Pille hilft. Die Scharfsicht eines Wüstenbussardweibchens ist ein probates Mittel gegen die Kurzsichtigkeit der Stadtplaner. Niemand wollte ein neues Taubenhaus am Döppersberg bauen, bloß eine Mauer sollte es sein; eine, die schön leicht luftig daherkommt und den Kontrast zwischen der kupfermetallenen Schwere des Neubaus und der klassizistischen Leichtigkeit der ehemaligen Bundesbahndirektion um eine weitere kontradiktorische Nuance erhöht. Wer konnte denn schon ahnen, dass in den Lücken Leben wächst und Tauben Schutz vor den vielfältigen Formen des Bergischen Steigungsregens suchen.
Der Katholik hat naturgemäß ein positives Verhältnis zur Taube an sich. Schließlich heißt es ja in der heiligen Schrift, dass im Anschluss an die Taufe Jesu im Jordan der Heilige Geist in Form einer Taube auf den als Sohn Gottes Verkündeten niederkam. An sonnigen Tagen scheint die Stadt besonders geistvoll zu sein – dann sind nicht nur der Döppersberg, sondern auch der Laurentiusplatz, der Lienhardplatz, der Berliner Platz und der Johannes-Rau-Platz vor dem Rathaus voll von diesen Heiligen Geistern. Nur im Rathaus selbst scheint er manchmal nicht zu wehen. Weil es der Heilige Geist so an sich hat, Spuren zu hinterlassen, lässt man jetzt das Wüstenbussardweibchen Pille über der architektonischen Avantgarde am neuen Tor Elberfelds kreisen, um die Tauben zu ver-, auf keinen Fall aber zu bejagen.
Wenigstens semantisch legt der Geist der Stadt weitsichtig Wert auf kühl kalkulierte Differenzierung. Die bloß ver-, auf keinen Fall aber bejagten Tauben werden sich indes eine andere Heimat suchen, um dort ihr fruchtbares Werk zu verrichten. Da der Heilige Geist aber eben auch der Geist der Weisheit ist, wird manche einfach auch nur abwarten, bis die Pille wieder in sichere Verwahrung genommen wird, um dann in der Kunst am Berg zu wohnen. Und wo könnte man schöner wohnen als in Wuppertal?
Ja, was glauben Sie denn, warum im Tal so viele Tauben kreisen? Wuppertal ist eine Stadt, die schließlich Gottes Schutz sehr nötig hat. Große Pläne macht man jetzt bereits. Während manch einem jetzt erst auffällt, dass ein Verkehrskonzept für den Wall fehlt, obwohl man doch drei Jahre B7-Sperrung für geistige Ideenfindung Zeit gehabt hätte, einen wahrlich großen Wurf zu setzen, wird schon von anderen Großtaten geträumt: Die Bundesgartenschau soll nach Wuppertal. Über soviel Natur werden sich nicht nur die Tauben freuen. Auch Land und Leute werden in die Stadt kommen. Wuppertal wird dann in aller Munde sein – und manch ein Euro im Säckel des Kämmerers landen. Ob es dann statt des Bergischen Pepita mal für ein großes Karo reicht? Wenn die BuGa kommt, dann braucht es ein Verkehrs- und Kommunikationskonzept auf der Höhe der Zeit. Davon hätte die Stadt dann lange etwas. Schmetterlinge fliegen nur einen Sommer lang – solange wie die BuGa dauert. Tauben aber haben langen Atem. Die Stadt braucht wieder einen Geist, der Großes denkt und Weite wagt. Keine Kathedrale, weder der Kölner Dom noch das Ulmer Münster, wäre ohne diesen Geist entstanden. Die Heiligen Geister aber sind schon da. Wuppertal, wag was!
In der Kolummne „Was glauben Sie denn?“ der Westdeutschen Zeitung Wuppertal äußert sich Dr. Werner Kleine regelmäßig zu aktuellen Themen aus Kirche, Stadt und Land. Wir präsentieren die Texte hier im Weblog Kath 2:30. Dieser Text wurde erschien am 3. November 2017.
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
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