.
Aber im Kern geht es hier um etwas Anderes, nämlich um den Blick auf sich selbst. Wer mit sich selbst zufrieden und im Reinen ist, der nimmt Anteil am Leben der Familie, der Freunde, Bekannten, Nachbarn und weiter entfernten Menschen in seiner Umgebung. Aber er beneidet sie nicht. Dann ist es möglich, sich ehrlich mit dem Anderen zu freuen, ohne gleichzeitig zu denken: „warum er und nicht ich?“ Dies ist also ein Plädoyer für mehr Selbstzufriedenheit. „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst“, wenn du deinen Mitmenschen Wohlwollen und Begeisterung entgegenbringst, dann doch erst recht auch dir selbst. Und damit ist dann auch das Hab und Gut (im weitesten Sinne) des Anderen nicht mehr interessant, jedenfalls nicht mehr „beneidenswert“.
Das Evangelium dieses Sonntags stellt die Überlegungen der letzten Woche, die sich mit den zehn Geboten etwas ausführlicher befasst haben, unter ein zentrales Wort und gibt ihnen damit auch ihre Bedeutung:
„Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“ (Joh 3,17)
Die Gebote sind für den Menschen da und nicht der Mensch für die Gebote. Gottes Ansinnen ist es immer, uns Menschen das Leben lebenswert gestalten zu lassen und zwar nicht nur jeder für sich, sondern eben auch jeder für den anderen. Nehmen wir die Gebote – in unsere heutige Lebenswirklichkeit übersetzt – immer wieder in den Blick und lassen sie damit uns und unser Leben „verbessern“. Sie sind keine Regeln, an deren Einhaltung wir gemessen werden, sondern die Einladung zu einem gelungenen Leben.
Katharina Nowak
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